François Saintonge - Le métier de vivant

  • Original : Französisch, 2015


    INHALT :
    Sie kennen sich von früh an : Zwei Cousins des gehobenen Bürgertums, Max und Léo, und der aus der Aristokratie stammende Lothaire bilden ein eingeschweißtes Trio. Der I.Weltkrieg wird sie zeitweise trennen, bevor sie danach im Frieden wieder zusammenkommen.


    Als Klumpfuß wird Lothaire nicht von der Mobilmachung betroffen. Leo dahingegen ist talentierter Pilot und ein Mann der Pflicht : er versieht seinen Dienst, geht später in die Politik. Max bleibt, von einem Eingriff durch seine Mutter protegiert, lange im ungefählichen Propagandadienst bevor er dann doch noch 1917 eingezogen wird. Später wird er Kunsthändler mit Spezialisation im Surrealismus.


    Früh stellt sich die Frage nach seiner Beziehung zur geheimnisvollen Dionée Bennett : diese junge Reporterin erscheint wie ein weiblicher Sosie. Steckt mehr dahinter ?


    BEMERKUNGEN :
    Ob es sich nun hier -wie kürzlich vom « Figaro littéraire » behauptet – tatsächlich um ein Pseudonym des von mir sehr geschätzten Andreï Makine handelt oder auch nicht, kann ich nicht beurteilen. Der erwähnte lorbeerspendende Artikel machte mich auf dieses Buch allerdings aufmerksam. Wofür ich sehr dankbar bin, findet man hier doch einen Stil und einige Fragestellungen, die echt interessant sind. Sie können tatsächlich an gewisse Elemente bei Makine erinnern. Allerdings fand ich hier manchmal eine Form der Lecihtigkeit (trotz allen Ernstes), ja auch humorvollen Erzählens, die dann in der Form etwas neu wären ? Die mir aber auch sehr zusagten.


    Das Buch besteht aus zwei großen Teilen mit jeweils 22 bzw 24 Kapiteln von je circa 5-7 Seiten Länge. Durch einen sehr flüssigen beherrschten Schreibstil sehr lesbarer Art (aber nicht einach « simpel ») hat man dabei nahezu den Eindruck eines symmetrischen, sehr harmonischen Aufbaus (trotz oder gerade trotz geschilderter innerer Gegensätze und Spannungen).


    Man kann die beiden Teile durch ihre zeitliche Zufügbarkeit voneinander trennen : im 1.Teil geht es im Wesentlichen fast nur um das Jahr 1917.


    Also : zwei Personenzirkel in zwei Zeitrahmen:
    a) Zeitrahmen 1917 ; die drei Freunde – thematisch dabei insbesondere : wie entscheide ich mich (bzw auch nicht) angesichts der « Herausforderung Krieg ».


    b) Max und Dionée. Ihr Kenenlernen. Ihre unglaubliche Ähnlichkeit.


    Der zweite Teil ist zeitlich breiter gefächert, führt von 1919 in Schritten voran und durch die Jahrzehnte. Dabei bleiben die beiden Zirkel und manche Fragestellung und Konstellation. Was die Freunde anbetrifft : ihre verschiedene politische Gesinnungen und « Lebensinhalte », ihre Entwicklungen.


    Was sich bei einem oberflächlichen Lesen eventuell als einfacher oder gar frivoler Roman liest, entfaltet meines Erachtens eine große inhaltliche, manchmal nahezu spirituelle, Themenvielfalt, die mich sehr angesprochen haben. Ich denke besonders an :


    - drei Freunde in ihrer Unterschiedlichkeit, politisch, gesinnungsmäßig, in ihren Beziehungsentscheidungen etc – und dennoch ihrer festen, unverrückbaren Verbundenheit !


    - das wesentlichste Thema scheint aber die Liebesbeziehung zwischen Max und Dionée, die einander so ähnlich sind, dass sich Max dauernd auf sich selbst zurückgeworfen sieht, also quasi die Abwesenheit einer Alterität, einer Andersartigkeit. Ist eine solche aber nicht grundwesentlich für eine Beziehung ? Ist ein absolutes Spiegelbild unserer Selbst liebens-wert oder handelt es sich dann, wie Freund Lothaire es lapidarisch ausdrückt, « um eine höhere Form der Onanie » ? Welche Problematiken kommen da auf ?


    In beiden Themenkreisen geht es also (u.a.) um die Frage der Unterschiedlichkeit und der Nähe, der Gemeinschaft!


    Was für interessante Ansätze, von denen ich hier natürlich nicht alles wiedergeb ! Und was für eine tolle Sprache, die nur so dahinfließt und einen Meister verrät.


    Eine echte Entdeckung !


    AUTOR :
    François Saintonge ist das Pseudonym eines bewährten Schriftstellers, der aus persönlichen Gründen hier im Hintergrund bleiben will. François Saintonge ist das Pseudonym eines erfahrenen französischen Schriftstellers. « Der Urheber selbst bezeichnet sich als Klon eines Autors, der entschlossen ist, im Hintergrund zu bleiben, um zu verhindern, dass seine physische Präsenz sich vor sein Werk und die faktische Wahrnehmung seiner Worte schiebt. Wer glücklich schreiben will, schreibe im Verborgenen! » (Quelle : randomhouse-Autorenbeschreibung) Er veröffentlichte 2012 unter demselben Namen beim gleichen Verlag schon « Dolfi et Marylin »/Dolfi und Marilyn.


    Eventueller Pseudonymhintergrund : https://de.wikipedia.org/wiki/Saintonge
    Oder aber, wäre bedenkenswert, die phonetische Verwandtschaft mit « Saint-Ange » = Heiliger Engel ????


    Taschenbuch
    Verlag: Grasset & Fasquelle (2. September 2015)
    Sprache: Französisch
    ISBN-10: 2246857198
    ISBN-13: 978-2246857198

  • Für das bislang schon veröffentlichte erste Buch des Autors :
    Broschiert: 288 Seiten
    Verlag: carl's books (8. September 2014)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3570585379
    ISBN-13: 978-3570585375

  • Keine Ursache, Conor! Dieses Buch hat mich wirklich ziemlich beeindruckt.


    Das andere, von Dir erwähnte Buch wurde teils beschimpft als "Verharmlosung" eines Dolfis... Dies ist sicherlich nicht der Fall. Es scheint einerseits eine Art Satire zu sein, andererseits dennoch ernster gemeint? Vielleicht im Sinne mancher Bücher, die in den letzten Jahren erschienen sind?


    Obwohl mich das Titelbild an sich nicht anspricht, habe ich es auch sofort bestellt, denn der Autor interessiert mich sehr!

  • Ja, das Cover ist nicht unbedingt ansprechend - aber letztendlich ist die Aufmachung nicht das Wichtigste.
    Ich konnte mir das Buch von der Bücherei ausleihen und hoffe, dass ich in den nächsten Tagen zum Lesen komme, da ich ein paar Tage unterwegs sein werde. Jedenfalls fange ich heute an.

  • @Conor Da bin ich auf deinen Eindruck gespannt! Das Buch war auf meine Wunschliste gelandet.



    Ja, das Cover ist nicht unbedingt ansprechend - aber letztendlich ist die Aufmachung nicht das Wichtigste.

    Da gebe ich dir absolut recht!

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024


  • Ich hatte noch einige interessante Bemerkungen zum anderen Buch des Autors gelesen: dort geht es um Klone. Also ebenfalls um die Frage der Identität, Verschiedenheit, Verdopplung. Das sind sicherlich wesentliche Themen unter diesem Pseudonym?! Und schlichtweg wesentliche Themen für uns.