Gyrðir Elíasson - Am Sandfluss / Sandárbókin - pastoralsónata

  • Über den Autor lt. Wikipedia:
    Gyrðir wuchs in Sauðárkrókur im Nordwesten Islands auf, wo er auch die Schule besuchte. Später lebte er im westlichen Teil des Landes in Borgarnes und Akranes und schließlich in Reykjavík. Nach seinem Abitur 1982 studierte er an der Pädagogischen Hochschule in Reykjavík. Er ist Vollzeitschriftsteller und veröffentlichte bereits einige Gedichtbände, Romane und Sammelbände mit Kurzgeschichten. Er lebt in Reykjavík, ist verheiratet und hat drei Töchter. Für sein Werk wurde der Autor mehrfach ausgezeichnet. 1989 erhielt er den Þórbergur-Þórðarson-Stilpreis, 2000 wurde er mit dem Isländischen Literaturpreis ausgezeichnet, 2011 wurde ihm in Oslo der Literaturpreis des Nordischen Rates zugesprochen.


    Über den Inhalt:
    Eine poetische Erzählung über einen Maler, der sich nach einer Schaffenskrise in die Natur von der Welt zurückgezogen hat. Er lebt in einem Wohnwagen auf einem Caravanplatz in einem kleinen Tal, das oberhalb der Sandá gelegen ist.


    Mein Eindruck:
    Ein mit gerade mal 137 Seiten kleines, aber sehr feines Buch. Alleine schon die Aufmachung des Buches lässt mein Bücherherz ein Stückchen höher schlagen. Ein sehr schön gestalteter Einband und Buchbindung. Im Buch sind Bleistiftzeichnungen von Laura Jurt enthalten. Aufgefallen ist mir vor allem die erste Zeichnung, eine Tasse mit einem abgebrochenen Henkel, mit einem Bild des Wohnwagens, den Bäumen ringsum, dem Fluss Sandá und - ganz klein - den Maler an seiner Staffelei.
    Die Geschichte ist in der Ich-Perspektive erzählt. So erfährt man als Leser nur das was der Maler vor sich selber zugibt. Vieles bleibt unausgesprochen und man kann nur erahnen was passiert sein könnte. Die Stimmung ist sehr melancholisch und ruhig. Man begleitet den Maler über ein paar Monate in seinem Leben. Er versucht sich an Zeichnungen, unterschiedlichen Techniken. Er bekommt wieder Lust am arbeiten und scheitert an was auch immer. Verwirft, fängt von neuem an. Liest vor allem die Briefe von Van Gogh oder in einer Biographie von Renoir. Er hat kaum Kontakt zu Menschen. Ein einziges mal erhält er Besuch von seinem Sohn, aber ansonsten ist der Kontakt zu seiner Familie abgebrochen. Ein sehr einsames und zurückgezogenes Leben. Das Ende des Buches bleibt offen.


    Trotz oder vielleicht gerade wegen der sehr melancholischen Grundstimmung, die fast einer Abschiedsstimmung gleicht und der sehr poetischen Sprache habe ich das Buch sehr gerne gelesen. Ich bin in die Gedankenwelt eines sehr einsamen Mannes getaucht, der in der Natur Heilung sucht, aber nicht finden konnte.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • Im Buch habe ich folgenden Hinweis auf die Originalausgabe gefunden:


    Die Originalausgabe erschien 2007 unter dem Titel Sandárbókin - pastoralsónata beim isländischen Verlag Uppheimar.


    Edit: Doch noch was gefunden.

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  • @Farast: Ich war ganz wild darauf, das Buch zu lesen, als ich von ihm gehört habe. Ein wenig enttäuscht war ich dann zwar, da es mir sehr unnahbar und ungreifbar erschien, aber diese ruhige Stimmung in diesem seltsamen Zwischenreich zwischen Natur und Zivilisation, dem Zeltplatz, hat mir doch sehr gefallen. Aber sag mal, welchen Stellenwert hatten denn für Dich die dezent übernatürlichen Elementen in der Erzählung, wie die geheimnisvolle Frau zum Beispiel, der er immer wieder begegnet? Irgendwie legte sich für mich über die gesamten Vorgänge ein Schleier von Todesahnung und Übergang. Wenn ich jetzt darüber nachdenken, finde ich es allerdings schön, dass solche Art Andeutung nicht eindeutig gemacht wurde. Oder, was meinst Du?!

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Manner "Das Mädchen auf der Himmelsbrücke" (82/151)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 57 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Kuhl "Helenes Familie" (23.04.)

  • Das es bei Andeutungen geblieben ist hatte mir richtig gut gefallen. Das gab dem ganzen Buch eine derartige Atmosphäre die mir sehr zugesagt hatte.


    Ich finde es gerade ziemlich interessant, dass du es als unnahbar und ungreifbar beschrieben hast. Mir war der Maler auf eine Art sehr nah. Sich einsam zu fühlen unter so vielen Menschen. Das sind Gefühle, die ich gut nachvollziehen kann. Die Geschichte hätte da genau so auch in einer belebten Großstadt stattfinden können. Er war aber auch sowas von zurückgezogen lebend. Ich konnte mir z.B. nie ein echtes Bild von den anderen Leuten auf dem Platz machen. Sie müssen ja nicht zwangsläufig alle negativ sein. Ich fand der Maler war da fast schon grundsätzlich ablehnend gegen alles und jeden. Fragt sich nur wieso? O.k. die Antwort wird man wohl nicht bekommen. Es gibt da zwar eine Andeutung, aber das muss ich mir noch mal genauer anschauen.

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  • Ich finde es gerade ziemlich interessant, dass du es als unnahbar und ungreifbar beschrieben hast. Mir war der Maler auf eine Art sehr nah. Sich einsam zu fühlen unter so vielen Menschen. Das sind Gefühle, die ich gut nachvollziehen kann.

    Solche Gefühle kenne ich auch gut. Insofern war mir die Art, so zu leben - manche würden vielleicht sagen, sich zu verkriechen, andere es etwas esoterischer ausdrücken - auch nah. Für sich sein wollen oder sich selbst in der Natur erfahren. Nur der Mann war mir irgendwie fremd geblieben. So konnte ich mit ihm konkret gewissermaßen nicht wirklich mitfühlen, hab ihn eher beobachtet. Aber: das Buch ist trotzdem prima und wirklich schön aufgemacht! Der Verlag Walde + Graf, der inzwischen irgendwie vom Aufbau-Verlag geschluckt wurde (oder assoziiert ist, als "Marke" im Verlags-Portfolio mitläuft - so genau kenn ich mich in der Verlagssprache nicht aus) hat immer sehr schöne und oft inhaltlich wirklich interessante Bücher draußen.

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    :study: Gelesen: 57 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
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  • Der Verlag Walde + Graf, der inzwischen irgendwie vom Aufbau-Verlag geschluckt wurde (oder assoziiert ist, als "Marke" im Verlags-Portfolio mitläuft - so genau kenn ich mich in der Verlagssprache nicht aus) hat immer sehr schöne und oft inhaltlich wirklich interessante Bücher draußen.

    Ah ja, jetzt bekomme ich da langsam Durchblick (oder auch nicht). Das wurde also hin- und herverteilt. Ich habe hier bei Applaus Verlag das Buch wieder gefunden. Da kann man sich auch eine Leseprobe anschauen, wem es interessiert.

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  • Vielen Dank für Eure Eindrücke !


    Nun habe ich dieses Buch auch gelesen, und es sehr gerne getan. Für mich gabe es verschiedene Elemente, die das Gemüt des Malers beschrieben oder etwas vom Geschehenen erahnen liessen.


    Verschiedene immer wieder auftauchende Motive verweisen « auf eine andere Welt » : das ist vielleicht nicht direkt im religiös-metaphysischen Bereich zu verstehen, aber es gibt zB das Wort des Traumes, des Träumens, die immer wiederkehren. Da beschreibt er sein Malen als « Traummalerei » zB. Dazu kommt neben der hier schon erwähnten so starken Komponente der Einsamkeit, jenes Fremdsein. Ein Mangel von Nähe, der von irgendwoher kommt. Teils Mutmassung unsererseits, dann wiederum Ahnung, dass etwas Traumatisches passiert ist. Die Beziehungen mit den Kindern sind lädiert bis gar nicht vorhanden. Und seine Frau ? Niederlage, Scheitern oder… mehr ? Dieser Mann zieht sich bewusst zurück. Etwas in der Vergangenheit ist belastet, verbunden mit einer Enttäuschung, einer Beschwernis (ich zitiere verwandte Worte aus dem Text). « Ich bin selbst oft genug in die Falle getappt – von meinem eigenen Ich gestellt. »


    Traumelemente können verschiedentlich herrühren : Bilder aus der Realität, die im Kontext irreal oder seltsam werden ; echte Träume (des nachts) ; Bilder, die einen verfolgen ; aber auch hier in Island : die quasi in der Luft schwebenden Geschichten, Gegenwarten von « Mächten ». Kann man belächeln, ist aber auch in der Literatur dieser nordischen Völker, teils so abgeschnitten im Winter und einer oft herben Landschaft, immer wieder präsent.


    Es gibt zahlreiche Querverweise insbesondere auf andere Maler. Sie sind nicht nur Beherrscher von Techniken, sondern sie drücken etwas aus. Bei Chagall heisst es hier beim Autor, dass er « Menschen ohne Bodenhaftung » gemalt hätte. Wie passend ?!


    Nach meinem Empfinden ist das Ende des Buches nicht offen, sondern ziemlich eindeutig. Gibt es da noch andere Meinungen zu ? Ohne das wir es eindeutig benennen müssen ?


    Ich bin froh, dass mir ein lieber Mensch das Buch empfohlen und ausgliehen hat !

  • Nach meinem Empfinden ist das Ende des Buches nicht offen, sondern ziemlich eindeutig. Gibt es da noch andere Meinungen zu ? Ohne das wir es eindeutig benennen müssen ?

    So aus der Erinnerung heraus, ja das Ende ist eigentlich wirklich eindeutig, wenn man so darüber nachdenkt.

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  • Au bord de la Sanda


    Im letzten Herbst entdeckte ich in meiner Lieblingsbuchhandlung eine vielversprechende Neuerscheinung auf Französisch : Isländischer Herkunft, naturnah, nicht allzu lang, anziehend. Was kann man verkehrt machen ? Erst als ich diese Woche das Buch näher anschaute stellte ich dann schnell fest, dass ich dieses Buch vor Jahren doch auf Deutsch gelesen hatte ! Nun, lesen wir es nochmal, und erleben es vielleicht anders in einer anderen Sprache ? … und holen diesen Fred nochmals hoch, denn m.E. verdient es das Buch. Und man möchte zB manche Islandliebhaber ( Nungesser , Hypocritia …) oder Neu-BT’ler aufmerksam machen.


    Vielleicht nicht soo viele neue Einsichten, aber das Buch kommt auf ersten Blick hin gesehen so inhaltslos daher, oder dahinfließend : das täuscht enorm. Ich las langsam und meinte dann in jeder zweiten Zeile interessante Andeutungen und Querverweise zu finden. Desletzt war zB hier im BT auch von den Märchen die Rede. Eine mythologische, auch teils sehr naturnahe Sicht, ist hier sehr präsent : da ist das « kleine Volk », die apokalyptischen Reiter, jene geheimnisvolle Frau (die durchaus von Fleisch und Blut sein kann)… Meist stellt das gar kein großes Problem dar : der Mensch (=Maler) lebt quasi davon umgeben, in diese Geheimnisse eingetaucht. Das mag den besonderen Lebensumständen in Island gedankt sein ?


    Das Buch wickelt sich nicht eindeutig, aber doch diskret hintergründig vor gewissen Gefahren ab. Oder Erfahrungen der Macht von Naturgewalten. Die Dunkelheit, das Leben unter einem auszubrechen drohendem Vulkan, ein leichtes Erdbeben, ein Schneesturm einerseits, aber auch Einsamkeit, Isolierung, Ängste andererseits, oder miteinander verbunden.


    Ich war sehr angetan von der Schreibe des Autors !


    Broché : 160 pages

    Editeur : La peuplade (7 mars 2019)

    Collection : Fictions du nord

    Langue : Français

    ISBN-10 : 2924898188

    ISBN-13 : 978-2924898185