Jostein Gaarder - Maya oder das Wunder des Lebens / Maya

  • Inhalt (Klappentext):
    "Irgendwo habe ich dieses Mädchen schon einmal gesehen", denkt sich der Evolutionsbiologe Frank Andersen, als er Ana kennen lernt. Doch erst bei einem Besuch im Prado vor Goyas "Maya" geht ihm ein Licht auf. Anas Gesicht sieht genauso aus wie das der Maya, doch das Bild ist 200 Jahre alt. Eine Laune der Natur? Oder ist es möglich, dass nicht nur eine Wirklichkeit, nicht nur eine Zeit, nicht nur ein Universum existieren?


    Über den Autor:
    Jostein Gaarder, geboren 1952, studierte Philosophie, Theologie und Literaturwissenschaft in Oslo und lehrte Philosophie an Schulen und in der Erwachsenenbildung. Daneben schrieb er Romane und Erzählungen für Kinder und Erwachsene. Heute lebt er als freier Schriftsteller in Oslo. Mit "Sofies Welt" (1993 erschienen und inzwischen in über 40 Sprachen übersetzt) wurde Gaarder international bekannt.


    Meine Meinung:
    "Maya" war mein erster Roman von Gaarder und ein erfolgreiches Kennenlernen war es nicht, ganz und gar nicht. Mehr noch: Ich musste nach 150 Seiten sogar das Handtuch werfen, so wenig Sinn sah ich noch darin, weiterzulesen. Und ich breche Bücher nur extrem selten ab.


    Was hat mich dazu bewegt, es in diesem Fall zu tun? Nun, der Roman an sich ist gar nicht schlecht und bedient im Grunde Themen, die mich sonst immer ansprechen. Kann man die Evolution als zielgerichtet bezeichnen? Liegt in der Zukunft die Ursache für die Vergangenheit? Kann man das Universum besser begreifen, als wir es tun, oder sind wir bereits am Ende des Denkmöglichen angekommen? Ich liebe Philosophie und vertiefe mich unglaublich gerne in Betrachtungen, die mit uns, dem Universum, der Zeit, der Evolution und Ähnlichem zu tun haben. Man merkt auch ganz klar, dass Gaarder kein Amateur auf dem Gebiet ist. Schließlich hat er das Fach studiert. Und er zeigt ganz wunderbar, welche Überlegungen bezüglich dieser Themen möglich sind, denn im Roman wird unter den Figuren ganz viel diskutiert. Gerade die Stellen, an denen sich die Hauptfigur Frank über die Welt und sich selbst Gedanken macht, fand ich besonders gelungen. Auch der Schreibstil ist sehr angenehm, die Seiten flogen nur so dahin.


    Trotzdem gibt es da bestimmte Eigenheiten, die mich in der Summe sogar vom Weiterlesen abhalten konnten. Zum einen habe ich nur schwerlich einen Einstieg ins Buch gefunden. Nach den ersten mühevollen Seiten, als ich zu verstehen versuchte, wer jetzt wer ist, über wen spricht und wen getroffen hat, dachte ich mir schon "Oh je, wie soll das bloß weitergehen...". Eine gelungene Exposition ist es wirklich nicht. Es geht im Grunde darum, dass eine Person im Besitz eines Briefes ist, den eine andere geschrieben hat, und nach der verwirrenden Einleitung besteht der Großteil des Buchs aus eben diesem Brief. Nur war ich nach der Einleitung nicht schlauer als zuvor, sodass man sie genauso gut weglassen oder am Ende des Buches hätte anführen können.


    Dann hat die Hauptfigur Frank, der Verfasser des Briefs, neue Bekannte gewonnen, die ich die ganze Zeit nicht so richtig verstanden habe. Mir ist klar, dass es gewollt war, aber es wurmt einen doch sehr, wenn man nur noch Fragezeichen im Kopf hat. Zur Erklärung: Die Bekannten, zwei Spanier, laufen herum und geben ständig irgendwelche philosophischen Sprüche von sich, die manchmal wenig Zusammenhang miteinander aufweisen und ab und zu gar keinen Sinn ergeben, weil die beiden irgendwelche kryptischen Bezeichnungen (z.B. "der Joker") verwenden. Und Frank spioniert hinter den beiden her und ist mit nichts anderem beschäftigt, als sich alle diese "Wahrheiten", wie er sie nennt, zu notieren. Also, wenn das alles nicht seltsam ist, dann weiß ich auch nicht. Da muss man sich mal kurz vor Augen führen, wie so ein Gespräch zwischen den Spaniern abläuft: Er sagt irgendetwas Kryptisches, dann folgen ein paar Sätze, die allgemein verständlich sind, dann sagt sie irgendetwas Kryptisches, dann antwortet er auf die gleiche Weise... Ich denke, man kann sich ausmalen, dass die Geduld des Lesers unter Umständen nicht ganz mithalten kann. Nichts ist schlimmer, wenn man etwas liest und es vollkommen an einem vorbeigeht, weil man nichts versteht. Dann könnte man genauso gut aufhören.


    Ich beschloss dennoch, vorerst weiterzulesen, weil ich gehofft habe, dass in naher Zukunft eine Erklärung folgen mag. Dann kam jedoch eine Szene, die mich meine Meinung ändern ließ. Frank kam auf die Idee, mit einem Gecko, der sich an seine Ginflasche geklammert hat, ein längeres philosophisches Gespräch zu führen. Ich denke, dass er sich das Gespräch nur vorgestellt hat und nicht geträumt hat (so kam es jedenfalls herüber) und damit war ich nicht nur mit mit meinem Latein, sondern auch mit meiner Geduld am Ende. Grundsätzlich bin ich solchen fantasievollen Einfällen der Autoren nicht abgeneigt, aber der Grat zwischen "faszinierend" und "seltsam" ist bei solchen und ähnlichen Szenen sehr schmal. Es ist wie im Kino: Sobald man denkt, dass etwas zu "abgedreht" ist, ist der Zauber sofort weg und man wird sich wieder bewusst, dass man im Sessel sitzt und sich gerade einen Film anschaut. So war auch diese Szene gewissermaßen die Schlüsselszene für mich: Ich habe auf einmal ganz deutlich die Distanz zum Buch gespürt und verstanden, dass der Autor sich in einem eigenen gedanklichen Universum bewegt, zu dem ich leider so gar keine Verbindung habe. Danach habe ich etwa 20 Seiten weitergelesen und das Buch anschließend zur Seite gelegt. Ich habe es mir trotzdem nicht nehmen lassen, davor noch kurz einen Blick auf die letzten Seiten des Briefs zu werfen, nur um feststellen zu müssen, dass das seltsame Verhalten der Spanier erst gegen Ende aufgelöst wird. Ich persönlich habe mich jetzt mit dem Gedanken versöhnt, dass ich das Ende im Grunde gar nicht (mehr) erfahren will. Und damit kann das Buch wieder getrost ins Regal wandern.


    Fazit:
    Ein toller philosophischer Kern mit einem für mich fragwürdigen Verpackungsmaterial. Ich persönlich habe das Buch nach etwa einem Drittel abgebrochen, aber es gibt viele Leser, die eine ganz andere Meinung dazu haben. Ich würde mich freuen, in diesem Thread weitere Kommentare zum Buch zu finden und zu erfahren, was andere daran so fasziniert hat (denn ich kann mir trotz meiner ernüchternden Erfahrung vorstellen, dass es für andere überaus faszinierend sein könnte).

    :jocolor: Verschwundene Reiche: Die Geschichte des vergessenen Europa // Norman Davies (Projekt)



    You cannot open a book without learning something. - Konfuzius

  • @Irongretta herzlichen Dank für deine ausführliche Vorstellung. Bewahrt einem von unschönen Fehlkäufen. :flower:

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • @Irongretta herzlichen Dank für deine ausführliche Vorstellung. Bewahrt einem von unschönen Fehlkäufen. :flower:

    Immer gerne! Allerdings scheine ich mit meiner Meinung beinahe allein dazustehen, zu diesem Roman gibt es ja viele gute Bewertungen. Es ist einfach immer Ansichtssache.

    :jocolor: Verschwundene Reiche: Die Geschichte des vergessenen Europa // Norman Davies (Projekt)



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  • Hm, ich hab sowohl Sofies Welt als auch das Orangenmädchen gelesen und finde beide gut.
    Aber irgendwie hört sich der Roman von Dir interessant an.

  • Hm, ich hab sowohl Sofies Welt als auch das Orangenmädchen gelesen und finde beide gut.
    Aber irgendwie hört sich der Roman von Dir interessant an.

    Ich habe ja keinen Vergleich, daher kann ich nicht sagen, wie es sich mit der Ähnlichkeit zu seinen anderen Romanen verhält, aber wenn du die beiden Werke mochtest, dann spricht doch nichts dagegen, es mit diesem hier zu versuchen. :)

    :jocolor: Verschwundene Reiche: Die Geschichte des vergessenen Europa // Norman Davies (Projekt)



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  • Eben.
    Man sagt ja auch es gibt keine "gute Literatur" und "schlechte Literatur".
    Sondern nur eine "passende Literatur für den Leser". ;-)