Jean-Luc Bannalec - Bretonischer Stolz

  • Eine neue literarische Stimme macht sich seit einiger Zeit erfolgreich auf dem hart umkämpften deutschen Krimimarkt bemerkbar. Während viele Jahre lang erfolgreiche Serien wie etwa Donna Leons Romane um den Commissario Brunetti aus Venedig schon seit langem an Langeweile und immer mehr von dem Gleichen nicht zu überbieten sind, hat der in Deutschland und in Frankreich lebende Autor unter dem Pseudonym Jean Luc Bannalec sich mit seinem ersten Roman, seinen ersten Fall für Kommissar Dupin mit einem sogar von der etablierten Literaturkritik beachteten Paukenschlag zu Wort gemeldet.


    „Bretonische Verhältnisse“ und auch der zweite Band „Bretonische Brandung“ waren Kriminalromane, die uns nicht nur einen kantigen, menschlich authentischen Kommissar mit einer eigenen, kritischen Meinung präsentierten, sondern auch eine überaus spannende und anspruchsvolle Handlung. Daneben glänzten beide Bücher mit ganz wunderbaren Beschreibungen der einzigartigen Natur des Finstere und des Atlantiks.


    Während der dritte Band „Bretonisches Gold“ viele Schwächen und Längen hatte, kehrt Bannalec mit seinem vierten Band „Bretonischer Stolz“ nicht nur zur Qualität der ersten Bücher zurück, sondern übertrifft sie sogar.
    Dieses Mal geht es um Mordfälle, die in einem engen Zusammenhang stehen zum einen mit der Austernzucht im Belon, einem einzigartigen kleinen Fluss im Süden des Finistere und zum anderen mit der engen Verbindung zwischen den keltischen Ursprüngen der bretonischen Kultur und der in Schottland.
    Es beginnt damit, dass eine alte Filmdiva, die dort ihren Lebensabend verbringt, am Belon, dort wo die weltberühmten Belonaustern gezüchtet werden, kurz vor Ostern die Leiche eines Mannes entdeckt. Doch als die Polizei eintrifft, ist sie schon wieder verschwunden. Kurz darauf wird aus den sagenumwobenen Hügeln der Monts d` Arree eine weitere tote Person gemeldet, deren Identität völlig unbekannt ist.
    Gleichzeitig gehen Gerüchte von umfangreichen Sandräuben in der Gegend um, die Kommissar Dupin zunächst nicht so ernst nimmt, obwohl einer seiner Mitarbeiter sich wahnsinnig reinhängt in diese Sache und später von Dupin gegenüber dem Präfekten gedeckt werden muss. Doch das ist nur eine Nebenhandlung des Buches, dessen Hauptthema die Austern sind und der „bretonische Stolz“, der sich stützt auf eine alte Kultur, die die Bretonen mit vielen Brudervölkern verbindet und die im nach wie vor lebendigen Druidenkult ihre spirituelle Wurzel hat.


    Wieder ermittelt Kommissar Dupin mit seiner Mannschaft auf seine ureigene Weise. Im Büro hat er mit Nolwenn eine Mitarbeiterin, die ähnlich wie Brunettis Sekretärin nicht nur eine Unmenge an Beziehungen und Ortskenntnissen hat, sondern über die Bannalec seinen Lesern auch immer wieder interessante kulturgeschichtliche Informationen über bretonische Geschichte und Kultur vermittelt.


    Dupin ist ein eher introvertierter Ermittler, der ein, zwei Tage lang alles, was er sieht und beobachtet, einem dicken Notizbuch anvertraut. Seine Mitarbeiter und erst recht den Präfekten lässt er bis zur Lösung des Falles im Unklaren über sein Vorhaben, das ihm irgendwann in den letzten Stunden vor der endgültigen Auflösung glasklar vor Augen steht. So auch hier in dem neuen Fall, in dem zwei unbekannte Tote zunächst große Rätsel aufgeben. Doch nach und nach werden Beziehungen und Abhängigkeiten deutlich, die weit in die Vergangenheit zurückreichen.


    Dupin hat eine an Maigret erinnernde Art zu ermitteln, die seine Mitarbeiter fast zur Verzweiflung bringt, und seine Vorgesetzten erst recht. Jean-Luc Bannalec nimmt mit dieser Figur jeden Leser sofort gefangen. Er überzeugt in der Charakterologie seiner Personen ebenso wie in der Kunst, einen langen Spannungsbogen zu halten, der den Leser auf zahlreiche Spuren führt, bevor endlich das Geheimnis gelüftet wird.


    Während Donna Leon schon lange nichts mehr Neues schreibt, und auch Martin Walker nach fünf Bänden seines Chef de police Bruno etwas schwächelt, macht Andrea Camilleri mit seinem Montalbano vor, wie man über fast zwei Jahrzehnte ein immer hohes Niveau halten kann. Mit diesem vierten Band zeigt Bannalec, dass er in dieser Liga durchaus mitspielen kann. Wie lange wird sich mit den nächsten Büchern zeigen


    Bannalecs Bücher sind so etwas wie Reisebeschreibungen und Kulturführer im Gewand eines unterhaltsam daherkommenden Kriminalromans. Hart gesottene Krimifreunde enttäuscht so etwas, aber Leser, die die Gegend kennen, in der das Buch spielt oder sie kennenlernen wollen, sind verständlicherweise sehr begeistert.

  • Für mich sind diese Bücher, und da macht der "Bretonische Stolz" keine Ausnahme, keine wirklichen Krimis. Bannalec bietet vielmehr das, was der Deutsche sich so unter der Bretagne vorstellt. Und da manchem ein reines Reisebuch zu fad ist, wird eine Krimihandlung darum gesponnen, mit viel kulinarischen Einschüben und wenig krimineller Finesse. Das war bei den bretonischen Vorgängern so und das ist hier nicht anders. Ganz nett zu lesen, aber "ganz nett" ist bekanntlich die Schwester von... Na ja, so schlimm ist es nicht, aber letztlich ist das hier Kluftinger auf französisch. Nett zu lesen, aber keine Offenbarung.
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  • Bannalec bietet vielmehr das, was der Deutsche sich so unter der Bretagne vorstellt.

    Warst Du schon mal dort?


    Klar bedient Bannalec viele Klischees, gerade bei den Figuren, aber ich finde schon, dass er die Bretagne ziemlich gut porträtiert.

  • aber ich finde schon, dass er die Bretagne ziemlich gut porträtiert.

    Das finde ich auch :) obwohl ich noch nie dort war, habe aber Vieles beim Lesen des Buches im Internet recherchiert :thumleft:




    Na ja, so schlimm ist es nicht, aber letztlich ist das hier Kluftinger auf französisch.

    Das finde ich überhaupt nicht, hat absolut nix mit Kluftinger zu tun und ist nicht zu vergleichen :|

    ☆¸.•*¨*•☆ ☆¸.•*¨*•☆ La vie est belle ☆¸.•*¨*•☆☆¸.•*¨*•☆

  • Das finde ich auch :) obwohl ich noch nie dort war, habe aber Vieles beim Lesen des Buches im Internet recherchiert :thumleft:

    Ich kann es auch aus reichlicher Vor-Ort-Erfahrung bestätigen.

  • Ich kann es auch aus reichlicher Vor-Ort-Erfahrung bestätigen.

    Und ich habe aufgrund des neuesten Bandes "Bretonische Flut" richtig Lust auf Vor-Ort-Erfahrung bekommen :wink:
    Haben uns bereits ausführlich im Internet informiert :) Vielleicht klappt es ja nächstes Jahr :-k

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  • Wir fahren schon lange in die Bretagne, aber zu unserem ersten Abstecher nach Concarneau hat uns tatsächlich Monsieur Dupin inspiriert. Das L'Amiral gibt es wirklich, wir haben da einen petit café auf den Kommissar getrunken :lol:

  • Unweit des berühmten Austerngebiets am Belon findet eine alte Dame einen Toten und meldet den Fund sofort, doch bis die Polizei auftaucht, ist von der Leiche keine Spur mehr zu sehen. Da die angebliche Finderin, eine ehemalige bekannte Schauspielerin, als exzentrisch und auch schon ein wenig wirr im Kopf gilt, macht man sich darüber nicht allzu viele Gedanken.


    Bis in den Monts d'Arrée, fast hundert Kilometer entfernt, wenig später ebenfalls eine Leiche gefunden wird und Commissaire Dupin hellhörig wird. Die Identifikation dieses Mannes deutet auf Verbindungen zum Austernzuchtmilieu hin. Also scheint es doch einen Zusammenhang zu geben - fragt sich nur, welchen genau ...


    Es ist ein verschlungener Fall mit zahlreichen falschen Fährten, den Dupin diesmal an der Backe hat. Er steigt tief in die Materie des Austerngeschäfts ein und erfährt ziemlich viele Einzelheiten (die auch für den Leser interessant sind - der Erklärbär-Stil, in dem sie oft dargeboten werden, macht allerdings nicht immer Freude). Geklauter Sand spielt ebenfalls eine Rolle und ist beileibe nicht so eine Lappalie, wie man annehmen möchte. Und schließlich kommt auch dem erstaunlicherweise heute noch existenten Druidentum und der "interceltisme", der länderübergreifenden Pflege keltischer Traditionen, ein wichtiger Part zu, so dass es Dupin gar nicht leicht fällt, die tatsächlichen Hintergründe der Morde zu eruieren.


    Sein Dauerclinch mit dem Polizeipräfekten wird in diesem Band noch einmal ziemlich auf die Spitze getrieben und die Running Gags der Serie natürlich auch fleißig bemüht, während Assistentin Nolwenn, nach wie vor aufs Allerbeste vernetzt, aus dem Off die Fäden zieht und stets zur Stelle ist, wenn man sie braucht.


    Das liest sich zwar leider wieder ein wenig konstruiert (in dieser Hinsicht gefiel mir der Vorgängerband deutlich besser), ist aber dennoch spannend und findet eine überraschende und überzeugende Auflösung. Und der Schauplatz Bretagne ist nun mal einer meiner allerliebsten.