Original : Gilead (Englisch/USA, 2004)
INHALT :
Ein Priester liegt im Sterben und verfasst einen Brief an seinen Sohn, in dem er auf sein bewegtes Leben zurückblickt. Er erzählt ihm von seinen Vorfahren, der Geschichte Amerikas, seinem Glauben und von der Bedeutung von Liebe und Freundschaft. Ein ruhiger und poetischer Roman, für den der Autorin der Pulitzer Prize 2005 sowie mehrere andere wichtige Literaturpreise verliehen wurden.
« These are the things that Ames tells his son about: his ancestors, the nature of love and friendship, the part that faith and prayer play in every life and an awareness of one's own culpability. There is also reconciliation without resignation, self-awareness without deprecation, abundant good humor, philosophical queries--Jack asks, "'Do you ever wonder why American Christianity seems to wait for the real thinking to be done elsewhere?'"--and an ongoing sense of childlike wonder at the beauty and variety of God's world. » (amazon.de)
BEMERKUNGEN :
Im Jahre 1956 ist Prediger John Ames schon alt, dem Sterben nahe : nahezu sein ganzes Leben verbrachte er nach seiner Geburt in Kansas in Gilead/Iowa als Prediger, wie schon sein Vater und Großvater. Er hatte jung eine Kinderliebe geheiratet, die bei der Geburt ihrer Tochter Rebecca/Angeline verstarb. Diese überlebte ebenfalls nicht lange. Über Jahre hinweg bestimmt das Leben eines Predigers, die Vorbereitung der Predigten, die Begegnungen in der Gemeinde, die Freundschaft mit dem « guten alten » Boughton (ebenfalls Prediger) sein Leben. Schon betagt kommt es zu einer späten zweiten Heirat mit einer um vieles jüngeren Frau, die aber dabei die Initiative ergriffen hatte. Zusammen haben sie einen Sohn, der in der Jetzt-Zeit des Romans erst circa sieben Jahre alt ist. Niemals wird er seinen Vater als Erwachsener sehen, er wird ihn quasi nur als betagten Mann kennengelernt haben, der seine Hochform hinter sich gelassen hat.
Und eben in diesen Gedanken schreibt Ames ihm einen ellenlangen Brief : dabei schaut er zurück auf sein Leben, seine eigene Familie mit den einschneidenden Gestalten des Großvaters und Vaters, beide ebenfalls Prediger, aber in einer gegensätzlichen Richtung. Ist der knöcherne Großvater eine alttestamentarische Gestalt, die im abolutionistischen Kampf die Waffen vertritt, tritt der Vater als Pazifist den Quäkern bei. John Ames schreibt auch über die erste Heirat, die verstorbene Tochter, sein Leben, seine Bezugspersonen, die Suche nach dem Grab des Großvaters zusammen mit seinem Vater in seiner Kindheit…
Durchzogen werden diese Bemerkungen von einem stillen Bedauern, einer leisen Melancholie, nicht mehr « da zu sein », wenn sein Sohn selber erwachsen werden wird. Gleichzeitig herrscht eine überwältigende Stimmung von Dankbarkeit diese Seiten : über die mehr oder weniger großen Wunder und Schönheiten des Lebens. So hat dieses Buch über einen Prediger so rein garnichts Hartes oder Verdorrtes an sich, sondern hinterlässt den Eindruck eines Menschen, der sich selbst treu, seinem Gott dienen will. Sicher spielt hier das Vater-Sohn-Verhältnis eine große Rolle (er wird von anderen solchen Beziehungen sprechen), aber auch seine Freude an dem nicht mehr möglich geglaubten Glück der zweiten Heirat, und dann die Sorge um die Zukunft seiner jungen Frau und seines Sohnes.
Viele Abschnitte lesen sich ruhig in kleinen Happen, da sie viel Nahrung bieten ! Wer hier einen Abenteuerroman sucht, wird enttäuscht werden. Ebenfalls wer in einer modischen Haltung einen verklemmten « klerikalen » Charakter sucht. Dieser Mann, sein Suchen und Schreiben berühren etwas in mir und dem spirituell aufmerksam und offenen Leser. Viele Sätze könnte man sich so herausschreiben. Und nun denke ich gerade daran, dass eine direkte Anspielung auf das Tagebuch eines Landpfarrers von Georges Bernanos (zeitweise Lektüre des Predigers) diesem « Gegenroman » eine Dimension geben könnte, die das Schicksal eines « amerikanischen Predigers in Iowa » schildern mag. In seinen Freuden vor allem ! Trotz Melancholie und Besonnenheit angesichts der eigenen Sterblichkeit, bzw der Aussicht, seinen Sohn nicht mehr heranwachsen zu sehen, überwiegt der Eindruck einer Frische und einer großen Lebensweisheit.
Die Autorin geht nicht rein chronologisch vor. Manche Themen kommen, leicht zirkelnd, sich bewegend, unter einem anderen Licht nochmals hervor.
Ein sehr beeindruckendes Buch, das mir Lust gibt, die zwei anderen, auch unabhängig zu lesenden, Werke um dieses Thema herum zu erforschen : dort beschreibt Marilynne Robinson aus anderer Perspektive das Leben um, bzw mit Prediger John Ames...
AUTORIN :
Marilynne Summers Robinson (* 26. November 1943 als Marilynne Summers in Sandpoint, Idaho) ist eine amerikanische Romanautorin und Essayistin. Sie studierte am Pembroke College, dem früheren Frauencollege der Brown University und wurde 1977 an der University of Washington promoviert.
Sie schrieb drei bedeutende Romane, Housekeeping (1980), Gilead (2004) und Home (2008), für die sie mit mehreren Preisen ausgezeichnet wurde. Darüber hinaus veröffentlichte sie eine ganze Reihe von Sachbüchern sowie Essays und Artikel in Zeitschriften wie Harper’s, The Paris Review oder The New York Times Book Review.
Sie war Gastprofessorin an verschiedenen Hochschulen wie der University of Kent, dem Amherst College, der University of Massachusetts und der Yale University. 2010 wurde sie zum Mitglied der American Academy of Arts and Sciences gewählt.
Sie unterrichtet gegenwärtig am Iowa Writers’ Workshop und lebt in Iowa City.
ISBN: 9783865061522
3865061524
304 Seiten
Brendow, Joh., & Sohn Verlag GmbH
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