Daniel Fraenkel, Jakob Borut (Hrsg.) - Lexikon der Gerechten unter den Völkern

  • Klappentext: „Wer ein Leben zerstört, zerstört eine ganze Welt,
    und wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt“ (Mischna Traktat Sanhedrin, 4,5)


    „Die Motive für meine Hilfe? Nichts Besonderes. Grundsätzlich denke ich so: Ist mein Mitmensch in einer Notlage und ich kann ihm beistehen, so ist das eben meine (verfluchte) Pflicht und Schuldigkeit. Unterlasse ich diese Hilfe, so erfülle ich eben nicht die Aufgabe, die das Leben – oder vielleicht Gott? – von mir fordert. Die Menschen, so will es mir scheinen, bilden eine große Einheit und wo sie einander unrecht tun, schlagen sie sich selbst und allen ins Gesicht. Dies sind meine Motive. (Johanna Eck)


    Johanna Eck versteckte zwei Juden vor den Nationalsozialisten in ihrer Berliner Wohnung. Andere in Deutschland und Österreich teilten ihre kargen Lebensmittel mit ihnen völlig fremden Personen. In den von den Nazis besetzten Ländern Osteuropas wiederum war der Schutz jüdischer Arbeiter in „kriegswichtigen“ Unternehmen besonders wichtig.
    In diesem Band werden in kurzen Einträgen die deutschen und österreichischen Retter – die „Gerechten unter den Völkern“ – porträtiert und ihre Taten dokumentiert: Zeugnisse von persönlicher Courage, von Ethik und von der Bewahrung menschlicher Werte.


    Meine Meinung: Das Buch soll eine Übersicht geben über die Deutschen und Österreicher – Angehörige anderer Nationalitäten sind in den jeweiligen Lexika zu finden - , die sich im Nationalsozialismus für Menschen engagiert haben, die von den Nationalsozialisten als „Juden“ verfolgt wurde. In den ausführlichen Einführungen wird genau erklärt, dass eine Hilfe auf vielfältige Art geschehen konnte: öffentlicher Protest, Weitergabe von Lebensmitteln, Beschaffung von falschen Pässen, Verstecken und einfacher Zuspruch sind nur Beispiele. Wir erfahren als Leser aber auch etwas über die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem im Allgemeinen und über die Ernennung zum „Gerechten unter den Völkern“; diesen Status hatten bis 2005, dem aktuellen Stand meiner Ausgabe, nur 410 Deutsche bekommen, aber bspw. 4.638 Niederländer. Eine kurze Einleitung zur Entwicklung des Nationalsozialismus ist ebenfalls enthalten.
    Die einzelnen Einträge sind in Deutsche und Österreicher unterteilt und dort nach Alphabet gelistet. Die Länge unterscheidet sich stark, aber auch inhaltlich findet man keine einheitlichen Informationen. Oskar Schindler hat gemeinsam mit seiner Frau einen mehrere Seiten füllenden Text, der sich auch mit Schindlers Entwicklung beschäftigt. Solche Stellen geben manchmal explizite, manchmal aber auch nur versteckte Hinweise darauf, welche Motive ganz normale Menschen bewegten, ihr Leben für Freunde, Verwandte oder gänzlich Fremde aufs Spiel zu setzen. Andere Einträge stellen die Verfolgten in den Vordergrund; bei manchen erfahren wir etwas über den Verbleib nach dem Krieg; bei manchen bleibt nur die Hilfe selbst. Und nicht immer konnten Helfer und Verfolgte den Nationalsozialismus überleben.


    Um ehrlich zu sein: Dieses Buch ist harte Kost. Es ist schwer, ständig mit anderen Personen konfrontiert zu werden, die andere Gräueltaten ertragen mussten. Beziehungen werden kurz erklärt, viele Namen genannt, sodass man schnell den Überblick verliert, wenn man nicht hochkonzentriert liest. Zudem ist es sprachlich nicht ganz einwandfrei, sondern holprig, was sich im Teil zu Österreichern noch steigert. Dort ist besonders schade, dass quasi jeder Beitrag einen Absatz mit gleichem Inhalt und zumeist gleichem Wortlaut besitzt.
    Emotional nimmt es mit, auch wenn jede Person nur kurz erwähnt wird. Überleben und Tod lagen so nah beieinander; Selbstlosigkeit und drohende Denunziation findet man in fast jedem Eintrag. Und bei manchen ist es fast unvorstellbar, was Menschen für andere trotz der Gefahr taten und aufs Spiel setzten.


    Fazit: Dieses Buch ist nicht zum durchlesen gedacht, sondern zum nachschlagen oder zum stückweisen informieren. Dabei kann jede neue Seite Hoffnung und Überleben oder Verzweiflung und Tod zeigen. Insgesamt ist das Buch jedoch ein Plädoyer für Mut, für Courage und für Menschlichkeit.

    "All we have to decide is what to do with the time that is given to us."

  • Das hört sich ja interessant an, werd mal in der Bücherei schauen ob sie es haben. Es hat mich sofort an dieses wunderbare und auch so schwere Buch erinnert.

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • @Mara: Du kannst auch erstmal auf der Seite von Yad Vashem etwas herumschauen.
    Dort findest du z.B. eine Statistik über die Anzahl der Gerechten pro Land (ich habe gerade festgestellt, dass inzwischen schon 569 Deutsche den Titel verliehen bekommen haben, also in 10 Jahren etwa 110 weitere) und eine Suche nach bestimmten Gerechten. Ich glaube, die Artikel auf der Internetseite entsprechen denen in den jeweiligen Büchern.

    "All we have to decide is what to do with the time that is given to us."