Annelie Wendeberg - Die lange Reise / The Journey

  • Sherlock Holmes und Anna Kronberg auf der Flucht 1891. Annas schlimmster Alptraum ist wahr geworden: Sie ist schwanger von ihrem Erzfeind Moriarty und wird auf Schritt und Tritt von gedungenen Mördern verfolgt. Welche Pläne verfolgt Moriarty wirklich mit seinen Biowaffen – sind sie für künftige europäische Kriege gedacht? Schritt für Schritt entwirren Anna Kronberg und Sherlock Holmes das Spinnennetz aus Verbrechen, Spionage und Bioterrorismus, das sich über den Globus erstreckt. Eine viktorianische Tour de Force mit vielen überraschenden Wendungen. (Klappentext)


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    Diese Geschichte wird aus der Ich-Perspektive von Anna geschrieben und der Leser begleitet sie und Sherlock auf der Flucht/Jagd vor/nach Moriarty's Männern.
    Klingt spannend, ist es jedoch leider nicht.
    Wer die vorherigen zwei Teile dieser Anna Kronberg-Reihe gelesen hat, erwartet eine freche, selbstbewusste, intelligente Frau und einen hochintelligenten und etwas schrägen Sherlock, so wie man ihn kennt und liebt, sowie einen spannenden Fall rund um Moriarty, seine Hintermänner und den bevorstehenden Krieg mit Bio-Waffen.
    Man bekommt jedoch einen Sherlock, der mit dem berühmten Sherlock nichts mehr zu tun hat und eine depressive Anna Kronberg.
    Anna suhlt sich in Selbstmitleid, will sich auch äußerst dramatisch umbringen und hat sich somit zu einer Borderlinerin entwickelt. Nichts erinnert an die selbstbewusste und freche Frau aus den vorherigen Teilen.
    Sherlock ist zu einem übermitfühlendem, schnulzigem und weichen Schoßhund geworden, der Anna in einer Tour Zucker in den Arsch bläst, wie intelligent, stark, mutig und einzigartig sie nicht ist.
    Das scheinen auch alle anderen von Anna zu denken und ihr auch zu sagen. Ständig und immerzu, während sie ständig und immerzu depressiv zu sein scheint. Dazu kommen noch schnulzige Dialoge und Szenen.
    DRAMA BABY DRAMA!!
    Die Handlung kommt so gar nicht in die Gänge. Nach 100 Seiten nahm das Tempo und Handlung etwas an Fahrt zu und ich dachte, ich hätte nun endlich das Schlimmste überstanden und die Geschichte fängt nun endlich an. Tja, falsch gedacht. Das war nur ein kurzes Aufflackern, dieses tritt jedoch hin und wieder auf, um die Geschichte zumindest ein bisschen voranzutreiben. Dramatische und schnulzige Szenen überwiegen jedoch.
    Erst gegen Ende nimmt die Geschichte an Fahrt und auch an Spannung zu und konnte dadurch endlich in einem Rutsch gelesen werden (zuvor musste ich es immer wieder zur Seite legen, da das Geschnulze für mich nicht auszuhalten war). Und das Ende?? Irgendwie gibt es da keines. Leider wurde der Fall selbst nicht zu Ende gebracht, geschweige denn aufgelöst und somit bleibt der Leser unbefriedigt und auch etwas verdutzt zurück (zumindest erging es mir so). Wo war nun die Handlung?? Wo war diese viktorianische Tour de Force mit vielen überraschenden Wendungen? Also ich habe sie nicht gefunden.


    Der Schreibstil selbst ist wieder flott und flüssig und der Hintergrund dieser Geschichte äußerst interessant, bleibt jedoch nur im Hintergrund - gaanz weit hinten.
    Dem Leser erwartet jedoch am Ende des Buches ein paar interessante Infos über Dr. Koch, A.C. Doyle und die Geschichte über Bio-Waffen.


    Fazit:
    Wie sehr habe ich mich auf diesen 3. Teil der Anna Kronberg-Reihe gefreut, habe ich die ersten beiden Teile regelrecht verschlungen und war von ihnen begeistert. Meine Erwartungen waren also dementsprechend hoch, vielleicht zu hoch.
    Für mich war dieser Teil nämlich leider sehr enttäuschend und zwar aufgrund der dominierenden schnluzigen Drama-Handlung, während die Geschichte selbst nur selten an Handlung, Fahrt und Spannung zunimmt - erst kurz vor Ende wird es spannend, aber das ist für ein Buch mit nur knapp 300 Seiten zu wenig. Die Hauptcharaktere Sherlock und Anna erkennt man nicht wieder und es herrscht durchgehend depressive Stimmung.
    Ich würde wirklich gerne etwas anderes schreiben, aber leider kann ich von meiner Sicht aus keine Leseempfehlung aussprechen. [-(

    Wenn ein Mann zurückweicht, weicht er zurück. Eine Frau weicht nur zurück, um besser Anlauf nehmen zu können. (Zsa Zsa Gabor)
    :twisted:

  • Danke für die Rezi. Die beiden ersten Teile habe ich ebenfalls mit großer Begeisterung gelesen und bin schon sehr auf den dritten gespannt. Schade, dass er die hohen Erwartungen wohl nicht erfüllen kann. Ich werde ihn aber trotzdem lesen, der Vollständigkeit halber.

    Verführung Volljähriger zum Bücherkauf sollte nicht unter 5 Jahren Stadtbibliotheksmitgliedschaft bestraft werden!

  • Endlich habe ich das Buch auch gelesen. Ganz so schlimm wie ich befürchtet hatte, war es dann doch nicht.


    Ja, es gibt da eine gewisse Anziehung zwischen Holmes und Anna, die auch immer wieder thematisiert wird. Schnulzig fand ich es nicht, und die Erklärung im Anhang erklärte Holmes' Verhalten in dieser Angelegenheit.

    Annas Wesensänderung erklärt sich aus dem, was sie im zweiten Band durchgemacht hatte (der für mich aufgrund der Thematik schwer zu ertragen war) und ihre fortschreitende Schwangerschaft, die sie nicht wollte und deren Produkt sie verabscheut. Das konnte ich sehr gut nachvollziehen, umso quälender empfand ich dann die Geburtsszene (geschildert aus Annas Sicht) gegen Ende. Ihre Gedanken und ihr Selbstmordversuch sind ein gutes Beispiel für das, was Trauma-Überlebende durchmachen.


    Dass die Geschichte um Col. Moran in "Die lange Reise" nicht vollständig aufgelöst wurde, liegt daran, dass sie Teil des ursprünglichen Holmes-Kanons sind und sich die Anna-Kronberg-Bücher dort einfügen. Das erklärt auch, warum fast nichts unternommen wurde, um Moran auszuschalten oder früher dingfest zu machen. Vielleicht ging die Autorin davon aus, dass die Lesenden den Kanon kennen, dennoch wäre zumindest ein Hinweis im Anhang nicht schlecht gewesen.


    Was mich - neben der besagten Geburtsszene - am meisten störte, war jedoch, dass die beiden Protas sehr lange herumrätsetselten, was Moriartys Motive hinter der Entwicklung von Biowaffen gewesen sein könnten, aber kein wirklich befriedigene Erklärung finden konnten. Stattdessen drehten sich die Ermittlungen im Kreis, immer wieder wurden die selben Aspekte untersucht, oder seltsame Befragungen vorgenommen, die auch nicht richtig weiterhalfen. Dazwischen blitzten immer wieder Anzeichen der brillanten Geistesgaben und Deduktionskräfte beider Figuren auf. Davon hätte ich mir deutlich mehr gewünscht.


    Der Band war gut geschrieben, aber eher eine Charakterstudie der beiden Hauptfiguren als ein wirklich spannender Krimi. Dennoch habe ich das Buch gern gelesen.

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