Mechthild Borrmann -Die andere Hälfte der Hoffnung

  • Kurzmeinung

    Murphy12
    spannend und mitreißend geschrieben- dabei aber auch brutal ehrlich- melancholische Grundstimmung
  • Kurzmeinung

    Dandy
    Spannende, aber schwermütige Geschichte ohne Gewinner. Kein Wohlfühlbuch.
  • Mit "Die andere Hälfte der Hoffnung" legt Mechtild Borrmann erneut ein beeindruckendes Buch vor, in dem sie geschickt die Vergangenheit mit der Gegenwart verknüpft.


    Das Buch teilt sich zu Beginn in drei Handlungsstränge auf. Da ist zum einen Walentyna, eine ältere Frau, die in der verbotenen Zone um den Unglücksreaktor von Tschernobyl lebt. Sie schreibt einen Brief an ihre Tochter, die als Studentin nach Deutschland gegangen ist und dort verschollen scheint. So erlebt man als Leser die Geschichte des atomaren GAUs hautnah aus Augenzeugensicht mit. Walentyna beschreibt, wie stolz und glücklich sie waren, damals dort arbeiten zu dürfen, wie später das Unglück erst kleingeredet wurde und doch ihr ganzes weiteres Leben beeinflusste.


    Parallel hierzu wird erzählt, wie in Deutschland, nahe der holländischen Grenze, eine junge Frau ihren brutalen Zuhältern entkommt und sich auf den Hof von Matthias Lessmann retten kann. Der Witwer lebt sehr zurückgezogen und spricht oft tagelang nur mit seinem Hund und seinen Schafen. Dennoch fühlt er sich von dem hilflosen Mädchen berührt und gibt ihr bei sich Unterschlupf und Schutz. Sie fasst nach und nach Vertrauen zu ihm und bittet ihn, nach ihrer Freundin zu suchen, die sie in der Gewalt der Zuhälter zurücklassen musste.


    Der dritte Erzählstrang handelt von dem ehrgeizigen ukrainischen Ermittler Leonid, der mit seiner Abteilung in Fällen von zahlreichen verschwundenen Mädchen ermittelt. Er kommt in Kontakt mit Walentyna, die all ihre Hoffnungen, ihre Tochter Kateryna wiederzufinden, in ihn setzt. Doch seinen Vorgesetzten gehen Leonids Nachforschungen zu weit und so muss er sich auch gegen interne Widerstände behaupten und durchsetzen.


    Natürlich weiß man als Leser, dass diese drei Handlungsstränge sicher irgendwie miteinander verbunden sein müssen, doch die genauen Verbindungspunkte ergeben sich erst nach und nach ähnlich wie bei ihrem letzten Buch „Der Geiger“, von dem ich in einer Rezension schrieb:
    „‘Der Geiger‘ ist ein bewegendes und erschütterndes Buch, dem es gelingt, ohne große Effekte das System des russischen Terrors in den Straflagern zu schildern und seine Ausläufer bis in die Gegenwart. Die historischen Fakten sind gut recherchiert und bieten dem Leser gute Informationen über dieses System.


    Es ist spannend zu lesen und ganz hervorragend komponiert in den sich aufeinander zu bewegenden Erzählsträngen.“
    Gleiches gilt – nur mit andrer Hauptthematik auch für dieses Buch. Eine Geschichte voller Schwermut über verlorenes Glück, über den menschenverachtenden Umgang der Sowjetunion mit der nuklearen Katastrophe von Tschernobyl, und über den grausamen Umgang mit Menschen im Zusammenhang mit Menschenhandel und Prostitution.


    Eine Geschichte aber auch über Menschen, die nicht aufgeben und kämpfen um ihr Leben und ihre Selbstachtung.

  • Seit dem Tod seiner Frau lebt Matthias Lessmann als etwas verschrobener Einzelgänger auf seinem Hof unweit der niederländisch-deutschen Grenze. Menschen sieht er am liebsten von weitem, doch als eine sichtlich verzweifelte junge Frau bei ihm auftaucht, kann er nicht anders, als ihr Unterschlupf zu gewähren.


    In der Ukraine, nahe der Todeszone um Tschernobyl, vermisst Walentyna ihre Tochter, die zum Studieren nach Deutschland ziehen wollte. Es ist viel zu lange her, dass sie zuletzt von ihr gehört hat, und sie macht sich große Sorgen. Dabei hat Walentyna in ihrem Leben schon wahrlich genügend Verluste erlitten. Infolge der Reaktorkatastrophe musste sie nicht nur von ihrem Zuhause, sondern auch von geliebten Menschen Abschied nehmen und fürchtet umso mehr um das Wohlergehen des Mädchens.


    Dass die beiden Handlungsstränge miteinander in Verbindung stehen müssen, war mir von Anfang an klar, doch worin genau diese besteht, hat mich tief erschüttert und bewegt (und dass die Ukraine derzeit erneut mit schrecklichen Nachrichten die Schlagzeilen beherrscht, hat das Ganze irgendwie noch trauriger gemacht). Ungeschminkt, aber gleichzeitig auch mit viel Fingerspitzengefühl widmet sich Mechthild Borrmann gleich mehreren schweren Themen: dem Super-GAU vom 26. April 1986, den Vertuschungsversuchen, den körperlichen und seelischen Spätfolgen - und auch dem großen Wunsch junger Menschen nach Freiheit und Wohlstand, den sich Schlepperbanden und Menschenhändler auf widerliche Weise zunutze machen.


    Kein Wohlfühlbuch also, aber ein hochspannender Roman über brisante Themen, die auch heute noch, gut 10 Jahre nach Erscheinen des Buches, leider noch aktuell sind.