Stefan Zweig - Die Hochzeit von Lyon und andere Erzählungen

  • Autor: Stefan Zweig
    Titel: Die Hochzeit von Lyon und andere Erzählungen
    Seiten: 182 Seiten
    Verlag: Fischer
    ASIN: B00J483CNQ


    Der Autor: (aus @'Squirrel's Rezi zur Schachnovelle kopiert)
    Stefan Zweig (28.11.1881, Wien – 23.02.1942, Petropolis, Brasilien) lebte von 1919 bis 1934 in Salzburg, emigrierte danach nach England (dessen Staatsbürgerschaft er annahm) und 1941 über die USA nach Brasilien. Früh als Übersetzer Verlaines, Baudelaires und vor allem Verhaerens hervorgetreten, arbeitete er als Journalist und veröffentlichte 1901 seine ersten Gedichte unter dem Titel „Silberne Saiten“ sowie 1904 seine erste Novelle. Sein episches Werk machte ihn ebenso berühmt wie seine historischen Miniaturen und die biographischen Arbeiten. Allerdings hat Stefan Zweig nur einen einzigen Roman (Ungeduld des Herzens) vollendet, ansonsten schrieb er Erzählungen und Novellen. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden Stefan Zweigs Werke erst in Österreich, nachher in Schweden in deutscher Sprache aufgelegt – so hatte er stets weiter sein Publikum und damit auch sein Einkommen. Zeit seines Lebens war Zweig ein strikter Pazifist, der den Krieg ablehnte und dem Schriftsteller jede politische Rolle absprach – diese Haltung entzweite ihn mit vielen im Exil lebenden Schriftstellern. Erst im Nachhinein, als der „gute“ Krieg soviel Böses und Zerstörung gebracht hatte, fingen Kollegen an, diese Haltung etwas differenzierter zu betrachten (z.B. Thomas Mann).
    Von seiner ersten Frau wurde Stefan Zweig geschieden, hielt jedoch zeitlebens immer Kontakt. Im Februar 1942 nahm er sich das Leben, vermutlich durch depressive Zustände ausgelöst, die ihn seit langem quälten; seine zweite Frau ging diesen Weg mit ihm. In seinem damaligen Haus in Petropolis ist heute ein Museum eingerichtet. Seine Erinnerungen erschienen unter dem Titel „Die Welt von Gestern“ postum 1944 (Angabe Fischer-Verlag). Mit dem deutschen Schriftsteller Arnold Zweig ist Stefan Zweig nicht verwandt. (Quelle: Fischer-Verlag / Wikipedia)


    Inhalt: (Klappentext, gekürzt)
    Die gesammelten Texte nehmen die gerade gewonnenen Erkenntnisse der zeitgenössischen Psychologie auf und werden Ihnen in Personenführung und Handlung gerecht. Dabei bestimmen Wortwahl und Satzbau, besonders in der Erzählung "Angst", die Intensität von Pathos und Dramatik. Thema dieser Erzählungen ist die sinnlose, durch Verdrängung bedingte Tabuisierung des Sexuellen und der Aufruf zu ihrer Überwindung. Stefan Zweigs Denken und Schreiben ist hier wie immer bestimmt von der Teilnahme am Schicksal des einzelnen, den er als Ganzes begreift.


    Scharlach, erschien erstmals 1908, 56 Seiten:
    Der junge Medizinstudent Berger kommt nach Wien und findet sich leider so gar nicht zurecht: ziemlich sensibel, verträumt, ohne Energie und Tatendrang vertrödelt er die Zeit, ohne Anschluss zu finden an die studentischen Burschenschaften, die High-Society Wiens, oder wenigstens die Liebe zu finden. Das städtische Leben hatte er sich ganz anders vorgestellt. Ein wenig Kontakt hält er zu seinem Nachbarn Schramek und dessen Freundin Karla, die er für deren Lebensfreude und Unkompliziertheit bewundert. Über die Zeit wird er depressiv, vernachlässigt sein Studium und verliert jeglichen Lebenswillen. Erst als die Tochter seiner Vermieterin an Scharlach erkrankt, findet er ins Leben zurück, ahnt etwas von Liebe, wenn auch nur von kurzer Dauer.
    Eine sehr traurig geschriebene Geschichte, die das Streben eines sensiblen, nachdenklichen Aussenseiters nach Anschluss an das bunte, ereignisreiche Leben der heiteren Gesellschaft mit gelungener Intensität beschreibt. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    Leporella, erschien erstmals 1929, 25 Seiten
    Die Hausmagd Crescentia ist still, leidensfähig, einfältig und dumpf. Ihre Herrin hat mit ihrer schlechten Laune noch jede Dienerschaft verjagt und auch der Baron leidet unter seiner Gattin. Als dieser sich während eines Kuraufenthalts seiner Frau mit diversen Liebschaften vergnügt, spielt Crescentia die Kupplerin, erfreut sich an der Mitwisserschaft des unehelichen Treibens und geniesst die Sympathie des ihr verehrten Barons. Nach der Rückkehr der Herrin kommt es allerdings zur Katastrophe... Eine mittelmässige Kurzgeschichte mit unsympathischen Charakteren und vorhersehbaren Ende. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:


    Angst, erschien erstmals 1920, 60 Seiten
    Frau Irene, verheiratet mit einem erfolgreichen Anwalt, Mutter zweier Kinder und mit Anfang 30 bereits ein wenig vom Leben gelangweilt, beginnt weniger aus Liebe, sondern mehr aus Abenteuerlust heraus ein Verhältnis mit einem jungen Pianisten. Die Aufregung und das Kribbeln des Verbotenen steigern sich ungewollt, als plötzlich eine Erpresserin auftaucht. Nun droht das bequeme, luxuriöse Familienleben in sich zusammen zu fallen, wenn der Ehemann, die Familie, ihr Umfeld von der Affäre erfahren. Immer wieder taucht die Erpresserin auf, verlangt jedesmal höhere Beträge...die Angst der betrügenden Ehefrau steigert sich von angespannten Nerven über Verfolgungswahn, zur Panik...bis zum überraschenden Ende.
    Eine genial geschriebene Novelle, die eindrucksvoll die Gefühle einer gehetzten, verängstigten Frau beschreibt, die erst vor dem Zusammenbruch ihres Familienlebens bemerkt, wie gut es ihr eigentlich ging, und dass sie eigentlich einen vertrauensvollen Ehemann hat, den sie unterschätzt. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:
    Zu diesem Buch gibt es übrigens bereits einen eigenen Thread, weil die Novelle auch einzeln erhältlich ist.


    Die gleich-ungleichen Schwestern, erschien erstmals 1945, 24 Seiten
    Die beiden bildhübschen Zwillingsschwestern Helena und Sophia sind ehrgeizig und in gegenseitigem Wettbewerb, welche nun von ihnen die schönere, intelligentere, erfolgreichere Schwester ist. Helena schlägt eine überaus erfolgreiche Karriere als Hetäre / Edelprostituierte ein, und wird dank der vermögenden Freier rasch sehr reich. Sophia möchte diesen lasterhaften Weg nicht gehen, sondern ihre Schwester durch Tugendhaftigkeit und Ansehen übertrumpfen. Sie geht als Nonne ins Kloster und kümmert sich dort um die Pflegebedürftigen. Beide werden auf ihre Art über die Grenzen berühmt. Eine Wette zwischen den Geschwistern soll endgültig aufzeigen, welche die Überlegenere ist.
    Eine "conte drôlatique", so der Untertitel, ist diese frivol-derbe Erzählung. Ganz unterhaltsam, aber wird man nach dem Lesen auch rasch wieder Vergessen. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    Die Hochzeit von Lyon, erschien erstmals 1927, 9 Seiten
    Während der Französischen Revolution war Lyon das Hauptwiderstandszentrum gegen den Nationalkonvent im südlichen Frankreich. Daher sollte Lyon 1793 zu einer "Stadt ohne Namen" gemacht werden: Tausende von Bürgern wurden gefangen genommen, hingerichtet und Häuser abgefackelt. In diesen historischen Kontext fällt die Geschichte eines Liebespaares, das sich am Vorabend seiner Hinrichtung in einem Gefangenenlager wieder trifft und mit seiner Vermählung die Atmosphäre unter den Gefangenen aufs Wundersame verwandelt.
    Wirklich beeindruckend, welch eine stimmungsvolle Geschichte ein guter Schriftsteller auf weniger als zehn Seiten erzählen kann. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    Fazit: Vor allem die beiden Novellen "Scharlach" und "Angst" fand ich sehr spannend und absolut empfehlenswert. Beide Geschichten wurden auch als Einzelband veröffentlicht. Allerdings hat mich dieser kleine Sammelband überzeugt, dass von Stefan Zweig nicht nur die bekannte "Schachnovelle" lesenswert ist, sondern auch die weniger bekannten Geschichten das Talent des Ausnahmeschriftstellers bezeugen. Noch ein Autor, von dem ich eigentlich noch viel mehr lesen möchte!

  • Allerdings hat mich dieser kleine Sammelband überzeugt, dass von Stefan Zweig nicht nur die bekannte "Schachnovelle" lesenswert ist, sondern auch die weniger bekannten Geschichten das Talent des Ausnahmeschriftstellers bezeugen. Noch ein Autor, von dem ich eigentlich noch viel mehr lesen möchte!

    Da hätte ich zwei Empfehlungen für dich. Einmal die Erzählung >Brief einer Unbekannten< und zum anderen die wunderbaren Kurzgeschichten aus >Phantastische Nacht<.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Ich und die anderen

  • Ergänzend zu den Empfehlungen von @taliesin kann ich dir noch "Sternstunden der Menschheit" und "Ungeduld des Herzens" nennen.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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