Jodi Picoult - Bis ans Ende der Geschichte / The Storyteller

  • Kurzmeinung

    cocodrilla
    Keine leichte Kost, verwirrend durch die div. Perspektiven, die enthaltene Liebesgeschichte passte für mich nicht dazu.
  • Buchtipps zum Thema

  • Worum geht es?


    Sage Singer ist eine junge Bäckerin. Sie hat ihre Mutter bei einem Autounfall verloren und fühlt sich schuldig, weil sie den Wagen gelenkt hat. Um den Verlust zu verarbeiten, nimmt sie an einer Trauergruppe teil. Dort lernt sie den 90jährigen Josef Weber kennen. Trotz des großen Altersunterschieds haben Sage und Josef ein Gespür für die verdeckten Wunden des anderen, und es entwickelt sich eine ungewöhnliche Freundschaft. Als Josef ihr eines Tages ein lang verschwiegenes, entsetzliches Geheimnis verrät, bittet er Sage um einen schwerwiegenden Gefallen. Wenn sie einwilligt, hat das allerdings nicht nur moralische, sondern auch gesetzliche Konsequenzen. Sage steht vor einem moralischen Dilemma: Denn wo befindet sich die Grenze zwischen Hilfe und einem Vergehen, Strafe und Gerechtigkeit, Vergebung und Gnade?


    Quelle: Klappentext von der Verlagsseite


    Meine Bewertung


    Jodi Picoult gehört für mich schon lange zu meinen Lieblings-Autorinnen. Nie vergessen und immer wieder lesen werde ich "Bis ans Ende aller Tage", das mein absolutes Lieblingsbuch von ihr ist. Ich weiß nicht mal, warum, aber irgendwie habe ich ihren neueren Werken nicht mehr viel Beachtung geschenkt. Vielleicht habe ich mich etwas an ihr überlesen, vielleicht stehe ich zur Zeit aber auch einfach auf Bücher anderer Genres. Nachdem ich in der letzten Zeit jedoch einige begeisterte Besprechungen zu "Bis ans Ende der Geschichte" gelesen habe und der Klappentext gut klang, kam ich an dem Buch nicht mehr vorbei und habe die letzten Tage damit verbracht, es zu lesen. Stellenweise kam ich dabei nur langsam voran, aber vor allem die letzten 150 Seiten habe ich förmlich inhaliert.


    Es gibt in diesem Buch mehrere Erzählebenen, das heißt mehrere Zeitebenen sowie mehrere personelle Erzähler.


    Wir lernen Sage kennen, die in der Gegenwart die weibliche Hauptperson und Ich-Erzählerin ist. Sage hat vor drei Jahren ihre Mutter bei einem Unfall verloren und besucht seitdem regelmäßig eine Trauergruppe. Sie geht den Menschen aus dem Weg, arbeitet als Bäckerin, weil sie nachts weniger Menschen begegnet als tags. Ihr Liebesleben spielt sich im Verborgenen ab, denn Sage hat eine Affäre mit einem verheirateten Mann. (Dieses Handlungsdetail ist für mich rückblickend überflüssig gewesen. Ja, es spiegelt Sages Drang danach wider, sich vor ihren Mitmenschen zu verstecken. Aber letztlich nimmt die Affäre im Vergleich zum Rest des Buches eine völlig unbedeutende Rolle ein. Warum also den Charakter noch mit so etwas belasten ... Zumal Adam, Sages Affäre, einfach nur ein lächerlicher Charakter war.)


    Während des Besuchs der Trauergruppe lernt Sage den 96-jährigen Josef Weber kennen, der auch Kunde in ihrer Bäckerei ist. Herr Weber ist sehr beliebt im Ort, ist als freundlicher Herr bekannt, der immer Trinkgeld gibt, sein Brötchen immer mit seinem Dackel teilt und dem sogar von der Handelskammer der Preis als Guter Samariter verliehen wurde. Doch eines Tages bittet er Sage um einen unfassbaren Gefallen, dessen Auslöser so gar nicht in das Erscheinungsbild dieses beliebten Menschen passt.


    Die Geschichte von Josef Weber wird rückblickend aus seiner Perspektive erzählt und bringt den Leser zurück in die dunkelste Zeit, die Deutschland wohl jemals erlebt hat. Wir werden Zeuge, wie Josef Weber zusammen mit seinem Bruder Franz in einem kleinen Ort in der Nähe von Paderborn aufwächst und schon als Schuljunge immer wieder in Prügeleien gerät. Ganz im Gegensatz dazu ist sein Bruder der brave Musterschüler, der von einem Studium der Literaturwissenschaft träumt. In der Hitlerjugend wird Josef Weber schnell das Vorbild aller Jungs, da er sportlich und stark und der perfekte Befehlsempfänger ist. So entfernt sich Josef charakterlich immer mehr von seinem Bruder und seine Karriere nimmt ihren Lauf, die ihn schließlich nach Auschwitz führt, wo er Ursache und Verantwortlicher für Leid, Elend und Tod wird.


    Wir lernen Sages Großmutter Minka kennen, sowohl in der Gegenwart als auch in der Vergangenheit, denn auch sie erzählt den Lesern ihre Geschichte. Und die ist erschütternd, beängstigend, grausam und so häufig gar nicht angenehm zu lesen. Denn sie führt ebenfalls nach Auschwitz.


    Ein weiterer Charakter, dem wir in der Gegenwart begegnen, ist Leo Stein, der im US-Justizministerium arbeitet und sich auf das Aufspüren von Kriegsverbrechern des 2. Weltkrieges spezialisiert hat. Ich muss sagen, dass es mir teilweise schwerfiel, nachzuvollziehen, mit welchem Ehrgeiz und welcher Rechtfertigung er so verbissen seiner Arbeit nachgeht. Vor allem die Tatsache, dass er nach all den Jahren nur das Schlechteste von Josef Weber denkt, hat mich extrem nachdenklich gestimmt. Aber das ist auch eine der moralischen Problemstellungen, mit denen Jodi Picoult in diesem Buch arbeitet. Daher verstehe ich, dass Leo Stein seine Arbeit so verbissen rechtfertigt, denn es gibt auch andere Sichtweisen auf diese Thematik, was so typisch für Jodi Picoult ist und mir so gut gefällt.


    Immer wieder eingestreut werden Kapitel, die in kursiver Schrift gedruckt sind. Hierzu möchte ich gar nicht viel sagen, weil es schwierig ist, sich dazu zu äußern, ohne zu viel vom Inhalt zu verraten. Letztendlich sind es aber wohl diese Kapitel, denen das Buch seinen Namen zu verdanken hat.


    So viel zum Inhalt des Buches. Ich muss zugeben, dass ich nach dem Lesen des Klappentextes schon so eine Ahnung hatte, in welche Richtung das Buch gehen könnte. Ich hoffe, dass ich euch mit meiner zusätzlichen Inhaltsbeschreibung nicht zu viel verraten habe. Wobei die Details, die ihr meiner Rezension nun entnehmen könnten, wirklich nur an der Oberfläche kratzen. Also lest das Buch einfach selbst. Ich hoffe, dass es noch viele Leser findet, denn es gibt so viel Gesprächsstoff und ich würde mich total freuen, mich noch etwas detaillierter mit dem einen oder anderen Leser austauschen zu können.


    "Bis ans Ende der Geschichte" ist kein fröhliches Buch. Auch nicht in den Szenen, die in der Gegenwart spielen. Stattdessen wird es überschattet von unfassbarer Grausamkeit, erschreckenden Szenen, Details, die ich am liebsten wieder vergessen würde. Und manchmal musste ich mich zum Weiterlesen zwingen. Und doch ist dieser Roman so gut, so unfassbar lesenswert. Nicht durchweg konnte Jodi Picoult mich fesseln. Gerade der kursiv geschriebene Teil des Buches hat für mich einige Längen beinhaltet, wobei ich zugegebenermaßen aber auch erst im Verlauf der Handlung dessen Wichtigkeit und Bedeutung erkannt habe. Aber es ist so faszinierend, was für eine Geschichte Jodi Picoult konstruiert hat, wie sich auf verschiedenste Arten und Weisen Kreise schließen und Verbindungen entstehen, mit denen man nicht gerechnet hat. Und das Ende hat mich dann einfach fassungslos, mit offenem Mund und kullernden Tränen zurückgelassen. Nie, nie, nie hätte ich mit diesem Ende gerechnet und ich glaube, ich habe es immer noch nicht ganz verdaut. Ich bin froh, dass Jodi Picoult nicht den einfachen Ausweg gewählt hat. Aber dass sie mich so treffen würde, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet.


    Die Autorin ist bekannt dafür, nicht nur die verschiedensten Sichtweisen auf bestimmte Thematiken, die durch ihre Charaktere repräsentiert werden, zu entwickeln, sondern auch gleichzeitig ihre Leser dazu zu bringen, selbst Position zu beziehen. Wobei ich sagen muss, dass es mir beim Lesen dieses Buches extrem schwergefallen ist, eine klare Position zu finden. Vielleicht habe ich das auch jetzt noch nicht. Vielleicht brauche ich einfach noch ein paar Tage, um diesen Roman zu verarbeiten.


    Jodi Picoult hat für ihr neuestes Werk unfassbar gut und intensiv Recherche betrieben, was sie in ihrem Nachwort schildert und auch an einer Parallele zu Oskar Schindler zu erkennen war. Dadurch ist ihr ein unglaublich authentischer Roman gelungen, der Fakt und Fiktion vereint und ein Werk darstellt, bei dem sich nach dem Lesen nicht mehr die Frage stellt, ob denn noch ein Buch über die Zeit des Zweiten Weltkrieges wirklich notwendig gewesen ist.


    Mein Fazit


    "Bis ans Ende der Geschichte" ist ein erschreckender und beängstigender Roman, der dennoch so lesenswert ist und mich völlig sprachlos zurückgelassen hat.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de

  • "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


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  • Ich habe bereits einige Bücher von Jodi Picoult gelesen und bisher konnte mich jedes Buch begeistert und faszinieren. So auch „Bis ans Ende der Geschichte“. Ein Buch, das aufwühlend, bewegend und unglaublich gut geschrieben ist. Jodi Picoult ist eine Geschichtenerzählerin. Beim Lesen merkt man deutlich, dass die Autorin das Handwerk des Schreibens versteht. Ihre Geschichten sind gut recherchiert, mit viel Liebe zum Detail versehen und einfach nur grandios geschrieben, sodass man sich in der Geschichte verlieren kann.


    In „Bis ans Ende der Geschichte“ stecken eigentlich vier Geschichten in einem. Es wird aus der Sicht von Sage, Ihrer Großmutter Minka, Leo Stein und Josef Weber erzählt. Zwischendurch auch ein selbstgeschriebenes Märchen von Minka. Minka und Josef erzählen die Vergangenheit. Sage und Leo die Gegenwart. Eine Mischung, die vielleicht für Verwirrung hätte sorgen können, hat es aber nicht. Im Gegenteil. Am Ende der Geschichte läuft aber alles zu einem zusammen und ergibt ein ganzes Bild. Auch wenn es zwischenzeitlich einige Passagen gab, die etwas langatmig erschienen sind.


    Ich muss ehrlich gestehen, dass ich zu Anfang ein wenig Schwierigkeiten hatte mit Sage Singer. Sie war mir nicht direkt unsympathisch, aber es war auch nicht Liebe auf der ersten Seite. Sie hat viele Probleme, die sie noch nicht verarbeitet hat und somit ist ihr Verhalten durchaus verständlich, aber wir haben dennoch Zeit gebraucht um warm miteinander zu werden. Schwer fand ich es auch mit Josef. Zu Anfang war mir der über 90-Jährige sympathisch. Bis man die vermeintliche Wahrheit über in erfährt. Ich konnte daher die Zerrissenheit von Sage gut nachempfinden, da ich es so ähnlich empfunden habe. Leo Stein dagegen hat „Bis ans Ende der Geschichte“ aufgelockert mit seiner humorvollen Art und Weise. Es war ein passender Kontrast, was dem Buch einfach gut getan hat.


    Für mich persönlich allerdings war die Geschichte von Minka am Eindrucksvollsten. In der Schule und auch später habe ich so einige Bücher über den zweiten Weltkrieg lesen, aber keines konnte mich so bewegen wie es „Bis ans Ende der Geschichte“ getan hat. Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu lesen. Geschichten über den Holocaust ist keine leichte Kost. Und auch hier war es sehr aufwühlend, ergreifend und regte viel zum Nachdenken an. Und dennoch hat die Autorin der Figur Minka etwas Leichtes und Hoffnungsvolles verschafft. Es war schlimm, sehr sogar. Aber nicht zu erdrückend.


    Bei den Büchern von Jodi Picoult freue ich mich immer auf das Ende des Romans. Nicht, weil ich möchte, dass das Buch zu ende ist. Nein, sondern weil die Autorin mich bisher jedes Mal vollkommen umgehauen hat, da die Geschichte eine völlig unerwartete Wendung genommen hat und ich bisher jedes Mal erstaunt und geschockt gewesen bin. Auch „Bis ans Ende der Geschichte“ nimmt solch eine Wendung. Jedoch habe ich es dieses Mal schon im Voraus nicht nur geahnt, sondern bin beim Lesen bewusst drauf gestoßen bin, dass es so enden wird. Ich fand es schade, da es so zwar noch immer ein bewegendes Ende ist, aber leider auch einen kleinen Stich der Enttäuschung bereit hält.


    Fazit
    Mit „Bis ans Ende der Geschichte“ hat Jodi Picoult eine bewegende, aufwühlende und zum Nachdenken anregende Geschichte verfasst, die einfach nur grandios geschrieben wurde. Man erkennt deutlich, dass die Autorin eine anspruchsvolle Geschichtenerzählerin ist mit viel Liebe zum Detail. Auch wenn man den Ausgang der Geschichte bereits erahnen konnte und somit der für Frau Picoult bekannte überraschende Schluss dieses Mal weniger schockierend ausfällt, lohnt sich das Lesen dieser wundervollen Geschichte unbedingt.


    4/5

  • Ich muss ehrlich gestehen, dass ich zu Anfang ein wenig Schwierigkeiten hatte mit Sage Singer. Sie war mir nicht direkt unsympathisch, aber es war auch nicht Liebe auf der ersten Seite. Sie hat viele Probleme, die sie noch nicht verarbeitet hat und somit ist ihr Verhalten durchaus verständlich, aber wir haben dennoch Zeit gebraucht um warm miteinander zu werden. Schwer fand ich es auch mit Josef. Zu Anfang war mir der über 90-Jährige sympathisch. Bis man die vermeintliche Wahrheit über in erfährt. Ich konnte daher die Zerrissenheit von Sage gut nachempfinden, da ich es so ähnlich empfunden habe.

    Mir ging es mit Sage und Josef wie dir. Sage war mir nie richtig sympathisch, und meine Meinung zu Josef hat sich im Verlauf des Buches mehrmals geändert. :wink: Aber ich finde, Jodi Picoult schafft es immer, den Leser mit den Charakteren mitfiebern zu lassen, auch wenn man sie nicht als beste Freunde ansieht und ihnen vielleicht nicht mal eine gewisse Sympathie entgegen bringt. Das ist schon erstaunlich.

    Auch „Bis ans Ende der Geschichte“ nimmt solch eine Wendung. Jedoch habe ich es dieses Mal schon im Voraus nicht nur geahnt, sondern bin beim Lesen bewusst drauf gestoßen bin, dass es so enden wird. Ich fand es schade, da es so zwar noch immer ein bewegendes Ende ist, aber leider auch einen kleinen Stich der Enttäuschung bereit hält.

    Echt? Hattest du mit DEM Ende gerechnet? Für mich kam es ja total überraschend! Ich war wie im Schock, saß mit offenem Mund vor dem Buch, während mir plötzlich Tränen über die Wange liefen. Das war total krass!

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  • Mir ging es mit Sage und Josef wie dir. Sage war mir nie richtig sympathisch, und meine Meinung zu Josef hat sich im Verlauf des Buches mehrmals geändert. :wink: Aber ich finde, Jodi Picoult schafft es immer, den Leser mit den Charakteren mitfiebern zu lassen, auch wenn man sie nicht als beste Freunde ansieht und ihnen vielleicht nicht mal eine gewisse Sympathie entgegen bringt. Das ist schon erstaunlich.

    Echt? Hattest du mit DEM Ende gerechnet? Für mich kam es ja total überraschend! Ich war wie im Schock, saß mit offenem Mund vor dem Buch, während mir plötzlich Tränen über die Wange liefen. Das war total krass!

    Ja, ich habe dieses Ende schon länger vermutet gehabt.

    - schon da gelesen und es ist mir direkt ins Auge gesprungen. Daher kam es für mich leider nicht überraschend.

  • @littlekate:


    Ich muss zugeben, dass ich diese Stelle


    nicht so genau gelesen habe, deshalb ist es mir nicht aufgefallen. Es gab aber vorher eine Szene, in der erwähnt wird, dass

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


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  • @littlekate Ich hab den vorletzten Satz Deines letzten Posts in Spoiler gesetzt, er ist etwas verräterisch für diejenigen, die das Buch noch nicht gelesen haben. :wink:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Der erste Satz:


    Mein Vater wurde nicht müde, mir die Wünsche für seine eigene Beerdigungszeremonie zu schildern.


    Meine Meinung:


    Aufwühlende Thematik: Holocaust


    Ja, Jodi Picoult hat es wieder getan: einen Roman geschrieben, der wegen seiner brisanten Thematik aufwühlt und sehr nachdenklich stimmt.
    Es geht darin um die Judenverfolgung in der Zeit des zweiten Weltkriegs und um die Tatsache, Macht über jemandes Leben und Sterben zu haben. Rache und Zorn werden hier ebenso thematisiert, wie Mitleid und Vergebung ...


    "Gute Menschen und schlechte Menschen. Als wäre das so einfach. Jeder ist beides zugleich."
    (S. 56)


    Sage ist eine Protagonistin, für die ich bis zum Schluss, obwohl sie eine nennenswerte Entwicklung durchgemacht hat, keine Sympathie entwickelt habe. Ihre anfängliche Lebensführung (die Beziehung zu einem verheirateten Mann und ihr sich-vor-der-Welt-Verstecken, bedingt durch ihr geringes Selbstwertgefühl, weil sie meint, im Gesicht entstellt zu sein) und ganz allgemein ihre emotionslose Art, haben sie nicht zu meinem Lieblingscharakter gemacht.
    Und warum ist sie mir dann im Laufe der Geschichte, trotz enormer Wandlung, nicht sympathischer geworden? - Weil diese Entwicklung viel zu schnell vonstatten gegangen ist und somit ziemlich unglaubwürdig war. Man kann nicht innerhalb kürzester Zeit selbstbewusst werden, aus sich herausgehen und sich attraktiv und schön finden, wenn dies vor kurzem noch überhaupt nicht so war. Eine derartige Umstellung passiert in meinen Augen eher schleichend und nicht so plötzlich wie es bei Sage der Fall war. Das ging mir wahrlich zu schnell.
    Und rachedurstige und lügende Menschen konnte ich noch nie besonders gut leiden. Sages letzte Handlungen haben sich für mich eben sehr rachedurstig gelesen, was ich absolut abstoßend fand ...

    "Machen Sie es sich nicht ein bisschen einfach, wenn Sie sagen, Sie hätten das Schreckliche
    getan, weil jemand Sie dazu anstiftete?", wende ich ein. "Das ändert doch nichts daran, dass
    es falsch war. Egal, wie viele Menschen einem sagen, dass man von einer Brücke springen
    soll, man hat doch immer noch die Option, sich umzudrehen und wegzugehen."
    (S. 153)


    Dann gibt es hier auch noch den 95-jährigen Josef, der einer der Hauptcharaktere war. Was ich von diesem Mann halten soll, weiß ich bis jetzt nicht ... Seine Erzählungen/Beichten über seine Vergangenheit als SS-Mann im KZ Auschwitz waren für mich alles andere als leichte Kost. Die Gräueltaten, die er und die anderen Soldaten begangen haben, klingen heftig und gefühllos und als seine Erzählung davon beendet war, musste ich erst mal ganz tief durchatmen.


    Ebenso sehr mitgenommen hat mich Minkas (Großmutter von Sage) Geschichte. Minka hat im Ghetto gelebt und wurde anschließend in Todeslager nach Auschwitz gebracht. Und was sie darüber alles zu berichten hat, ist zutiefst berührend, aufwühlend und hat mich wahnsinnig traurig gestimmt. Diese 200 Seiten über Minkas Vergangenheit fand ich am besten an dem ganzen Buch!


    "Sie können mir mein Zuhause wegnehmen", sagte er. "Und mein Geld und meine Frau und
    mein Kind. Sie können mir meine Lebensgrundlage und mein Essen wegnehmen und" - hier
    setzte seine Stimme aus - "meinen Enkelsohn. Aber meine Träume können sie mir nicht nehmen."
    (S. 330)


    Ganz allgemein kann ich sagen, dass es mir hier aber einfach zu viele verschiedene Erzählstränge gegeben hat. Ich fand den ständigen Perspektivenwechsel ermüdend und deswegen ist es mir auch so schwergefallen, mich ordentlich in die Charaktere hineinzuversetzen bzw. sie zu verstehen. Den Mittelteil des Buches mit Minka, in dem auf 200 Seiten kein Wechsel stattgefunden hat, fand ich deshalb am mitreißendsten.


    Ich fand das Buch wirklich nicht schlecht, aber umgehauen (wie beispielsweise Neunzehn Minuten) hat es mich leider auch nicht.
    Lesenswert sind in meinen Augen hier vor allem die Passagen über den Holocaust und Josefs grauenvolle Beschreibungen über seine Arbeit als SS-Mann, da dies bei mir die aufwühlendsten Gefühle hervorgerufen hat.


    4 :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: !

  • Die fünfundzwanzigjährige Sage hat einen schweren Schicksalschlag erlitten, als ihre Mutter und sie selber bei einem Autounfall verunglücken. Sage hat es überlebt, mit sichtbaren und unsichtbaren Narben, doch ihre Mutter verstarb. Bei einer Trauergruppe lernt sie den fünfundneunzigjährigen Josef kennen und die Beiden freunden sich, trotz des großen Altersunterschiedes an. Doch Josef hat ein Geheimnis, dass er Sage anvertraut, im zweiten Weltkrieg war er bei der SS und in Auschwitz im Konzentrationslager. Sage ist schockiert, denn es gibt Parallelen zu ihrer eigenen Familie, denn ihre Großmutter Minka war eine der Überlebenden. Sage ist zwiegespalten, wie soll sie mit ihren Informationen umgehen? Zumal Josef sie um etwas bittet, dass sie ihm nicht erfüllen kann.
    Meine Meinung:
    Dieses Buch fängt sehr ruhig und wenig spektakulär an, aber da Jodi Picoult einfach über einen fantastischen Schreibstil verfügt, ist man schnell in der Geschichte gefangen. Die Autorin greift hier unbestreitbar ein Thema auf, das schon sehr oft erzählt wurde, das aber niemals vergessen werden darf. Dabei erzählt sie mit ihrer eigenen, sehr berührenden Art aus verschiedenen Perspektiven. Wir erfahren von Sage, Josef, Minka und Leo jeweils deren eigene Sichten auf die Ereignisse des zweiten Weltkrieges. Ganz unvoreingenommen erläutert sie, wie es in jedem Einzelnen aussah und wie es zu welcher Handlung kam. Unterteilt wird ihre Geschichte in drei Abschnitten, der erste gibt die Geschichte Sages und Josefs Kennenlernen in der Gegenwart wieder und wir können verfolgen, wie diese beiden so unterschiedlichen Menschen zueinander finden. Aber auch Sages Großmutter Minka kommt zu Wort und auch Leo, der US Agent erläutert als Aussenstehender seine Sicht. Dieses Buch beinhaltet unglaublich viele Themen, die jedes für sich schon einen Roman ausmachen könnte, dabei erzählt Picoult aber so geschickt, dass alles perfekt zueinander passt. Einzelne Erzählstränge haben ihre Auswirkungen auf das Große und Ganze der Geschichte. Dabei kreiste ständig eine ganz bestimmte Frage in meinem Kopf, wie hätte ich reagiert, was hätte ich getan? Alles, was die Autorin hier erzählt, ist perfekt recherchiert und auch wenn es eine fiktive Geschichte ist, so klingt es beim Lesen, als wäre die Autorin Augenzeugin gewesen. Genau das ist es auch, was mich extrem berührt hat und vor allem in dem Bereich, in dem Minka ihre Geschichte erzählt, liefen bei mir fast ständig die Tränen und ich musste das Buch häufiger aus der Hand legen, um darüber nachzudenken und mich wieder zu fassen, um überhaupt weiterlesen zu können.



    Picoults Hauptcharaktere sind völlig unterschiedlich und doch strahlt jeder für sich eine große Portion Glaubhaftigkeit aus. Da wäre zum einen Sage, eine junge Frau, die sehr introvertiert ist, die mit sich selbst und auch mit ihrem Leben hadert und sich oft ganz anders wahrnimmt als ihr Gegenüber. Sie kämpft mit Selbstvorwürfen und als Josef ihr erzählt, wer er wirklich ist, steckt sie in einem tiefen Zwiespalt. Dann ist da Josef, dieser nette und freundliche alte Mann, der einst ein Lehrer war und mit dem sie schnell Freundschaft verbindet. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass dieser Mensch das begangen hat, von dem er erzählt. Beeindruckend, wie Picoult erläutert, wie er überhaupt dazu gemacht wurde und man bringt beinahe Verständnis für den Mann auf. Natürlich nur bis zu einem gewissen Punkt, doch es klingt durchweg glaubhaft. Minka konnte mich mit ihrer Geschichte am meisten berühren, ihre Geschichte ist bekannt, doch das wie es erzählt wird, wird dem Leser so nahe gebracht, dass er glauben kann, dass es sich hierbei wirklich um einen Augenzeugenbericht handelt. Dann ist da noch Leo, der bei einer US Behörde arbeitet und unter anderem ehemalige Kriegsverbrecher unter die Lupe nimmt und gegebenenfalls verhaftet. Er hat ein wenig Abstand zu dem Ganzen und gibt der ganzen Geschichte dann noch einmal eine Draufsicht. Alle Personen haben aber eines gemeinsam, sie wirken absolut authentisch und glaubwürdig.



    Alles in allem möcht ich gar nicht mehr über dieses Buch sagen, denn man muss es schon selber gelesen haben, um sich ein Bild über die wirklich ausgezeichnete Erzählkunst der Autorin machen. Sie hat hier ein Thema aufgegriffen, dass berührt und dabei hat sie so viel Gefühl in ihre Geschichte gebracht, dass es für mich lebendig wurde. Ein Thema, das mich gefangen genommen hat und mit ihren Worten hat die Autorin mich tief berührt.
    Mein Fazit:
    Anhand des Klappentextes wusste ich so gar nicht, wohin mich diese Geschichte führt und da ich wenig Rezensionen lese, bevor ich das Buch selbst gelesen habe, war ich umso überraschter, wohin mich dieses Buch mitnimmt. Ein Buch das eine perfekte Wiedergabe der damaligen Ereignisse ist und das durch seine durchweg authentischen Charaktere fesselt und berührt. Gefühlvoller Schreibstil und perfektes recherchieren runden die Geschichte ab und lassen mich tief betroffen und berührt, aber auch nachdenklich zurück. Gerade in unserer heutigen Zeit macht es Angst, wenn man liest, wie es dazu kam und umso trauriger macht es, dass die Menschen nie aus der Geschichte lernen. Ich könnte noch ewig über dieses Buch erzählen, hoffe aber auch, nicht zuviel vorweggenommen zu haben. Von mir gibt es auch für dieses Buch eine Leseempfehlung.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Ich bin ein großer Picoult Fan und habe fast alle ihrer Bücher verschlungen. Aber dieses setzt noch einen drauf und wird vermutlich mein absolutes Lieblingsbuch von ihr.


    Ihre Geschichten regen eigentlich immer zum Nachdenken an, aber dieses Buch hat mich tatsächlich berührt (was meist gar nicht so einfach ist) und ich wollte es keine Minute aus der Hand legen. Es ist nicht irgendeine Geschichte, die man einfach mal zwischendurch liest. Ich finde es wichtig, dass man sich mit großen Themen, wie dem Nationalsozialismus auseinandersetzt und wir sollten darauf achten, dass diese Zeit nicht in Vergessenheit gerät, daher finde ich den geschichtlichen Hintergrund in Verbindung mit dieser Erzählung einfach nur gelungen!


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: