Tim Parks - Mr. Duckworth sammelt den Tod / Painting Death

  • Klappentext:
    Morris Duckworth ist älter geworden, verheiratet mit Antonella, der dritten und ältesten Trevisan-Schwester, erfolgreicher Vorstand des Familienimperiums und Kunstsammler – von Gemälden, auf denen Gewalt und Tod abgebildet sind. So kann er seine freie Zeit in Betrachtung von Taten verbringen, von denen er hofft, sie niemals wieder selbst verüben zu müssen. Aber als Morris dem Museum der Stadt eine prächtige Ausstellung vorschlägt, um so alles, was er über Mord, Totschlag und Ästhetik weiß, mit der Welt zu teilen, werden ihm Hindernisse in den Weg gestellt, die auch in dem sanftesten Größenwahnsinnigen mörderische Instinkte hervorrufen. (von der Antje-Kunstmann-Verlagsseite kopiert)


    Zum Autor:
    Tim Parks, geboren 1954 in Manchester, wuchs in London auf und lebt seit 1981 in Italien. In vielen seiner Romane und erzählenden Sachbücher hat er das Leben in Italien thematisiert. Er hat das Werk von Italo Calvino, Roberto Calasso, Alberto Moravia und Machiavelli ins Englische übersetzt und lebt als Professor für Literarisches Übersetzen in Mailand. Zuletzt erschien von ihm "Italien in vollen Zügen" (Kunstmann 2014). (von der Antje-Kunstmann-Verlagsseite kopiert)


    Allgemeine Informationen:
    Originaltitel: Painting Death
    Erstmals erschienen 2014 bei Harvill Secker, London
    Aus dem Englischen übersetzt von Ulrike Becker
    Aus der personalen Perspektive Morris Duckworth’ erzählt
    21 Kapitel auf 444 Seiten


    Persönliche Meinung:
    Morris Duckworth ist in die Jahre gekommen und ruhiger geworden. Das heißt: Er hat erreicht, wonach er als junger Mann strebte, Reichtum, Ansehen und Einfluss; er hat zwei Kinder, die er sich schon mit seiner ersten Frau wünschte; seine derzeitige Ehefrau gefällt ihm zwar nicht, aber einen Serienmörder plagt doch kein schlechtes Gewissen wegen Ehebruchs!
    Das Morden hat er an den Nagel gehängt; bisher war er, seiner Ansicht nach, immer zum Töten gezwungen, und die Zwänge haben sich erledigt.
    Daher fehlen leider diesem dritten Band anfangs der Zündstoff und die Spannung, die sich bisher immer aus Mord und Angst vor Entdeckung zusammensetzten: Ein Mörder, der nicht mehr mordet, sondern stattdessen das geruhsame Leben eines ehrbaren Bürgers führt - wenig aufregend, wenig schillernd, wenig spektakulär.


    Morris hat sich dennoch nicht geändert; er ist noch ebenso von sich selbst überzeugt wie früher, noch genauso bereit, für den eigenen Vorteil in die Tasche zu greifen (seine eigene und die anderer), und er spielt überzeugend die Rolle des honorigen Wohltäters, Kunstmäzens und Familienvaters.


    Tim Parks inszeniert Tim Parks, indem er sich selbst auf die Schippe nimmt: Sah man ihn im ersten Band noch als den Engländer in Verona, der – ebenso wie Morris – seinen Platz suchte (wenn auch hoffentlich nicht mit den gleichen Mitteln), lässt er sich selbst jetzt in persona im Hintergrund einfließen als Tim Parkes, der Schriftsteller, der, wie in der Realität tatsächlich, in Florenz eine Kunstausstellung kuratiert und so zum Vorbild für Morris wird, der in Verona die Ausstellung „Der gemalte Tod“ plant. Einige der Gemälde stammen aus Morris’ Besitz, nicht alle tatsächlich von dem Maler, dessen Unterschrift das Bild ziert.
    Dann wird eine Leiche gefunden, ausgerechnet der Museumsdirektor, mit dem Morris Auseinandersetzungen wegen seiner Pläne hatte. Es stellt sich heraus, dass Morris’ Morde in den vergangenen Jahrzehnten anscheinend nicht unbemerkt blieben.


    Wie immer verteilt der Autor gekonnt Seitenhiebe auf England und Italien, in diesem Buch legt er sich auch mit der Kirche an. Und weil sie sich zwar ähnliche Vergehen zu Schulden kommen ließ wie Morris, aber einen größeren Einflussbereich hat, scheint er diesmal in einem Netz gefangen, das weitaus enger ist als das seiner bisherigen Verstrickungen, und man fragt sich: Während Morris keines seiner tatsächlichen Verbrechen bisher überführt wurde, wird er am Ende für eines belangt, das er nicht begangen hat???
    Ein gutes Beispiel für poetische Gerechtigkeit, andererseits ist der Gauner dem Leser doch ans Herz gewachsen …


    In die Lösung – man beachte: nicht alles, was der Leser erfährt, bekommt die italienische Polizei heraus – baut Parks einige Drehungen und Wendungen ein, einige davon überraschend, aber beinah zu viele, um den Überblick zu behalten.
    Es geht also drunter und drüber zwischen alten Verbrechen und neuen Ermittlungen, zwischen alten Bekannten und neuer Liebe. Der Leser vernimmt es mit Verwirrung.


    Ein Lieblingsautor ist nicht der, von dem man alle Bücher gut findet, sondern der, dem man auch einmal eine schwächere Veröffentlichung verzeiht. Ich verzeihe Parks.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)