Bettina Storks - Die Stimmen über dem Meer

  • „In der Bretagne stirbt man nicht, hier schwimmt man hinaus aufs Meer. Man geht nur auf Reisen.“ (S. 111)

    Morgane war 10 Jahre alt, als ihre bretonische Mutter Elaine bei einem mysteriösen Badeunfall in der Bretagne tödlich verunglückte. Als nun Morganes Tante Fanny stirbt, vermacht diese der Nichte ihr Klippenhaus im Örtchen Le Conquet im Finistère. Morgane, die als Übersetzerin für französische Belletristik arbeitet und derenBeziehung zu ihrem Lebensgefährten Stefan gerade in einer schwierigen Phase ist, entscheidet sich dafür, in die Bretagne zu reisen, obwohl sie sich einst nach dem Tod der Mutter geschworen hat, niemals mehr zurückzukehren. Die Landschaft, das Meer und ihre Erinnerungen an die Vergangenheit nehmen Morgane bei ihrer Ankunft sofort gefangen und lassen ihr bretonisches Blut wieder aufleben. Deshalb entschließt sie sich, das Erbe ihrer Tante anzunehmen und ihr Leben neu einzurichten. Das Klippenhaus hat eine Renovierung dringend nötig, und Morgane hat nicht nur in dieser Hinsicht zu tun, sondern muss sich auch mit ihrer „Mitbewohnerin“ Paulette auseinandersetzen, die ihre Tante bis zu deren Tod gepflegt und ein lebenslanges Wohnrecht im Haus hat. Außerdem fühlt sich Morgane immer mehr wie angekommen, obwohl ihre Gedanken sich um Schulden, ihre verfahrene Beziehung mit Stefan und auch um den Tod ihrer Mutter drehen. Werden Land und Leute sie überzeugen können, ihr Leben in der Bretagne zu verbringen? Aber vor allem: wie ist ihre Mutter nun wirklich gestorben?


    Bettina Storks hat mit „Die Stimmen über dem Meer“ einen wunderschönen und berührenden Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist wunderschön gefühlvoll und bildhaft, manchmal ein wenig melancholisch. Er rührt am Herz des Lesers, der sich beim Lesen nach den ersten Zeilen bereits in den Schatten der Hauptprotagonistin begibt und dieser nicht mehr von der Seite weicht. Die Landschaftsbeschreibungen sind ebenso gewaltig wie lebensecht. Die eingestreuten Geschichten und Legenden um die bretonische Küste, die über die Jahre von Generation zu Generation überliefert werden, verleihen der Gegend einen Hauch von Mystik und erinnern an die Kindheit, in der man diesen Geschichten gelauscht und sich an diesen Ort geträumt hat. Die Autorin erzählt alles so authentisch, dass man den Duft der Kräuter, das Salz des Meeres und sogar den Geruch von Calvados in der Nase verspürt, man ein Fernweh empfindet zu einer Gegend, die so rau und unbezähmbar ist und dennoch so liebenswert aufgrund ihrer kauzigen Bewohner mit ihren Eigenheiten.


    „Die Menschen ändern sich nicht, sie entfalten sich nur.“ (S. 311)

    Die Charaktere sind sehr vielfältig und detailliert skizziert, jeder hat seine Ecken und Kanten, seine Eigenheiten, aber auch eine harte Schale, die innen ganz butterweich ist, man muss nur zu ihr vordringen. Morgane ist ein unsicherer Mensch, seit dem Tod ihrer Mutter trägt sich diesen Riesenverlust in sich und hofft, ihr auf ihrer Reise in die Bretagne wieder etwas näher zu kommen. Aber sie ist auch auf der Suche. Morgane wirkt verloren und unglücklich, als wäre sie in sich selbst eingesperrt und sucht einen Weg, sich selbst zu befreien. Ihre Entwicklung im Verlauf des Romans ist wunderbar zu beobachten, erst in zaghaften Schritten, dann fast schon ein Sprung, den man ihr zu Beginn des Romans nicht zugetraut hätte. Paulette ist eine eher unterkühlte Frau, die sehr zurückgezogen lebt und es Morgane nicht leicht macht, sie zu mögen. Die Wohnsituation der beiden Frauen verlangt ihnen einiges ab, doch bewirkt es bei Morgane auch eine gewisse Ruhe, nicht allein zu sein und von Paulette einiges zu lernen. Annick sprüht vor Lebenslust und ist das genaue Gegenteil von Morgane, wodurch sich die beiden Frauen wunderbar ergänzen. Armel ist ein ruhender Pol, dabei undurchsichtig und voller Geschichten von der Vergangenheit, ein Gesprächspartner, der Morgane herausfordert. Auch die anderen Protagonisten heben sich durch ihr Wesen und ihre Eigenheiten auf besondere Weise hervor. Das Zusammenspiel der verschiedenen Charaktere und ihre Beziehung untereinander machen die Geschichte besonders und so authentisch.


    Bettina Storck ist mit „Die Stimmen über dem Meer“ ein ganz besonderer Wurf gelungen. Der Roman vermittelt dem Leser die ganze Bandbreite an Gefühlen. Die Geschichte erzählt von Verlust, Verrat, Trauer, Liebe, Freundschaft, Hoffnung, und Glück, so wie das richtige Leben. Eine absolute Leseempfehlung für alle, die sich in einem wunderbaren Schreibstil mit einer gefühlvollen Geschichte verlieren wollen. Chapeau, besser geht es nicht!


    Wunderschöne verdiente :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: !!!

    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


    "Wissen ist begrenzt, Fantasie aber umfasst die ganze Welt."
    Albert Einstein


    "Bleibe Du selbst, die anderen sind schon vergeben!"
    _____________________________________________


    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • Morgane ist überrascht, als sie erfährt, dass sie das Haus ihrer Tante in der Bretagne geerbt hat. Sie hatte kaum noch Kontakt zu ihr, nachdem ihre Mutter dort ertrank und ihr deutscher Vater mit der damals zehnjährigen Morgane in seine Heimat zurückkehrte. Da sie mit ihrem Leben gerade aber sowieso nicht besonders zufrieden ist und ihrer Arbeit, Französisch-Deutsch-Übersetzungen, überall nachgehen kann, beschließt sie, das Erbe anzutreten und reist zum ersten Mal nach langer Zeit wieder nach Le Conquet, einem kleinen Hafenstädtchen ganz im Westen der Bretagne.


    Vor Ort erwartet sie gleich die erste Überraschung in Gestalt von Paulette, die in Morganes Haus wohnt und sich weigert auszuziehen. Das Haus selbst ist nicht sonderlich gut in Schuss, so dass Morganes Traum, daraus eine Frühstückspension zu machen, viel Arbeit und finanzielle Belastungen bedeutet. Und jetzt, da sie wieder in der Gegend ist, in der das Unglück passierte, lässt die Frage, unter welchen Umständen ihre Mutter damals zu Tode kam, Morgane einfach nicht los, doch es ist schwierig, Genaueres herauszufinden.


    Morganes unverhofftes Erbe ist kein goldener Schlüssel zum Glück, trotz der herrlichen Lage auf den Klippen der rauhesten, wildesten Ecke der Bretagne. Was wie ein Traumhaus aussieht, entpuppt sich als renovierungsbedürftiger Problemfall, und auch im zwischenmenschlichen Bereich läuft in Morganes alter-neuer Heimat wirklich nicht alles nach Plan. Mehr als einmal ist sie drauf und dran, einfach alles hinzuschmeißen. Nur ihr beträchtlicher Stolz hindert sie daran.


    Wer glaubt, nach einem Drittel oder der Hälfte des Buches schon genau zu wissen glaubt, worauf das Buch hinausläuft, nämlich eine niedlich-nett dahinplätschernde Friede-Freude-Eierkuchen-Romanze, könnte sich eines Besseren belehrt finden. Die Autorin schafft es, süßliche Klischeefallen zu vermeiden, die man anfangs hätte befürchten können, und erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die sich einigen Herausforderungen stellt, dabei aber nicht übermenschlich mutig, tatkräftig und klug ist, sondern manchmal auch schlicht und ergreifend überfordert. Schade nur, dass es sprachlich zwischendurch immer mal wieder etwas holprig wird.


    Ein besonderes "Zuckerl" für Bretagne-Fans und solche, die es werden wollen, sind dafür die Verweise auf bretonische Legenden, die immer wieder eingeflochten werden.


    Als leichte, unterhaltsame Urlaubslektüre, vorzugsweise natürlich an der bretonischen Küste, bestens geeignet.

  • Die Stimmen über dem Meer

    Bettina Storks

    Eigentlich wollte die Halbfranzösin und Übersetzerin Morgane ihr geerbtes Häuschen nur rasch verkaufen und zurück nach Deutschland. Doch mit dem Haus hat sie auch Schulden geerbt – und die alte Paulette, der Morganes Tante angeblich ein lebenslanges Wohnrecht zugesichert hat. Außerdem bemerkt Morgane gleich am ersten Tag: Diese raue, wunderschöne Landschaft löst etwas in ihr aus und die bretonische Sagenwelt scheint auch ihre Geschichte zu erzählen. Kein Wunder: Hier ganz in der Nähe ist ihre Mutter aufgewachsen und bei einem mysteriösen Badeunfall ums Leben gekommen. Morgane bleibt und beschließt zu kämpfen: um ihr Haus, ihre Unabhängigkeit und um die Wahrheit über den Tod ihrer Mutter zu erfahren. Sie findet Freunde und verliert eine Liebe. Sie findet Antworten und droht den Glauben an ihren Traum zu verlieren. Aber Morgane hat auch die bretonische Sturheit geerbt…

    Die Autorin:

    Bettina, geboren 1960 in Waiblingen, studierte Romanistik, Deutsche Philologie sowie Kulturwissenschaften und promovierte an der Universität Freiburg. Nachdem sie mehrere Jahre als Redakteurin tätig war, veröffentlichte sie ihre Romane „Das Haus am Himmelsrand“ und „Die Stimmen über dem Meer“. Bettina Storks lebt in Bodman-Ludwigshafen am Bodensee.

    Rezension: Die Stimmen über dem Meer


    Rezensionstitel: Du gehörst in die Bretagne


    Das Cover:

    Das Cover ist schlicht mit seinen Blautönen und zeigt das raue Meer und einen Ort, der sich im Wasser spiegelt. Der Titel indes verweist auf Mystik, die auf die im Klappentext erwähnte Sagenwelt hindeutet. Eine Buchpräsentation, die in sich sehr stimmig ist.

    Die Geschichte: (Achtung: Spoiler!)

    Morgane erbt in der Bretagne ein Häuschen von ihrer Tante. Sie möchte es nur verkaufen und wieder zurück nach Deutschland. Doch als sie ankommt, trifft sie auf Paulette, die ein lebenslanges Wohnrecht im Haus hat und sie erfährt außerdem, dass sie auch Schulden erbt. Während die wunderschöne Landschaft in ihr starke Gefühle auslöst, berührt sie außerdem die bretonische Sagenwelt sehr. Hinzu kommt, dass ihre Mutter vor vielen Jahren bei einem mysteriösen Badeunfall ums Leben gekommen ist. Morgane bleibt und kämpft um die Wahrheit, um das Haus und um die Liebe. Dabei gewinnt und verliert sie.


    Meine Meinung:



    Ich mag es sehr, die ersten Seiten eines Buches zu lesen und gleich hineingezogen zu werden. Die Protagonisten sind fein gezeichnet und agieren sehr überzeugend. Besonders Morgane hat mir erlaubt ihr Geschichte hautnah mitzuerleben. Aber auch alle anderen spielen ihre Stärke aus und begeistern. Die Schauplätze sind fantastisch beschrieben, dabei gelingt es der Autorin Land und Leute bis ins kleinste Detail nachzuzeichnen und sie beschreibt die Region so lebhaft, dass man das Gefühl hat dabei zu sein. Die bretonische Sagenwelt ist sehr feinfühlig in die Geschichte eingearbeitet. Vom Lebensgefühl, dem täglichen Genussessen an der Küste und dem guten Tröpfchen ganz zu schweigen.

    Ich liebe Bettina Storks wunderbare, vielfältige und poetische Sprache, die ans Herz geht. Die Perspektiv- und Zeitenwechsel halten den Spannungsbogen von der ersten bis zur letzten Seite aufrecht. Auch dieses Buch hat mich sehr überzeugt und begeistert.

    Mein Fazit: Ein Buch, das den Wunsch, die Bretagne selbst zu bereisen stark werden lässt, alles an Gefühlen in sich trägt, die ein Mensch erleben kann und natürlich meine ausdrückliche Leseempfehlung bekommt.


    Heidelinde von "friederickes bücherblog" http://buecherblog.friedericke…ie-stimmen-ueber-dem-meer

  • Ein Buch, das den Wunsch, die Bretagne selbst zu bereisen stark werden lässt

    Ich kann das nur empfehlen - und gerade die Gegend um Le Conquet, wo das Buch spielt, ist ganz besonders wild und schön.