Carsten Sebastian Henn - Das Apfelblütenfest

  • Es ist Mai, die Apfelbäume blühen, und auf dem Hof von Jules Lignier, Cidre- und Calvadoshersteller in der fünften Generation, steigt wie jedes Jahr das Apfelblütenfest. Alle Gäste scheinen sich prächtig zu amüsieren, nur Jules selbst ist nicht nach Feiern zumute. Seit einiger Zeit beunruhigen ihn seltsame Symptome, und als ob das nicht schon Sorge genug wäre, laufen auch die Geschäfte alles andere als gut.


    Lilou Leflaive hat sich vor kurzem als Heilpraktikerin in der Nähe niedergelassen und hatte ganz guten Zulauf zu verzeichnen, bis der ortsansässige Allgemeinarzt anfing, sie schlechtzumachen. Als sie eines Abends einfach nur raus will und auf gut Glück aufbricht, stößt sie auf einen alten Apfelbaum, in dessen Rinde eine "Stellenanzeige" geritzt ist, mit der ein kleiner Junge namens Jules eine Haushälterin für seinen verwitweten Vater sucht. Lilou ist zwar nicht übermäßig beschlagen in Haushaltsdingen, beschließt aber, der Sache nachzugehen. Die Spur führt zum Hof der Ligniers, wo das Fest in vollem Gange ist, und sie stellt erstaunt fest, dass Jules kein kleiner Junge mehr ist. Noch überraschender ist aber, dass er sich tatsächlich widerwillig darauf einlässt, ihr eine Chance zu geben.


    Lilous Fröhlichkeit und Phantasie tut dem in sich gekehrten und oft grummeligen Jules gut, auch wenn er das natürlich nicht immer zugeben will. Was sich daraus entwickelt, ist aber keine alltägliche Liebesgeschichte, in der der Himmel voller Geigen hängt. Das Leben wirft sowohl Lilou als auch Jules ein paar dicke Brocken vor die Füße, die selbst mit Hilfe einiger treuer Freunde, die die beiden begleiten, nicht leicht zu bewältigen sind.


    Was wie eine locker-leichte Romanze zwischen den altbekannten Charakteren "überschwenglich-chaotische Lebenskünstlerin" und "grüblerischer Brummbär" beginnt, nimmt unerwartet ernste Züge an, als beide Hauptfiguren tiefe persönliche Krisen meistern müssen. Ein paar Aspekte wirken etwas übertrieben oder klischeehaft, anderes ist vorhersehbar, aber dennoch berühren die angesprochenen Themen. Die immer wieder zwischen den Zeilen vermittelte "Carpe diem"-Botschaft ist sicher nicht neu oder originell, regt aber doch zum Reflektieren auch über das eigene Leben an.


    Eingebettet ist die Handlung in schöne Beschreibungen von Land und Leuten zwischen Meer und Apfelgärten in der Normandie, Calvados und Cidre und kulinarische Genüsse spielen natürlich auch eine wichtige Rolle, und es gibt eine Fülle von netten Nebenfiguren, die zwar auch oft etwas stereotyp, aber dennoch sehr lebendig und farbenfroh daherkommen und für ein paar hübsche kleine Nebenhandlungsstränge sorgen.


    Das pastellige Cover mag auf den ersten Blick etwas kitschig wirken, hat aber einen Bezug zum Buch, was mich wieder damit versöhnt hat, ebenso geben die manchmal seltsam holprig wirkenden Haikus vor den Kapiteln Rätsel auf (die irgendwann gelöst werden). Etwas ärgerlich sind allerdings kleine Logikfehler wie wechselnde Augenfarben oder Automarken.


    Alles in allem sehr angenehme Wohlfühllektüre zum Mitfiebern, Mitlachen und Mitweinen, am allerbesten mit einem guten Calvados oder einem spritzigen Cidre als Begleitgetränk oder einem großen ofenwarmen Stück Apfelkuchen.


    Die Magdalena-Jury verleiht hierfür 3 Äpfel + einen angeknabberten.

  • Puh, wo soll ich nur anfangen. Der Klappentext verrät nur wenig über die Stimmung und die Geschichte, die "Das Apfelblütenfest" beinhaltet. Somit habe ich ohne große Erwartungen mit dem Lesen begonnen, bereit dazu, mich überraschen zu lassen. Und das hat "Das Apfelblütenfest" auch geschafft.


    Schon der Prolog konnte mich gefangen nehmen und nach wenigen Seiten war ich das erste Mal den Tränen nahe. Wir begleiten den 9-Jährigen Jules, wie er in einen alten Apfelbaum eine Stellenanzeige ritzt. Er sucht eine Haushälterin, die nach dem Selbstmord seiner Mutter, dem Vater unter die Arme greifen und wieder ein wenig Freude in das Haus bringen soll. Diese Stelle fand ich unglaublich berührend und schnell war ich völlig begeistert von dem Buch.


    Auch das französische Flair bringt Sebastian Carsten Henn perfekt rüber. Ich bin ein großer Fan von französischen Filmen und Büchern und somit war die perfekte Beschreibung der Normandie und der Menschen die dort leben nur ein weiterer Pluspunkt. Auch der Schreibstil war angenehm zu lesen. Er ist sehr bildhaft und intensiv.


    Auf Jules Stellenanzeige meldete sich nie jemand, bis viele Jahre später die sympathische und liebenswerte Lilou an dem Baum vorbei kommt. In ihrem Leben geht gerade alles drunter und drüber. Sie versteht die Stellenanzeige als einen Wink des Schicksals und geht zu Jules Hofgut, um sich zu bewerben (nichtsahnend, dass Jules mittlerweile zu einem attraktiven, wenn auch etwas mürrischen Mann heran gewachsen ist). Tatsächlich stellt ihr sie ein. Lilou bringt frischen Wind auf das Hofgut und auch in Jules Leben. Doch der erfährt nach kurzer Zeit, dass er schwer krank ist.


    Auf den ersten ca. 200 Seiten habe ich diese Geschichte geliebt. Ich mochte die witzigen Dialoge zwischen Lilou und Jules, liebte die Charaktere, den Handlungsort und die Atmosphäre. Ich war wirklich hin und weg und nutzte jede Gelegenheit zum Lesen. Doch dann kam die Geschichte an einen Punkt, an dem ich nur noch den Kopf schütteln konnte und mich fragte, was das nun in dieser Geschichte zu suchen hat. Auch rückblickend ergibt dieses Ereignis einfach keinerlei Sinn und hätte gut weg gelassen werden können. Normalerweise vermeide ich Spoiler, doch bei diesem Buch muss es einfach sein.


    ***SPOILER ANFANG!***


    ***SPOILER ENDE!***


    Doch damit nicht genug! Auch die so liebenswerte Lilou begeht einen Fehler, den ich einfach nur bescheuert finde und mich frage, was bei ihr eigentlich falsch gelaufen ist. Dies hat mich besonders getroffen, weil ich die Charaktere in dieser Geschichte so gerne mochte. Auch hier wieder ein Spoiler:


    ***SPOILER ANFANG!***


    ***SPOILER ENDE***


    So, das war's nun mit den Spoilern. Zum Ende sei noch gesagt, dass ich es kaum erwarten konnte, das Buch endlich zur Seite zu legen. Es wurde immer seltsamer und absurder. Nach dem wirklich unfassbar tollen Anfang konnte ich es kaum fassen, in welche Richtung sich dieses Buch entwickelt hat.


    Fazit: Wie viele Sterne vergibt man in solch einem Fall? Ich habe mich für 2,5 Sterne entschieden, da mir der Anfang wirklich gut gefallen, mich das Ende aber extrem enttäuscht hat. Leider bleibt beim Zuschlagen eines Buches ja meist das Ende in Erinnerung. So leid es mir auch tut: Ich kann dieses Buch niemandem empfehlen. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

  • @Coco90 Ich hab die Spoiler mal richtig gesetzt, damit nicht jemand versehentlich doch drüber liest - so muss man aktiv den Spoiler anklicken :wink:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Über das Buch:


    ISBN: 9783866123861
    Preis: 16,99 Euro
    Erschien: 1.3.2016
    Seiten: 348
    Originalsprache: deusch
    Verlag: Pendo (Piper)
    Gelesen vom 23.3.2016-25.3.2016


    Inhalt:


    Jules war 9 Jahre alt, als er eine Stellenanzeige in den mächtigsten Baum im Apfelhain der Familie ritzte. Damals suchte er eine Haushälterin für seinen Vater, doch seitdem sind zwanzig Jahre vergangen. Jules' Vater ist längst tot und er selbst hat widerwillig das Landgut übernommen, auf dem Calvados produziert werden. Und plötzlich bewirbt Lilou sich um die Stelle, eine fröhliche, eigensinnige junge Frau, die in dem kleinen Ort in der Normadie als Heilpraktikerin arbeitet. Nach und nach öffnet sie Jules das Herz, für die Schönheit der Natur und auch für die Liebe. Doch allzu schnell müssen die beiden erkennen, wie zerbrechlich Liebe sein kann, wenn das Schicksaleingreift...


    Das Cover:


    Ist das Cover nicht ein Traum? Ich habe mich sofort in das Cover verliebt und mir deswegen, das Buch ausgesucht.


    Die ersten 3 Sätze:


    Er war der größte und mächtigste Baum in Apfelhain. Kein anderer rund um Beuvron-en-Auge streckte seine alten, knorrigen Äste so weit in den Himmel, keiner verzweigte sich so oft, keiner hatte ein Blätterdach, das es mit dem Kirchengewölbe von Saint-Etienne de Caen aufnehmen konnte. Die Blätter lagen so dicht an dicht , dass der Schatten darunter stets tief wie die Dämmerung war und dass man geborgen unter dieser Kuppel die Welt nur noch gedämpft wahrnahm.


    Meine Meinung:


    Das Buch ist in mehreren Kapiteln unterteilt und jedes Kapitel trägt eine Überrschrift. Außerdem ist vor den Kapiteln immer ein Zitat von Gustave Eiffel. Die höre sich lustig an.


    Zitat Seite 49:

    Der Hals wird warm
    Weich und farbenfroh die Seele
    Jedes Glas leert sich
    Gustave Eiffel


    Das Buch ist in Erzählform geschrieben. Außerdem gefällt mir die Aufmachung sehr. Es hat auch keine dünnen Seiten, sondern die Seiten sind aus dickem Papier.
    Mir hat die Liebesgeschichte um Lilou und Jules sehr gefallen. Sie war so romantisch und mitreißend geschrieben, das man immer weiter lesen wollte. Die Dialoge zwischen den beiden war der Hammer. Ich musste oft lachen.
    Lilou ist eine einfache und angenehme Person. Sie ist Heilpraktikerin und versucht den Menschen zu helfen, soweit sie kann. Sie hat immer einen lustigen Spruch auf den Lippen.
    Jules ist ein alter Brummbär, aber als Lilou kennenlernt, wird er offener und das gefällt mir gut. Er hätte ja oft nein sagen können, aber er war glaube ich auch neugierig, was Lilou alles mit ihm vor hat.
    Nur Schade, das Jules krank ist, aber Lilou versucht alles um ihn zu retten. Ob ihr das gelingt? Dafür müsst ihr das Buch aber selber lesen. Einfach rührend geschrieben und mit viel Gefühl.


    Fazit:


    Eine romantische Liebesgeschichte.


    Über den Autor:


    Carsten Sebastian Henn, geboren 1973 in Köln, arbeitet als Schriftsteller, Weinjournalist und Restaurantkritiker. Er ist Chefredakteur des Gault & Mielau Wein Guides sowie Redaktionsleiter
    Deutschland des Weinmagazins Vinum und besitzt selbst einen Riesling-Weinberg in St. Aldengrund an der Mosel.


    Wie viele Mäuse?


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: Ein Tag ohne ein Buch, ist ein schlechter Tag! :study:


    Gelesene Bücher 2015: 176
    Gelesene Bücher 2016: 165
    Gelesene Bücher 2017: 165
    Gelesene Bücher 2018: 151

    Gelesene Bücher 2019: 17

  • :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:


    Aufgrund des Titels und Covers hatte ich einen herbstlichen Wohlfühl-Roman erwartet, doch die Geschichte war dann doch viel mehr ein Drama. Das war jedoch sehr schön geschrieben, und die Figur der Lilou hatte ich sofort in mein Herz geschlossen. Jules war anfangs eher ein Griesgram, aber er taute dann ziemlich schnell auf, und was er als Kind erleben musste ging mir auch ganz schön ans Herz.


    Die LeserInnen, oder in meinem Fall Zuhörerin, werden im weiteren Verlauf des Buches Zeugen einer ganz besonderen Liebesgeschichte, mit so einigen Hindernissen.

    Am Ende blieb bei mir eine melancholische Grundstimmung, allerdings mit einem versöhnlichen Ausblick in die Zukunft.