Siezen (Übersetzungen aus dem Englischen)

  • Hallo!


    Bin kürzlich auf dieses Forum gestoßen und bin ganz hin und weg von den vielen Themen usw! :) Da liest man über soo viele Bücher, die man noch gerne hätten und unbedingt lesen sollte ...*seufz*


    Hab aber eine Frage... Hat hier jemand mehr Erfahrung mit Krimis (aus dem Englischen übersetzt) - naja, mehr als ich, das dürfte nicht schwer sein. :wink: Krimis, Thriller u.ä. sind nämlich sonst nicht so meins :roll:


    In einem Kreativen Schreiben-Kurs, den ich seit kurzem besuche, behandelt wir Krimis, obwohl mir das Genre sonst nicht so liegt (von "älteren" Krimis wie von Agatha Christie jetzt mal abgesehen). Vor allem lese ich eigentlich nie Krimis auf Deutsch, ist mir aufgefallen. :|


    Ist es eigentlich üblich, dass sich im Deutschen Ermittler und ihre Kollegen siezen? Im Englischen klingt das halt immer so vertraut, ich hab eigentlich noch nie wirklich darüber nachgedacht, wie das dann im Deutschen ist. Also auch wenn beide theoretisch "Detectives" sind, aber einer ist der Vorgesetzte vom anderen? Mir kommt es bisschen komisch vor, besonders bei "partners". Wird das wirklich allgemein im Deutschen so übersetzt?


    Ich hoffe, dass passt hier rein, ansonsten tut es mir Leid, dann bitten löschen!


    Danke! :)

  • Hallo Lizzie und herzlich willkommen im Büchertreff! :friends:
    Deine Frage finde ich sehr interessant, denn ich habe mir sie so ähnlich auch schon öfter gestellt. Ich lese und schreibe in beiden Sprachen, und es fiel mir auf, dass die Unterscheidung von "Sie" und "Du" im Deutschen gerade für Nicht-Muttersprachler irritierend sein muss. Ich mag es eigentlich, dass man im Englischen diesen Unterschied nicht kennt und nicht einmal darüber nachdenken muss, wie man den anderen am besten anspricht, denn er ist schlicht und einfach "You" mit entweder Vor- oder Nachnamen.


    In deutschen Krimis und auch den Übersetzungen ins Deutsche sind Vorgesetzte und Assistenten oder auch gleichgestellte Partner generell per "Sie", es sei denn, sie unterhalten neben dem Ermittlerleben auch noch ein Privatleben, sind also ein Paar. Mir würde jetzt spontan kein Beispiel einfallen, in dem sich die Ermittler mit "Du" anreden. Selbst in den schwedischen Wallander-Krimis sprechen sich die Leute in der deutschen Übersetzung mit "Sie" an, obwohl man sich in Skandinavien meines Wissens nach grundsätzlich duzt. Vielleicht liegt das an der deutschen Korrektheit. Manchmal wird aus dem Arbeitsverhältnis auch mehr (z. B. in einem meiner Lieblingsbücher "Nacht ohne Gesicht" von Rennie Airth), und der Wechsel vom formellen "Sie" zum vertrauten "Du" kann dann auch Muttersprachler irritieren... 8-[


    An sich eine verzwickte Sache, die deutsche Anrede...

  • Hallo, willkommen im BT!


    Ich lese selber eigentlich kaum bis keine Krimis, ich kann mich nur auf die Krimiserien im Fernsehen beziehen. Da finde ich es auch immer seltsam, wenn sich alle siezen - zumal sie sich siezen und sich mit ihren Vornamen ansprechen. Vielleicht ist das eine seltsame Übersetzungseigenheit, weil ja sowohl "du" als auch "Sie" im Englischen "you" ist. Manchmal übertreiben sie es da wohl im Deutschen mit dem Siezen, oder sie vergessen zwischendurch, die Übersetzungsform wieder zu wechseln. Manchmal wechselt die Anrede auch in der selben Folge zwischen den selben Personen - also sagt dann z.B. Person X erst "Weißt du, Peter.." und später "Peter, ich finde, Sie übertreiben."


    Ich denke, in Deutschland wird man entweder duzen und den Vornamen benutzen, wenn man im selben Rang ist (oder zwischen den Rängen in inoffiziellen Situationen, wenn man gut befreundet ist), oder siezen mit Nachnamen zwischen den Rängen und in offiziellen Situationen und/oder persönlicher Distanz.
    Dass auch in original deutschen Geschichten (also nicht Übersetzungen) heute oft Vorname-Siezen auftaucht, ist glaube ich tatsächlich eine doofe, unbedachte Angewohnheit, die sich durch die seltsame Übersetzung aus dem Englischen hier eingeschlichen hat.

  • Ohne jetzt nachschauen zu wollen, wie es in Krimis umgesetzt wird, aber aus dem wahren Leben heraus wage ich die Behauptung, dass sich Polizisten im Dienst untereinander durchaus duzen, wenn sie regelmäßig miteinander zu tun haben. Und, bevor irgendjemandes Gedanken in die falsche Richtung joggen: Nein, ich bin weder selbst Polizist, noch je verhaftet worden, wohl aber leider schon mehr als einmal in der Situation gewesen, Anzeige zu stellen (Sachbeschädigung etc.).

  • So, wie ich es verstanden habe, bezog sich die Frage auf Literatur und nicht darauf, wie die Anrede im TV oder der Realität gehandhabt wird. Ich glaube auch, dass der Umgang unter Polizeibeamten im realen Leben durchaus lockerer sein kann, oder auch in den Tatort-Krimis, wo die Ermittlerteams meist per "Du" miteinander sind, wenn sie den gleichen Rang haben und / oder etwa im selben Alter sind.


    In Krimis auf Papier ist mir das bisher nicht begegnet, weil dort gern das Image vom einsamen Wolf gepflegt wird, der niemanden zu nah an sich ranlässt aus Angst, verletzt zu werden. Meist hat der unnahbare Ermittler auch an einem schweren persönlichen Schicksalsschlag zu knabbern, der es ihm verbietet, mit anderen auf Tuchfühlung zu gehen bzw. sie zu duzen. Ich lasse mich aber gern eines besseren belehren.

  • Danke für die Antworten! :)


    Hm ja, ich glaub wenn Kollegen wirklich befreundet sind, werden sie sich vielleicht schon duzen, das stimmt. Aber ich glaub auch, dass besonders zwischen Vorgesetztem u.a. im Deutschen da eine größere "Distanz" ist, die sich durch das Siezen ausdrückt.


    Schwierig ist es sicher, wenn sich das Verhältnis ändert, das stimmt. Da muss man bei der Übersetzung wirklich nachdenken, wann und wie man das einführt, denn normalerweise "bietet" man jemanden das Du ja an ... wenn das so aus dem "nichts" kommt ist das ja wirklich irritierend. Seltsam, dass mir dass vorher noch nicht so wirklich aufgefallen ist ... anscheinend lese ich nicht so viele Übersetzungen. ;)

  • So, wie ich es verstanden habe, bezog sich die Frage auf Literatur und nicht darauf, wie die Anrede im TV oder der Realität gehandhabt wird. Ich glaube auch, dass der Umgang unter Polizeibeamten im realen Leben durchaus lockerer sein kann, oder auch in den Tatort-Krimis, wo die Ermittlerteams meist per "Du" miteinander sind, wenn sie den gleichen Rang haben und / oder etwa im selben Alter sind.

    Ja, genau, ich meinte in der Literatur. :) Natürlich möchte man es so realitätsnahe wie möglich beschreiben, aber es gibt in den Genres und Sprachen halt auch bestimmte Konventionen, die man beachten "muss".


    Vielleicht ist mir das deswegen noch nicht so aufgefallen, weil's im Fernsehen, in Serien usw. vielleicht etwas lockerer ist... das könnte sein!