Jenny Bond - An einem Tag im Mai / The President's Lunch

  • Iris ist ganz unten, als eine Zufallsbegegnung ihr Leben verändert. Während der Wirtschaftskrise Anfang der 30er Jahre hat sie nicht nur ihre Stelle als Lehrerin, sondern auch ihre Wohnung verloren und muss schließlich sogar die behelfsmäßige Barackensiedlung verlassen, in der sie Unterschlupf gefunden hatte. Sie ist völlig verzweifelt, als sie an einer Tankstelle eine Frau anspricht und um Hilfe bittet, weil sie am Verhungern ist.


    Die großzügige Dame, keine Geringere als First Lady Eleanor Roosevelt, zeigt sich spendabel und hinterlässt Iris überdies ihre Kontaktdaten. Das ist der Anfang einer wunderbaren Karriere, wie es sie fast nur in den USA gibt. Zunächst als Schreibkraft eingestellt, arbeitet sich Iris schnell im Weißen Haus ein und zeigt, dass sie Köpfchen und einen Sinn für Politik hat. So viel Potential bleibt auch dem Präsidenten nicht verborgen, und bald strebt Iris nach Höherem.


    Auch in ihrem Privatleben tut sich im neuen Job etwas. Der charmante Monty Chapel gilt zwar allgemein als Weiberheld, doch Iris scheint zu schaffen, was viele Frauen vergeblich versucht haben ... wenn da bloß nicht auch der Journalist Sam wäre, zu dem sich Iris ebenfalls hingezogen fühlt.


    Das Vorkriegsamerika unter Roosevelt, gezeichnet von der schlimmsten Wirtschaftskrise aller Zeiten, mit einer Mischung aus Argwohn und Gleichgültigkeit nach Europa schielend, wo Hitler sein Unwesen zu treiben beginnt, mit der sozial und politisch engagierten First Lady und einer aufstrebenden jungen Frau im Fokus, bietet eine großartige Ausgangslage für gelungenes "Infotainment" über diese Zeit, in der viele wichtige Weichen gestellt (oder auch nicht gestellt) wurden.


    Anfangs bekommt Jenny Bond das auch ziemlich gut hin und lässt Iris in ihrer Not genauso lebendig werden wie die politischen Diskussionen im Weißen Haus und die amourösen Abwege beider Roosevelts. Im weiteren Verlauf driftet der Roman leider immer mehr vom interessanten zeitgeschichtlichen Geschehen weg und in Richtung einer langweiligen Dreiecksgeschichte.


    Statt an Kontur zu gewinnen, wird Iris dabei immer farbloser, und man tut sich immer schwerer beim Versuch, ihre Wankelmütigkeit in bezug auf die beiden Männer in ihrem Leben nachzuvollziehen. Das Hin und Her wird irgendwann zum vorhersehbaren Muster und nervt einfach nur noch.


    Leider tritt auch der historische Rahmen immer stärker in den Hintergrund. Beispielsweise wird Iris eine spannende Initiative zugunsten alleinstehender, arbeitsloser Frauen anvertraut, doch man erfährt so gut wie nichts über ihre Arbeit in diesem Projekt. Ebenso verläuft sich die Thematik der japanischstämmigen Amerikaner, die unglaublicherweise in Lagern interniert wurden, weil man sie nach dem Kriegseintritt Japans für gefährlich hielt, nach ein paar starken Szenen im Sande. Oder eher belanglose Dinge werden über Seiten hinweg aufgebläht, während der Überfall auf Pearl Harbor in einem Nebensatz erwähnt wird.


    Was gänzlich zusammenhanglos im Raum steht, sind eingeworfene Kurzepisoden aus dem Nähkästchen der legendär miesen Köchin im Weißen Haus, Henrietta Nesbitt. Im Nachwort heißt es, die Autorin sei von ihrer Geschichte so fasziniert gewesen, dass sie zu diesem Buch inspiriert wurde. Da fragt man sich jedoch, warum sie dann nicht einfach ein Buch über eine fiktionalisierte Version der Mrs. Nesbitt verfasst hat, statt sie zwangsweise hier unterzubringen, wo ihre Einsprengsel keinerlei Mehrwert bieten.


    Immerhin ließ sich das Buch sprachlich recht angenehm lesen und hat mein Interesse an dieser Zeit neu geweckt.