Björn Springorum - Der Ruf des Henkers

  • Meine Meinung


    --- Beim Schreibstil --- fällt als erstes auf, dass aus der Ich-Perspektive erzählt wird. Nicht unüblich - aber hier aus der Sicht von beiden Hauptprotagonisten im Wechsel. Sowas in der Art hab ich bisher noch nie gelesen und ich muss sagen, dass mir das sehr gut gefallen und ein ganz besonderes Lesen geschaffen hat.
    Für ein Jugendbuch hat es Björn Springorum geschafft, einen guten Kompromiss zwischen dem einfachen Verständnis und einer fesselnden Wortgewandtheit zu kreieren. Die Atmosphäre einer düsteren Zeit, in der es noch Hinrichtungen am Galgen, den Beruf des Henkers und das Elend an jeder Straßenecke zu finden gab hat er wunderbar getroffen und seinen Stil sehr gut angepasst.
    Allerdings hat er sich auch öfters mal wiederholt, was den Lesespaß zwar nicht gebremst hat, mir aber einfach aufgefallen ist.


    Durch die Ich-Perspektiven fallen --- die Charaktere --- sehr ins Gewicht. Der Henker und sein Lehrling, die in dieser düsteren Zeit einem Beruf nachgehen, der allerorts nur Abscheu und Verachtung mit sich bringt.


    - William Calcraft ist es gewohnt, allein mit seinem Auftreten die Ängste der Menschen zu schüren, denn schon seit vielen Jahren zieht er als Henker durch das Londoner Umland. Doch er hat auch eine Mission zu erfüllen, die ihn misstrauisch und abweisend erscheinen lässt, grüblerisch und mürrisch. Ein typischer Einzelgänger, der sich durch die unerwartete Gesellschaft seines Lehrlings Richard einigen Veränderungen stellen muss. Doch es tut ihm gut, besser, als er es sich eingestehen würde, dennoch fällt es ihm extrem schwer, über seinen Schatten zu springen.


    - Richard Winters ist in einem Dorf an der Küste unweit von London als ungeliebter Sohn eines Pfarrers aufgewachsen. Er ist erst 14, als ihn der Henker durch ein unfreiwilliges Bündnis in die Lehre nimmt. Recht schnell merkt Richard, dass der Alte nicht nur verurteilte Verbrecher zu Tode bringt - und auch wenn die beiden trotz ihrer Verschiedenheit immer mehr zusammenwachsen, behält Calcraft vieles von seinem geheimen Wissen für sich. Richard wächst aber an seinen Aufgaben und das Geheimnis zu ergründen weckt seine Abenteuerlust. Dabei steht ihm jedoch seine Jugendliebe im Weg - eine blinde Schwärmerei, durch die er hin- und hergerissen wird zwischen der Loyalität zu seinem Meister und der Sehnsucht seines Herzens.


    Außer den beiden gibt es noch den Juden Benjamin Goldberg, der dem Henker Unterschlupf bietet und seine reizenden Tochter Rose, die ich sehr ins Herz geschlossen habe. Ihre Gedanken erfährt man durch einige Tagebucheinträge, bei denen sie ganz unverblümt und liebenswert ihr Herz ausschüttet.
    Und natürlich Elizabeth, derentwegen Richard nicht nur einmal in arge Gewissensbisse kommt.


    --- Die Handlung --- beschränkt sich vor allem auf die beiden Protagonisten. Durch ihre Sichtweise konnte ich immer sehr gut nachvollziehen, was in ihnen vorgeht und wie sie mit sich und dem Schicksal kämpfen, dass das Leben ihnen beschert hat. Die Jagd nach den dunklen Feen, dem Mythos der grünen Insel, war sehr ungewöhnlich beschrieben, wobei mir da auch am Ende noch zuviel im Dunkeln geblieben ist. Da hätte ich mir gerne noch mehr gewünscht.
    Etwas schade war, dass man schon sehr früh ahnt, worauf alles hinauslaufen wird, das hat ein bisschen die Spannung rausgenommen.


    Alle Wege führen nach ... London. Ich liebe diese Stadt und darum liebe ich es auch, wenn sie wie hier so wunderbar treffend beschrieben wird. Zu der damaligen Zeit teilweise ein übles Pflaster: dreckig, stinkend, gefährlich; voller Bettler, Diebe und dunkler Gestalten und trotzdem mit einem gewissen Charme, dem ich mich einfach nicht entziehen kann :) Ein sehr guter Einblick grade auch für Jugendliche in ein Leben, wie wir es uns gar nicht mehr vorstellen können!


    Als Thema ist mir hier vor allem das Vertrauen aufgefallen, wobei hier eher das mangelnde, denn weder William Calcraft noch Richard können sich dem anderen öffnen und die Wahrheit zulassen. Aus Angst, aus Scham, aus den Zweifeln an sich selbst. Dabei ist es so wichtig, in einer Beziehung, egal ob aus Liebe oder Freundschaft, dem anderen mit seiner Ehrlichkeit seinen Respekt zu zeigen.


    Fazit


    Ein etwas ungewöhnliches Jugendbuch, das den Leser mitten in ein dunkles Abenteuer befördert. Eine Reise, eine Suche und ein dunkles Geheimnis werden in einen fesselnden Schreibstil und ein historisches England gekleidet, bei dem man kaum glauben mag, dass diese Verhältnisse gerade mal 150 Jahre her sind. Für Jung und Alt gleichermaßen zu empfehlen :)


    © Aleshanee
    Weltenwanderer

  • Und für alle, die wie ich gern wissen, worum es eigentlich geht, hier der Inhalt (von Amazon):


    England, Mitte des 19. Jahrhunderts Unfreiwillig gerät Richard Winters in die Hände des berüchtigsten Henkers von ganz England. An der Seite von William Calcraft führt er fortan das finstere Leben eines Henkerslehrlings, auf Schritt und Tritt begleitet von Tod, Galgen und Raben. Rasch merkt er, dass sein strenger Meister ein Geheimnis verbirgt, das seine Welt für immer aus den Angeln heben wird. Richard muss beweisen, dass er dieser Aufgabe gewachsen ist. Doch als er in London ausgerechnet seine große Liebe wiedertrifft, steht urplötzlich noch viel mehr auf dem Spiel...

  • Inhalt:
    Richard Winters liebt Liz und diese soll gehängt werden. Auf Grund dessen ist der Henker William Calcraft in der Stadt. Doch Richard kann ihn von ihrer Unschuld überzeugen und sie kommt frei. Richard muss dafür mit Calcraft als Lehrling mitgehen. Tod und auch Sehnsucht nach Liz beherrschen Richards Alltag und die Fragen ob er sie nochmal wiedersehen wird und welches Geheimnis Calcraft vor ihm verbirgt. Nichtsahnend wie gefährlich dieses Geheimnis ist...


    Meine Meinung:
    Der Ruf des Henkers wurde und vom Verlag auf der Messe in Frankfurt vorgestellt. Schon da wurde ich sehr neugierig auf das Buch. Das Cover und die düstere Geschichte, das als Jugendbuch erscheint nahmen sich schon für mich ein. Ich war sehr gespannt was Björn Springorum sich hat einfallen lassen.


    Beim Einstieg fiel direkt der leicht zu lesende Schreibstil auf, der Jugendgerecht, aber nicht kindlich ist. Dieser begleitet mich durchs Buch und ließen die Seiten nur so verfliegen.


    Der Plot ist einfach und doch sehr spannend. Allerdings habe ich recht schnell durchschaut auf was es am Ende raus laufen wird, aber ich denke das liegt auch an der Menge die ich schon gelesen habe. Irgendwann bekommt man ein Gefühl dafür. Langweilig wurde es dennoch nicht. Die Spannung war recht schnell da und steigerte sich bis zum Schluss.
    Was mich etwas störte war dass das Geheimnis von Calcraft auch dem Leser so lange verborgen blieb und auch am Ende nicht so ganz aufgeklärt wurde. Hier hätte ich mir mehr aus der Vergangenheit von Calcraft gewünscht um besser zu verstehen.


    Die Geschichte ist aus Sicht von Richard und von Calcraft geschrieben. Gespickt mit Tagebucheinträgen von Rose. So erfährt mehr über sie, als wenn es nur aus einer Sicht geschrieben wäre. Gerade Calcraft, der aus Sicht von Richard doch etwas undurchschaubar wirkt, wird dem Leser so etwas näher gebracht. Er wirkt kalt und unnahbar, doch in seinen Parts zeigen seine Gedanken und auch sein Handeln das er doch Gefühle zeigen kann und er nur seiner Mission folgt.
    Richard ist jedoch schon ein offenes Buch. Er ist erstaunlich vernünftig für sein Alter und schert nur selten aus dem Gewohnten aus. Außer denn es um seine Liebe zu Liz geht hat er die rosarote Brille auf und vergisst alles andere.
    Zum Leidwesen von Rose, die ihre Tagebucheinträge als Außenstehende verfasst, sozusagen ein Erzähler zu der Geschichte mit besonderem Anliegen.


    Am Ende gibt es ein Nachwort in dem man erfährt das diesem Buch eine wahre Geschichte als Vorlage gedient hat. Dieses England im 19. Jahrhundert gab es wirklich und auch William Calcraft gab es. Der Autor hat sich eine Geschichte rund um diese Person ausgedacht. Eine interessante Geschichte bei der ich mir gerade im Nachwort dann auch die Fakten gewünscht hätte um im Nachhinein zu wissen, was wirklich erfunden war. Dazu gibt es im Buch nur ein paar Sätze´und bei Google überwiegend englische Links, die Kids in dem Alter ja nur schwer übersetzen können.


    Am Ende bin ich dennoch vollkommen zufrieden und vor allem begeistert von diesem Buch und kann es gut empfehlen für das Alter ab 13 Jahren, auch wenn es gerade bei den Hinrichtungen schon nicht so schöne Szenen gibt, jedoch war das in der Mitte des 19. Jahrhundert Realität. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Ein tolles Jugendbuch. Ich kann nur bestätigen und unterschreiben, was Natalie77 bereits geschrieben hat. Mir hat es ebenfalls sehr gut gefallen. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:
    Björn Springorum hat einen schönen Stil. Das Buch ist abwechslungsreich, wenn auch manchmal etwas vorhersehbar, und spannend.

  • Als begeisterte Leserin historischer Roman war ich vom Titel sofort begeistert. Geschichten über Henker und Scharfrichters finde ich sehr interessant, auch wenn man selten etwas neues darüber liest.

    Das vorliegende Buch ist jedoch etwas anders. Nicht nur, dass es ein Jugendbuch ist, nein... auch der Henker ist etwas anders.... oder sagen wir lieber.... besonders. Ja, William Calcraft ist wirklich besonders.

    Aber beginnen wir mal von vorn. Es beginnt in England in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Der oberste Henker im Vereinigten Königreich wird in ein kleines Städtchen gebeten, um eine Hinrichtung durchzuführen. Als die Delinquenten zum Galgen geführt werden, durchbricht ein Junge die Menschenmenge und bittet den Henker um Gnade für Liz. Calcraft, der Henker spürt, dass irgendetwas nicht stimmt und vertagt kurzerhand die Hinrichtung, um den jungen Richard Winters anzuhören. Was jedoch niemand ahnt, der Henker ist nicht nur Henker. Und Liz ist nicht nur ein einfaches Mädchen. Und auch Richards Leben ändert sich komplett. Aber mehr möchte ich darüber nicht erzählen.

    Der Autor hat es durch seine einfache und leicht verständliche Schreibweise geschafft, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte und wollte. Ich habe sogar meine kostbare Nachtruhe für dieses Buch geopfert, nur um zu erfahren, wie alles weiter geht bzw. endet. Und das Ende....oh mein Gott.... ich sag nur... spektakulär!!!

    Sehr gut hat mir auch die Darstellung der einzelnen Charakteren gefallen. Auch die Beschreibungen von London waren sehr detailliert, so dass ich mir die einzelnen Szenen sehr gut vorstellen konnte.

    Als Entree für jedes Kapitel, wurde ein Torbogen gewählt, was den Leser immer wieder in die mittelalterliche Szene zurückführt.


    -FAZIT -


    Anfangs war ich etwas skeptisch, da die Geschichte das Historiengenre leicht verlassen hatte. Ich habe jedoch schnell gemerkt, dass es der Spannung keinen Abbruch bringt, eher im Gegenteil. Der Spannungsbogen reicht von der ersten bis zur letzten Seite. Sehr gut fand ich das Nachwort, in dem auf die historische Persönlichkeit des Henkers eingegangen wird. Es handelt sich also um keine fiktive Person, sondern wohl nur um eine fiktive Geschichte. Aber eine Geschichte, die es in sich hat.

    Es ist zwar ein Jugendbuch, aber durchaus auch für die erwachsenen Leser geeignet.

    Ich hoffe, dass der Autor eine Fortsetzung schreibt, da ich unbedingt wissen möchte, wie es mit Richard und Rose weiter geht.