Jesper Juul - Nein aus Liebe / Kunsten at sige nej med god samvittighed

  • Beschreibung laut Amazon:
    Ein klares Nein ist oft die liebevollste Antwort, die wir geben können. Warum fällt es so schwer, zu seinen Kindern, zu seinem Partner, zu Menschen, die uns wirklich am Herzen liegen, NEIN zu sagen? Jesper Juul, Familientherapeut, Bestsellerautor und einer der großen Impulsgeber für eine Pädagogik der Zukunft, möchte Sie ermutigen, mit gutem Gewissen Nein zu sagen. Und er zeigt, warum das nicht nur Ihnen, sondern der ganzen Familie guttut.


    Der Autor Jesper Juul:
    Jesper Juul wurde am 18. April 1948 in Dänemark geboren, wo er mit seinen Eltern und seinem Bruder auch seine Kindheit und Jugend verbrachte. Er beschäftigte sich u. a. mit Badminton und Vogelstudien und war als Pfadfinder unterwegs. Nach der Schule verließ er das Land und befuhr als Schiffskoch den Fernen Osten, arbeitete als Tellerwäscher und Barmann. Mit 18 Jahren nahm er ein Geschichts- und Religionsstudium auf, fühlte sich aber auf Dauer mit praktischer Arbeit wohler, sodass er die akademische Karriere aufgab. Stattdessen widmete er sich nun der Jugend- und Elternarbeit und gründete das Kempler Institut für Familientherapie. Während und nach dem Bosnienkrieg engagierte er sich für Flüchtlinge und Kriegsveteranen. Jesper Juul lebt in zweiter Ehe mit einer Kroatin zusammen.


    Worum geht’s:
    Juul erklärt in seinem Buch zunächst die Notwendigkeit hinter der Fähigkeit klar „nein“ sagen zu können. Ein echtes, authentisches „nein“ reduziert das Konfliktpotential in zwischenmenschlichen Beziehungen da man seine eigenen Bedürfnisse und Ansichten nicht verrät. Persönliche Integrität ist Juul hierbei besonders wichtig – beim Erwachsenen wie bei Kind.
    Das Konzept des Wortes „nein“ wird sehr vielschichtig erklärt. Was ein authentisches, also echtes „nein“ ist und warum man nur mit einem solchem von Kindern (und auch Erwachsenen) gehört wird. Juul differenziert zwischen Säuglingen, kleinen Kindern und Teenagern und erklärt für jede Gruppe separat wie Kommunikation am besten gelingt. Juul ist ein Vertreter der gewaltfreien Kommunikation, er setzt klar auf „Ich-Botschaften“ die das eigene Gefühl in den Vordergrund stellen. Niemand darf in seiner Würde und Integrität verletzt werden. Wie dies gelingt wird immer wieder an lebensnahen Beispielen erklärt.
    Dabei ist Juul keineswegs ein kategorischer Alles-Verbieter wie es vielleicht klingen mag. Er appelliert viel mehr an den Leser sich selbst zu finden (Moralvorstellungen, Ansichten, Werte die man seinen Kindern mitgeben will) und dann dem treu zu bleiben. Ein großes Kapitel ist dem Thema „Wann ist nein die richtige Antwort?“ gewidmet. Hier wird empfohlen abzuwägen welche „neins“ wirklich notwendig sind und wie man aus einem ursprünglichen „nein“ auch mal ein „ja“ machen kann ohne seine Glaubwürdigkeit dem Kind gegenüber zu verlieren. Juul nimmt die Kinder und ihre Bedürfnisse dabei immer ernst, unterscheidet aber auch klar zwischen Lust und Bedürfnis. Eine Kommunikation die menschlich auf Augenhöhe stattfindet ist enorm wichtig.


    Meine Meinung:
    Wenn man sich in der Vergangenheit ein bisschen mit Kommunikationspsychologie beschäftigt hat – was ich habe – dem wird das Buch keine weltbewegenden neuen Erkenntnisse bringen. Die verschiedenen Ebenen des Wortes „nein“ waren mir dennoch bis dato unbekannt und daher sehr interssant zu lesen. Spannend war vor allem für mich persönlich die Vermittlung von Grenzen an die ganz Kleinen.
    Das Buch reicht einem auch die helfende Hand im Umgang mit Erwachsenen. Den größten Nutzen sehe ich jetzt aber nicht in den konkreten Tipps im Umgang mit Kindern oder Erwachsenen sondern viel mehr im bewussten Wahrnehmen dessen was man wirklich will und für was man bereit ist einzustehen. Viele Menschen sagen einfach viel zu schnell „ja“ und stimmen so etwas zu das sie gar nicht wollen und das sie unzufrieden macht. Auch wenn es mich nicht überrascht hat, sich dessen bewusst zu machen war eine Bereicherung für mich. Man denkt man man passe sich dem anderen an, oft des „lieben Frieden willens“, manchmal um die Gefühle des anderen nicht zu verletzten und verrät dabei doch sich selbst. Dabei ist hier keineswegs die Rede vom neuen Egoisten der nur noch auf sich selbst hört. Natürlich ist es wichtig einen Weg zu finden der beide Kommunikationspartner in Würde zurücklässt. Der andere Partner darf durchaus mal sauer und gekränkt sein. Solange niemand seiner Würde und Integrität beraubt wird dürfen Konflikte auch mal ungeklärt im Raum stehen bleiben. Aber um eben überhaupt auf Augenhöhe zu kommunizieren müssen die Partner sich ihrer selbst klar sein. Ob man sich dann einig wird oder nicht – das ist dann nur die Konsequenz einer guten Ausgangslage.
    Insgesamt hat mir das Buch inhaltlich sehr gut gefallen, ich konnte viel für mich persönlich herausziehen. Das Konzept ist einleuchtend und nachvollziehbar erklärt, Juul erfindet das Rad der Kommunikationspsychologie jedoch nicht neu.
    Der Schreibstil ist angenehm zu lesen, auch wenn man hier und da etwas inne halten muss und zeilenweise zwei mal lesen muss. (Vielleicht muss man das auch nicht und ich habe mich nur ablenken lassen). Die theoretischen Erklärungen sind mit Beispielen aus dem Alltag ergänzt was das Gelesene greifbarer macht. Das Buch liest sich flüssig und gut.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Das Original sollte ja eigentlich auf Dänisch (und nicht Schwedisch sein) sein und den Titel "Kunsten at sige nej med god samvittighed" tragen, also in etwa "Die Kunst, mit gutem Gewissen Nein zu sagen". :wink: Bei Amazon.de ist das dänische Original nicht gelistet. Hinter diesem Link wird aber man fündig.

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "Die Bäume" (189/365)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 43 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Esch "Supercool" (24.03.)

  • Mein Exemplar ist 2012 erschienen


    Verlagstext

    Viele Eltern haben Schwierigkeiten mit dem Neinsagen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sie versuchen, Fehler früherer Generationen zu beseitigen, und dabei immer wieder über das Ziel hinausschießen: Früher sagten Eltern fast immer Nein – quasi sicherheitshalber. Heute neigen Eltern dazu, fast immer Ja zu sagen – auch sicherheitshalber.

    In seinem lebendigen und mit vielen Beispielen gespickten Elternbuch – gut lesbar und auf den Punkt gebracht – plädiert Bestsellerautor Jesper Juul für die Kunst, Nein zu sagen. Dabei räumt er mit der falschen, aber unausrottbaren Vorstellung auf, es ginge vor allem darum, Kindern „Grenzen zu setzen“. Vielmehr ist es Aufgabe der Eltern, ihre eigenen Grenzen zu wahren.

    Nein zu sagen, wenn wir Nein meinen, heißt vor allem, Ja zu sich selbst zu sagen und die eigene Persönlichkeit und seine Überzeugungen und Werte zu schützen. Gleichzeitig zeigt Jesper Juul, dass ein Nein durchaus als zugewandte und sogar liebevolle Antwort verstanden werden kann, wenn die Authentizität erhalten bleibt. Ein echtes Ja und ein echtes Nein sind letztlich zwei Seiten derselben Medaille: Beide haben dieselbe natürliche Existenzberechtigung, und beide sollten stets mit derselben inneren Überzeugung und Wahrhaftigkeit ausgesprochen werden. Sind wir dazu nicht in der Lage, hat das weitreichende Konsequenzen: Wir untergraben unsere eigene Integrität, verlieren unser Selbstbewusstsein, schwächen das Vertrauen und die Nähe zu unserem Partner oder unseren Kindern und versäumen etwas ganz Wichtiges: unseren Kindern ein Vorbild darin zu sein, wie man für sich selbst und das, was man für richtig hält, eintritt.


    Inhalt

    Wer hat sich nicht schon vorgenommen, mit den eigenen Kindern einmal alles ganz anders zu machen. Jesper Juul ist Jahrgang 1948. Seine Kindheit bestand hauptsächlich aus NEINS und seine Eltern konnten sich in ihren Erziehungszielen der Unterstützung von Verwandten, Nachbarn und Lehrern sicher sein. Heute ist Erziehen komplizierter; denn wir wollen unseren Kindern zeigen, dass wir sie lieben, wollen ihnen alles geben - und möglichst oft JA sagen. Sollten wir stattdessen in unserer Konsumgesellschaft nicht viel öfter NEIN sagen? Kinder wollen klipp und klar hören, was Sache ist; sie brauchen eine eindeutige Rückmeldung zu ihrem Verhalten. Halbherzige, defensive Jas belasten die Beziehung zu ihnen unnötig. Juul betont, dass ein authentisches persönliches Nein nicht kränkt, sondern von gegenseitigem Respekt zeugt. Ein klares Nein zeigt unseren Kindern, dass wir Verantwortung für sie übernehmen, sie lieben und ihnen Orientierungshilfen geben können. Juul betont, wie wichtig es ist, dass schon kleine Kinder lernen, zwischen der Liebe ihrer Eltern und dem elterlichen "Service" zu unterscheiden. Um ein Kind zu erziehen und angemessen auf seine Wünsche zu reagieren, müssen Eltern den Unterschied erkennen zwischen Wollen und Brauchen. Wie authentisch und wie selbstsicher wir unsere Elternrolle ausfüllen, bietet unseren Kindern ein wichtiges Rollenvorbild. Wie sollen sie selbst Entscheidungskompetenz erwerben, wie Erziehen lernen, wenn sie ihre eigenen Eltern als unentschlossen erleben? Juul stellt negative und gelungene Beispiel vor für die aufrichtige Kommunikation in der Familie. Wer schlecht Nein-sagen kann, der hat diese Problem meist nicht nur in der Erziehung, sondern auch in anderen Situationen. Der Autor geht ausführlich auf die stürmischen Zeiten vor und während der Pubertät ein, wenn Kinder als kaufkräftige Konsumentengruppe entdeckt werden und sich in das Wertesystem ihrer Clique einzunorden beginnen. Eines der zwölf Kurzkapitel befasst sich mit dem Unterschied zwischen erziehenden Müttern und Vätern. Väter sollten sich stets der besonderen Bedeutung ihres Vorbilds als Rollenmodell für ihre Kinder bewusst sein. Juul betont, dass "Benehmen" nur die Oberfläche einer Person zeigt, während eine zeitgemäße Erziehung den Einklang von Worten, Taten und dem eigenen Selbstbild anstrebe.


    Fazit

    Der dänische Familientherapeut beendet seine leicht verdauliche Einführung in sein Erziehungskonzept mit den von ihm geprägten vier Säulen der Erziehung: Gleichwürdigkeit, Integrität, Authentizität und Verantwortung.

    Jesper Juul betont seine Standard-Punkte: Eltern sollen wie Leuchttürme Orientierung geben, aufrichtig kommunizieren und sich ihres Rollenvorbilds bewusst sein. Wer sich bewusst ist, dass das Buch keine Neuerscheinung ist, findet darin dennoch Unterstützung von Gedanken, die man mit gesundem Menschenverstand vermutlich selbst schon einmal gehabt hat.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:


    (21.2.2012)

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Möller - Der entmündigte Leser

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow