Inhaltsangabe:
Regina Scheer spannt in ihrem beeindruckenden Debütroman den Bogen von den 30er Jahren über den Zweiten Weltkrieg bis zum Fall der Mauer und in die Gegenwart. Sie erzählt von den Anfängen der DDR, als die von Faschismus und Stalinismus geschwächten linken Kräfte hier das bessere Deutschland schaffen wollten, von Erstarrung und Enttäuschung, von dem hoffnungsvollen Aufbruch Ende der 80er Jahre und von zerplatzten Lebensträumen.
(Quelle: Verlagsseite)
Die Autorin:
Regina Scheer, 1950 in Berlin geboren, studierte Theater- und Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität. Von 1972–1976 arbeitete sie bei der Wochenzeitschrift „Forum“, deren Redaktion wegen „konterrevolutionärer Tendenzen“ aufgelöst wurde. Danach war sie freie Autorin von Reportagen, Essays und Liedtexten und Mitarbeiterin der Literaturzeitschrift „Temperamente“. Nach 1990 arbeitete sie an Ausstellungen, Filmen und Anthologien mit und veröffentlichte mehrere Bücher zu deutsch-jüdischer Geschichte. „Machandel“ ist ihr erster Roman, für den sie 2014 den Mara-Cassens-Preis erhielt.
(Quelle: Verlagsseite)
Meine Meinung:
Regina Scheer erzählt in ihrem Debütroman "Machandel" eine weit verzweigte Familiengeschichte. Angesiedelt ist die Handlung in dem fiktiven mecklenburgischen Dorf Machandel, ca 2 Stunden von Berlin entfernt. Fünf Erzähler kommen in 25 Kapiteln zu Wort, wobei der Schwerpunkt bei Clara liegt.
Der Name Machandel geht auf eine uralte Legende des Machandelbaums zurück; von dieser Legende gibt es verschiedene Versionen. So begräbt in dem Märchen der Gebrüder Grimm Marlene die Knochen ihres Bruders. Dieser steht als Vogel wieder auf und singt von seinem Schicksal. Das Märchen besagt im übertragenen Sinne, dass die Erinnerung bestehen bleiben muss, dass man sie zulassen muss - nur so kann man Erlösung finden.
Der Roman umfasst ca 90 Jahre Zeitgeschichte, ca ab den 30er Jahren über die Anfänge der DDR bis hin zur Gegenwart. Wie ein Mosaik werden die verschiedenen Schicksale zusammengesetzt, wobei Machandel Dreh- und Angelpunkt ist.
1985 kommt Clara gemeinsam mit ihrem Bruder Jan kurz vor dessen Ausreise aus der DDR nach Machandel. Jan will gemeinsam Abschied nehmen von dem Ort seiner Kindheit. Bei diesem Besuch entdeckt Clara ein altes Sommerhaus, welches für sie und ihre Familie zum Rückzugsort wird. Hier kann sie ihre Dissertation über das Märchen vom Machandelboom, eine Geschichte der Gebrüder Grimm, in dem es um das Verschweigen, aber auch um die Erinnerung geht, weiterschreiben.
Während Clara sich der Vergangenheit widmet, bilden sich erste Oppositionsgruppen in den Städten der DDR.
Auch ihr Vater Hans ist als ehemaliger KZ-Häftling nach Machandel gekommen und schwört seinem Land ewige Treue. Er wird DDR-Minister und Mitglied der Volkskammer. Seine Familie leidet darunter, sein Sohn Jan reist aus, seine Ehefrau verfällt dem Alkohol. Erst im Rückblick erkennt Hans seine Fehler.
Zu Wort kommt auch Natalja, eine ehemalige Zwangsarbeiterin, die als 16-jährige aus ihrem Dorf verschleppt wurde und in Machandel immer eine Fremde blieb.
Indem viele Erzähler zu Wort kommen, entsteht ein vielschichtiges Bild von dem Land, den Menschen und ihren Schicksalen, die kunstvoll miteinander verknüpft wurden.
"Machandel" erzählt lebendig von unerfüllten Träumen und Hoffnungen, von politischen Gräueltaten und Schicksalsschlägen - aber auch von Hilfsbereitschaft und Liebe.
Ein gelungenes Debüt, welches ich sehr gerne weiterempfehle.