Emily St. John Mandel - Das Licht der letzten Tage / Station Eleven

  • Kurzmeinung

    El Novelero
    Der Flop des Jahres. Langweilig ohne Ende und völlig überbewertet.
  • Kurzmeinung

    K.-G. Beck-Ewe
    "Überleben ist nicht genug" - positivistsisches Endzeitdrama
  • Klappentext:
    Niemand konnte ahnen, wie zerbrechlich unsere Welt ist. Ein Wimpernschlag, und sie ging unter. Doch selbst jetzt, während das Licht der letzten Tage langsam schwindet, geben die Überlebenden nicht auf. Sie haben nicht vergessen, wie schön die Welt ist. Sie vermissen all das, was einst so wundervoll und selbstverständlich war, und sie weigern sich zu akzeptieren, dass alles für immer verloren sein soll. Auf ihrem Weg werden sie von Hoffnungen geleitet – und Zuversicht. Denn selbst das schwächste Licht erhellt die Dunkelheit. Immer.


    Meine Meinung:
    Dieses Buch war völlig anders, als ich es erwartet habe. Eine Dystopie, so wie man sie normalerweise kennt, ist dies wirklich nicht. Es wird die Geschichte in mehreren Handlungssträngen erzählt. Immer wieder wechselt die Perspektive und wir befinden uns bei einer reisenden Schauspielertruppe (die fahrende Symphonie) nach der großen Epidemie und dann wieder sind wir bei Personen vor der großen Epidemie. Ich fand dieses hin und her zunächst sehr verwirrend, da sich mir der Zusammenhang nicht wirklich erschloss. Aber, die Fäden laufen alle nach und nach zusammen und dann lösen sich die Fragezeichen im Kopf auf.


    Ganz kurz erst noch zu der Sprecherin, Stephanie Kellner. Ich empfand ihre Stimme als sehr angenehm. Sie schafft mit ihrer Art zu lesen genau die richtige Atmosphäre für dieses großartige Werk.


    Der chronologische Erzählstrang des Romans ist die Zeit nach der Epidemie und die fahrende Symphonie. Von der fahrenden Symphonie aus springen wir immer wieder zu verschiedenen Personen in der Vergangenheit und erfahren mehr über sie. In der Vergangenheit ist die Person, um die alles kreist, der Theaterschauspieler Arthur Leander. Er ist derjenige, um den alle anderen Figuren kreisen, sei es eine seiner Frauen, sei es ein Journalist und späterer Rettungssanitäter, der Arthur mehrmals getroffen hat, sei es sein Sohn. Sie alle überleben die Epidemie und leben ihr Leben auf die eine oder andere Art weiter.


    Die große Frage dieses Romans ist für mich: Was genau macht das Leben eigentlich aus. Immer wieder wird die These aufgeworfen, dass es nicht reicht, einfach zu leben. Aber, vielleicht reicht genau das doch. Brauchen wir die Errungenschaften der modernen Zivilisation eigentlich? Der Roman wirft viele Fragen auf, aber die Antworten werden nicht vorgegeben. Diese Antworten muss jeder Leser für sich selbst finden.


    Beeindruckt hat mich, dass die Autorin es geschafft hat, ihre vielen verschiedenen Handlungsstränge in der Hanf zu behalten und keine Plotlöcher oder offenen Enden zurückgeblieben sind.


    Wer dieses Buch zur Hand nimmt und einen dystopischen Roman mit viel Action erwartet wird enttäuscht sein. Vielmehr bekommt man ein Werk, welches sehr tiefgründig und einfühlsam das Leben selbst beleuchtet. Von mir gibt es 4 Sterne.

    Gruß
    Yvonne

    Nicht die haben die Bücher recht lieb, welche sie unberührt in den Schränken aufheben, sondern, die sie Tag und Nacht in den Händen haben, und daher beschmutzet sind, welche Eselsohren darein machen, sie abnutzen und mit Anmerkungen bedecken.
    (Erasmus von Rotterdam)

  • Gruß
    Yvonne

    Nicht die haben die Bücher recht lieb, welche sie unberührt in den Schränken aufheben, sondern, die sie Tag und Nacht in den Händen haben, und daher beschmutzet sind, welche Eselsohren darein machen, sie abnutzen und mit Anmerkungen bedecken.
    (Erasmus von Rotterdam)

  • Kurz zur Autorin:
    Emily St. John Mandel, geboren 1979, wuchsan der Westküste von British Columbia in Kanada auf. Sie studiertezeitgenössischen Tanz an der »School of Toronto Dance Theatre« und lebte danachkurze Zeit in Montreal, bevor sie nach New York umzog und anfing, für dasliterarische Online-Magazin »The Millions« zu schreiben. Sie lebt dort mitihrem Ehemann. »Das Licht der letzten Tage« war auf der Shortlist des NationalBook Award, eines der renommiertesten Literaturpreise der USA, und standmonatelang auf der New-York-Times-Bestsellerliste.


    Und mein Hör-Eindruck:
    Kristallisationspunkt der Geschichte ist der Schauspieler Arthur, der während einer Shakespeare-Aufführung im gleißenden Bühnenlicht stirbt.
    In dieser Anfangsszene werden quasi die Leitmotive der Dystopie vorgestellt: Shakespeare, ein post-apokalyptischer Comic (der dem Buch den Namen gibt
    und inhaltlich sehr an Jules Verne erinnert) und natürlich das Licht in allen seinen Spielarten. Alle konstanten Figuren sind in irgendeiner Weise mit Arthur verbunden.


    Arthurs Tod wird im Lauf der Geschichte aus verschiedenen Perspektiven thematisiert – ermüdend! Leider nicht das einzige Ermüdende.
    Wir erfahren viele langweilige Episoden aus seinem Leben, u. a. einen mehr als banalen Briefwechsel mit seiner Jugendfreundin V. nach dem Motto:
    „Ich liebeDich, wieso schreibst Du mir nicht.“ Die Veröffentlichung dieses Briefwechsels sorgt für große Unruhe, der Grund entzieht sich dem
    Leser – eines von vielen blinden Motiven, die mich unzufrieden zurückließen. Die häufigen mantra-artigen Wiederholungen, was es nach dem
    Untergang der Welt nicht mehr gibt, machen einem zwar zunächst die Zerbrechlichkeit unserer Zivilisation klar, aber dann ermüden sie nur noch.


    Arthurs Tod ist ein Wendepunkt, auch wenn ich keinen kausalen Zusammenhang sehe: die Georgische Grippe bricht aus und rafft
    fast die gesamte Menschheit dahin. Die Autorin entwirft eine melancholische Dystopie: die gewohnten Ordnungen undStrukturen brechen zusammen,
    Städte und Landschaften veröden, der Mensch wird auf eine autarke Lebensweise zurückgeworfen, und er wird des Menschen Wolf.
    Die Frage der Theodizee erlaubt es, dass selbsternannte Propheten ein grausames Regiment errichten können.


    Die Erzählstränge werden in viele Einzelteile zertrümmert,und auch die Ordnungen von Zeit und Raum werden zertrümmert und verwürfelt.
    Das passt sehr schön zum Thema. Auch die Sprache ist schön: formulierungssicher und recht leichtfüßig. Manchmal aber ungewollt komisch:
    „der körperliche Schmerz der postanästhetischen Epoche“. Postanästhetisch .... das muss einem erst mal einfallen :|


    Ich bin bei der Bewertung gespalten. Eine Dystopie ohne allzuviele Grässlichkeiten und von dieser melancholischen Art – das hat mir gefallen.
    Die Sprecherin St. Kellner hat mir sehr gut gefallen: klar und differenziert.
    Auf der anderen Seite: zu viele blinde Motive, zu viel Arthur, zu viel Überflüssiges und zu viele Wiederholungen. Ich habe aufgeschnauft, als es endlich aus war…

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :study: Vigdis Hjorth, Ein falsches Wort.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).