Viktor Pelewin - Snuff (Start: 29.05.15)

  • Amen, ich sage Euch: der russische Prophet, der den Namen Viktor Pelewin trägt, verkündet die Trinität der modernen Herde Gottes gläubigen Herde Manitus.

    Das goldene Kalb um das schon unsere europäischen Vorfahren tanzten bis der Arzt kam ist halt vielfältig verwendbar. Jetzt heißt das Ding Manitu und ist gleich dreimal
    vorhanden. TOLL!!!!


    zu Kapitel 11

    ich muss sagen, Das klingt für mich irgendwie nach so einem ost-asiatischen Herumgekinkere - ich meine, das lässt sogar das Kamasutra ein bisschen blass aussehen, oder?

    Für unseren neuen Propheten Pelewin ist das Kamasutra eben Kinderkram und er lässt sich noch etwas verrückteres einfallen. Ganz nach der Devise; da setz ich jetzt
    noch einen drauf.


    Sie droht Damilola unter demütigenden Beleidigungen damit, nie wieder in diesen Genuss zu kommen, wenn er nicht auf der Stelle grimm rettet ... jetzt hält sie Damilola buchstäblich bei den Eiern (sorry , aber von dieser Sure kann man als Frau wirklich in Sachen Hinterfotzigkeit einiges lernen ).

    Also, ich mag die Roboterdame, eben weil sie den Blödmann jetzt endgültig gefressen hat. Sie hat seine Schwäche angepirscht und nutzt das jetzt gnadenlos
    gegen das Arschgesicht aus. Der Kerl hat ja sowas von verloren.................. :loool:


    Was ich nicht so recht verstehe, ist die Vehemenz mit der die Obermanipulatoren unbedingt Chloe retten wollen. Alle anderen, inklusive Grimm sind nur Kanonenfutter.
    Was ist denn an der kleinen Folterbratze so besonderes?.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Bad Monkeys

  • Was ich nicht so recht verstehe, ist die Vehemenz mit der die Obermanipulatoren unbedingt Chloe retten wollen. Alle anderen, inklusive Grimm sind nur Kanonenfutter.
    Was ist denn an der kleinen Folterbratze so besonderes?.

    Stimmt. Hatte ich nicht mehr daran gedacht. Ich hatte zwar noch einige wenige Kapitel weiter gelesen, aber das ist schon fast zwei Wochen her, und irgendwie springt die Erinnerung nicht an :scratch: . Bleibt nichts anderes als weiterlesen ... :study:

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Kapitel 12 (Spastika), S. 224 bis 242 (das ist das letzte Kapitel des ersten Teils):




    Grimm und Chloe haben nach einem trauten Schäferstündchen in Bernard-Henris Haus ein wenig geschlafen. Mittlerweile scheint Chloe bereits wieder dabei zu sein, Bernard weiter zu foltern. Grimm fragt sich auf Seite 225:

    Zitat von Viktor Pelewin

    Man sollte nie die edelsten Gefühle eines Mädchens kränken … Ob sie mich im Falle eines Falles auch so behandeln würde?

    Es bleibt mir unklar, welche Chloes „edelste Gefühle“ sein sollen – habe ich was verpasst?



    Grimm denkt an eine Stelle aus dem Buch der Orkasmen (auch auf S. 225):


    Zitat von Viktor Pelewin

    Doch es gibt da noch einen geheimen Zusatz. Er besagt, dass die Geister mit dir sein werden und du in der Lage sein wirst, Lieder und Gedichte zu schreiben …

    Da fragt man sich doch sofort, ob dieser Protagonist seinen Namen als Allusion auf unsere berühmten Herren Märchenerzähler erhalten hat. Der äußerst poetische Titel seines ersten Vierzeilers, mit dem Grimm den unerwarteten Genuss des Verseschreibens kennenlernt, lautet übrigens „Die Heimat ist der letzte Scheiß“.




    Chloe zeigt sich sehr kalt und pragmatisch. Sie macht Grimm ohne Umschweife klar, dass sie Versen nichts abgewinnen kann und das für einen völlig unbekannten Ork keine Beschäftigung mit Zukunft ist, sofern man kein Geistlicher (wie Knilch?) werden will. Zitat Chloe (S. 226):


    Zitat von Viktor Pelewin

    Und wovon werden wir leben, bis sie dich kennenlernen?

    Da ist es, dieses selbstverständliche und klitzekleine, jedoch grausam ernüchternde Wörtchen „wir“, das Grimm als Folge des Auslebens seines fleischlichen Triebs mit Chloe gleich die gesamte belastende Verantwortung ihrer beider Zukunft aufbürdet.




    Da Chloe so ganz beiläufig erwähnt, dass Bernard-Henri bei ihrer morgendlichen Beschäftigung endgültig drauf gegangen sei, planen die beiden jetzt ihre Flucht in Bernard-Henris Jeep. Denn einen Diskurskrämer, also einen „von denen da oben“ umgebracht zu haben (denn sie sind ja die Mächtigen) wiegt bei den Orks verständlicherweise als besonders schweres Verbrechen. Man merkt gleich, dass Chloe ein Ork-Mädchen aus „besserem Hause“ ist: sie kann Grimm sofort erklären, wie so ein Motorenwagen zu bedienen ist.
    Es kommt zu einem abenteuerlichen Fluchtversuch durch die Reihen der Ganju-Berserkern vor dem Häuschen. Die beiden sehen sich bereits als umstellt und deshalb als verloren, als plötzlich Damilolas Hannelore auftaucht, Grimm und Chloe rettet und ihnen bedeutet, ihr zu folgen.


    Sie kommen im Jeep des toten Diskurskrämers widerstandslos bis zum Schlachtfeld auf der Slawa durch, auf der sich die Aufräumungsarbeiten nach dem Krieg in vollem Gange befinden (herumliegende Körperteile beseitigen, Leichen in Gräber werfen und Erde zu Grabhügeln aufwerfen, ein maschinelles Riesenmammut der Herrschaften, das von den Orks zunichte gemacht werden konnte, muss ebenfalls beseitigt werden).



    Grimm und Chloe wissen nicht so recht, was jetzt folgen wird, doch Chloe schlägt auf S. 241 vor, einen von Bernard-Henris Ratschlägen zu befolgen und mit einem strahlenden Lächeln in die Gegend zu winken:


    Zitat von Viktor Pelewin

    „Bernard-Henri sprach davon“, antwortete Chloe, „dass ein Mensch heutzutage – wenn er kein Ork ist, natürlich – ständig darauf achten sollte, wie er aussieht, und sich immer so benehmen sollte, als stünde er vor der Kamera. Denn die Aufnahme kann jederzeit beginnen.“


    :shock: Uaaahhh, das klingt stark nach Paparazzi und gleichzeitig nach Millionen von Leuten, die mit stupider Vehemenz daran glauben, dass die Zeit ihrer wohlverdienten Berühmtheit ganz sicher kommen werde.



    Dann tut sich aus dem Nichts eine geheimnisvolle Tür auf (S.242):

    Zitat von Viktor Pelewin

    Auf der Schwelle zur neuen Welt stand ein äußerst feister Mann mit einem Büschel Blumen in der Hand. Er hatte einen weiten bunten Kittel an …




    Sein gütiges Gesicht strahlte vor Glück. Es sah so aus, als freue er sich schrecklich, Grimm und Chloe zu sehen – oder aber er wusste einfach, dass er von mehreren unsichtbaren Kameras gleichzeitig gefilmt wurde.

    Man merkt es gleich: es ist niemand anderes als Damilola Karpow, der die beiden Orks willkommen heißt. Ob er sich nun schrecklich freut über ihre Ankunft oder nicht, dass wird sich wohl in den nächsten Kapiteln weisen. Der Grund für die Spezial-Rettungsaktion der beiden ist allerdings immer noch nicht geklärt.

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  • zu Kapitel 12

    Es bleibt mir unklar, welche Chloes „edelste Gefühle“ sein sollen – habe ich was verpasst?

    Dann haben wir das zusammen verpasst. Die Kleine ist eiskalt und so gnadenlos, dass Grimm sich wirklich fragen sollte was denn passiert, wenn es mal nicht nach ihrem
    Willen geht.
    Schlimm fand ich übrigens auch die Szene in der Grimm die Schreie des gefolterten Bernard hört und sich trotzdem seinem vom Propheten zugeteilten Hobby des
    Schreibens von Gedichten widmet. Da bekomm ich mal richtig das :puker:



    Himmel @Hypocritia , es gibt hier einfach kein menschliches Wesen, das man trotz Schwächen und Ecken/Kanten noch so eingermaßen symphatisch finden könnte.
    Das einzige Wesen dem ich hier zumindest ein kleines Maß an Menschlichkeit zustehen würde, ist eine künstlich erschaffene Frau. Herrn Pelewin kann man so einiges
    nachsagen, aber nicht, dass er zu den Philantropen zählt.

    Da ist es, dieses selbstverständliche und klitzekleine, jedoch grausam ernüchternde Wörtchen „wir“, das Grimm als Folge des Auslebens seines fleischlichen Triebs mit Chloe gleich die gesamte belastende Verantwortung ihrer beider Zukunft aufbürdet.

    Er kommt ihr wohl gerade recht, unser naiver kleiner Grimm. Den benutzen wir doch gleich mal und zwar so lange bis er seinen Nutzen aufgebraucht hat.

    Man merkt es gleich: es ist niemand anderes als Damilola Karpow, der die beiden Orks willkommen heißt. Ob er sich nun schrecklich freut über ihre Ankunft oder nicht, dass wird sich wohl in den nächsten Kapiteln weisen. Der Grund für die Spezial-Rettungsaktion der beiden ist allerdings immer noch nicht geklärt.

    Was für eine Szene, wie dieser heuchlerische, hinterfotzige Arsch mit seinen Blümchen und seinem falschen Lächeln die beiden begrüßt. Der freut sich überhaupt nicht.
    Da steckt sicher etwas anders dahinter............... :wuetend:
    Habe ich mich aufgeregt über dieses Kapitel................Ich köchele immer noch vor mich hin.

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  • Himmel @Hypocritia , es gibt hier einfach kein menschliches Wesen, das man trotz Schwächen und Ecken/Kanten noch so eingermaßen symphatisch finden könnte.
    Das einzige Wesen dem ich hier zumindest ein kleines Maß an Menschlichkeit zustehen würde, ist eine künstlich erschaffene Frau. Herrn Pelewin kann man so einiges
    nachsagen, aber nicht, dass er zu den Philantropen zählt.

    Naja, er besitzt wohl kein Fünkchen Illusion mehr bezüglich der Menschheit. Das kann ich sogar halbwegs nachvollziehen. Insgesamt werde ich persönlich weniger wütend als bedrückt, wohl weil mich oft eine ähnliche ohnmächtige Resignation überkommt, wenn ich mir anschaue, was in der Welt passiert.



    Was für eine Szene, wie dieser heuchlerische, hinterfotzige Arsch mit seinen Blümchen und seinem falschen Lächeln die beiden begrüßt. Der freut sich überhaupt nicht.
    Da steckt sicher etwas anders dahinter...............
    Habe ich mich aufgeregt über dieses Kapitel................Ich köchele immer noch vor mich hin.

    Naja, ein klitzekleines bisschen merkt man Dir schon an, dass Du Dich aufregst ... :friends: Ich könnte allerdings jetzt auch mal zwischendurch jemand Netten gebrauchen. Ich würde jetzt sogar mal einen ideologisch komplett verklärten Charakter hinnehmen (zumindest für ein paar Seiten, und wenn er witzig 'rübergebracht wird) - aber den Wunsch kann ich mir sicherlich in die Haare schmieren, so wie das bisher zugegangen ist in diesem Buch - allein vom Titel her, "SNUFF", was ja wohl die perverseste und abartigste Form der Unterhaltung an und für sich ist, wenn man es recht bedenkt. Und wir haben deshalb ein Wort für diese Art von Unterhaltung, weil sie tatsächlich existiert. Das allein ist schon über die Maßen ttraurig.

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  • Zweiter Teil - Asche von Pupophilen


    Kapitel 1


    Grimm und Chloe sind also erst einmal in sicheren gefilden, obwohl Grimm im Grunde nur durch seine Cinews Kappe dem Tod entronnen ist. Die Kappe gefiel den
    Sommeliers und als aus dem Krieg gerettetes Pärchen machen die beiden sich in den Nachrichten recht gut. Überhaupt wird die ganze Story der Rettung so manipuliert,
    verfälscht und auf den Kopf gestellt, dass sogar Bernard-Henry wie ein edelmütiger Held dasteht.



    Zitat von V. Pelewin

    Die Sendung über die geretteten Orks ging so auf natürliche Weise in eine Gedenksendung zu Ehren Bernard-Henris über - die Zuschauer wissen
    eine solche Spontaneität in Live-Übertragungen sehr zu schätzen.

    Ja klar, dass ist äußerst spontan :roll: Eigentlich gar nicht so überzogen, denn wenn man betrachtet wie Nachrichten auch in modernen Zeiten entstellt, zerfleddert und auf
    den Kopf gestellt werden, ist es bis dahin nicht sehr weit.


    Ha, da Bernard Chloe adoptiert hat, erbt sie sein Haus und wird somit Nachbar von Arschgesicht, der dann auch noch zum Mentor des orkschen Paares bestellt wird.


    Damiola dreht sich aufgrund der von Kaya so schön eingefädelten Dopamin - Resonanz komplett im Kreis. Für Damiola ist das Ganze ein Programmierfehler, aber er ist
    komplett gefangen und philosophiert tatsächlich über höhere Bewussseinsstufen die er durch Kayas Praktiken erfährt.
    Na klar, das kennen wir doch! hattest du @Hypocritia nicht schon davon geschrieben, dass es dir vorkommt wie esoterisches Gewurschtel der aktuellen Art?
    Klingt nach Tantra Techniken und natürlich macht es den Gefangenen zwar glücklich, aber auch abhängig. Mit Sex direkt ins Nirwana. So einfach ist das!


    Für Damiola wird es aber zum Problem, denn er ist erpressbar und Kaya hat einen Heidenspass, denn ihm fällt keine Gegenmaßnahme ein bei der er nicht auf seine
    neue Bewusstseinsstufe verzichten müsste. Dazu schreibt er folgendes: Ach tut er mir da leid............... :-,



    Zitat von V.Pelewin

    Alles was mir, einem lebenden und leidenden Menschen, angetan wurde, ging von einem seelenlosen Algorithmus aus, den ich selbst zu meinem eigenen
    Vergnügen so eingestellt hatte.

    Ein kleiner Spruch aus Kölle: It jitt kin jrößer Leid als wat der Minsch sich selfs andeyt


    Ich möchte hier nicht auslassen, dass Damiola in all seiner Verwirrung auch mal etwas Wahres herauslässt, allerdings immer auf der Basis der Dopamin-Resonanz.
    Nehmen wir das heraus, hört sich folgendes eher nach buddhistischem Gedankengut an.



    Zitat von V. Pelewin

    Und ich begriff, dass es in der wahren Wirklichkeit kein Glück gibt, dem wir unser ganzes Leben lang qualvoll hinterher hechten, und auch kein Leid, sondern
    lediglich diesen erhöhten Punkt an dem es keine Fragen gibt und keine Zweifel (...)

    Den Teil mit Manitu und der Vertreibung aus dem Paradies lass ich bewusst raus. (Das macht das schöne Zitat kaputt........ :uups:


    Damiola hat das Ganze natürlich völlig falsch verstanden, ihm geht es nur darum sein Selbstmitleid an die Frau zu bringen und Frau ist für ihn wie eine Gummipuppe.
    Beide haben keine Ahnung wenn Mann von etwas Höherem spricht. Wieder so ein Frau/Mann Ding, dass dir sicher Freude macht Hypocritia.


    Die Nummer mit dem Selbstmitleid klappt gar nicht und Kaya stellt drei Bedingungen:


    1. Das Ausschalten der elektronischen Fessel, damit sie ab und an das Haus verlassen kann.
    2. Er darf sie nicht mehr auf Pause stellen.
    3. Sie möchte Grimm kennenlernen.



    Das könnte interessant werden, denn der Algorithmus hat einen Plan, oder?

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  • Erst einmal möchte ich mich dafür entschuldigen, dass ich so lange nicht geantwortet habe. Ein paar anstehende Angelegenheiten ließen sich nicht weiter hinausschieben (yes, I’m the great procrastinator), andere Angelegenheiten haben sich einfach mal frech in die Schlange gedrängelt, andere Termine standen bereits fest. Und natürlich die Hitze, die nicht einmal mit sonderlich hohen Temperaturen daherkam, aber dafür mit einem Luftdruck, der mir jedes Mal mein Hirn wie im Schnellkochtopf zu dampfgaren schien.


    Ich habe sogar drei oder vier weitere Pelewin-Kurzgeschichten gelesen, in einem Büchlein, das sich A Werewolf Problem in Central Russia nennt und in dem sich ein paar Geschichten befinden, für die ich bisher keine deutsche Übersetzung habe lokalisieren können. Diese ersten drei oder vier Geschichten im Buch wirken wie Magie(?), wie eine Auflösung sämtlicher Dimensionen, die wir in unserem Leben als gegeben vornehmen. Von einigen Stellen in diesen Geschichten kriegte ich sogar Gänsehaut in den Kniekehlen und am Oberkopf (so ein Zusammenziehen an der Stelle, wo Mönche eine Tonsur haben), die dann ganz deutlich die Nackenmuskeln bis ins Rückenmark hinuntergerieselt ist. Ich dachte: „Mann, das ist besser als Sex“ und dass Sex gegen so etwas unwichtig, nichtig und wie eine schlecht sitzende Zahnprothese zu wirken beginnt ...
    Kurz: neben der Erkenntnis, dass es Pelewin in extrem vielen seiner Geschichten um Solipsismus geht (ganz konkret und überdeutlich sichtbar in der Story „Vera Pawlownas ninth dream“) – ich glaube sogar, das ist auch ein Thema von dem von Dir weiter oben erwähnten Husserl, @taliesin.
    Auf einem Level weit über der dargestellten Handlung scheint mir dieser Solipsismus der modernen Gesellschaft, das zu sein, was auch den Werken von David Foster Wallace zugrunde liegt und den er in einigen Essays auch wörtlich zur Sprache bringt, wenn ich mich recht erinnere. Bei DFW ist allerdings oft eine Schwermut oder gar Verzweiflung zu spüren (das mag auch am chemischen Ungleichgewicht bezüglich seiner Hirnfunktion liegen, DFW litt ja beinahe zeitlebens unter chronischer Depression), während Pelewin oft eine unglaubliche Leichtigkeit in die tristesten Themen hineinschreibt (man fühlt sich als Leser wie ein Helium-Ballon). Wobei wir wiederum festgestellt haben, dass Pelewins Art der Darstellung in „SNUFF“ deutlich bedrückender und in nicht unbeträchtlichem Maße aggressiv auf uns wirkt.
    Egal: durch meine Gänsehaut wurde ich an „SNUFF“ und Damilolas Beschreibung der Dopamin-Resonanz erinnert – denn auch wenn dieses Kapitel vordergründig sich auf Sex-abhängigkeit beschränkt, bin ich beim zweiten Lesen des Kapitels ins Grübeln gekommen, und nun kommt mir Damilolas Schilderung und Erläuterung auf den letzten Seiten des Kapitels entweder als hoffnungslos paradox vor oder ich kapiere hier etwas scheinbar Essentielles überhaupt nicht (oder „anscheinend Essentielles“? Da ich nicht weiß, was genau los ist mit diesem Kapitel, bleibt mir die korrekte Begriffswahl hier im Moment verwehrt).
    Egal, ich versuch’s mal zu erklären:




    Zweiter Teil - Asche von Pupophilen


    Zu Kapitel 1, BB, Seite --- bis 262:


    Grimm und Chloe sind also erst einmal in sicheren gefilden, obwohl Grimm im Grunde nur durch seine Cinews Kappe dem Tod entronnen ist. Die Kappe gefiel denSommeliers und als aus dem Krieg gerettetes Pärchen machen die beiden sich in den Nachrichten recht gut. Überhaupt wird die ganze Story der Rettung so manipuliert, verfälscht und auf den Kopf gestellt, dass sogar Bernard-Henry wie ein edelmütiger Held dasteht.

    Ja klar, dass ist äußerst spontan :roll: Eigentlich gar nicht so überzogen, denn wenn man betrachtet wie Nachrichten auch in modernen Zeiten entstellt, zerfleddert und aufden Kopf gestellt werden, ist es bis dahin nicht sehr weit.

    Da dachte ich genau das Gleiche. Und man merkt es auch so schön gerade jetzt im Sommerloch, wie da völlig unmaßgebliche und evtl. nicht einmal existierende Daten wie z.B. „das angebliche schlechte Bild, das Europa von uns Deutschen hat“, ausgereizt und verdreht wird, um Emotionen bei den Deutschen zu erwirken, sei es Scham, Überheblichkeit oder gar Hass (es ist nie die Rede von der Parametern für die Erhebung irgendwelcher Umfragen, die zu dieser Nachricht geführt haben, es wird gewertet und kommentiert und die Kommentare werden auch noch kommentiert, dass einem schlecht wird. Das ist doch haargenau eine solche Nachricht, wie Pelewin sie in „SNUFF“ dauernd schreibt. Wenn man in jeder Nachrichtensendung einmal aufmerksam verfolgt, wieviel davon eigentlich konkret nachweis- und nachvollziehbar ist, dann bleibt nicht viel übrig, und das in „Die Tagesschau“, ich rede noch nicht einmal von Nachrichten auf Privatsendern! (Ich bin schon Pelewin-geschädigt, stelle ich fest, denn zuvor habe ich nicht annähernd so aufmerksam die Nachrichtenübermittlung auseinandergepflückt)


    Damiola dreht sich aufgrund der von Kaya so schön eingefädelten Dopamin - Resonanz komplett im Kreis. Für Damilola ist das Ganze ein Programmierfehler, aber er ist komplett gefangen und philosophiert tatsächlich über höhere Bewussseinsstufen, die er durch Kayas Praktiken erfährt.
    Na klar, das kennen wir doch! hattest du @Hypocritia nicht schon davon geschrieben, dass es dir vorkommt wie esoterisches Gewurschtel der aktuellen Art?
    Klingt nach Tantra Techniken und natürlich macht es den Gefangenen zwar glücklich, aber auch abhängig. Mit Sex direkt ins Nirwana. So einfach ist das!

    Ha! Genau! Kannst Du glauben, dass ich in meinen Notizen auch den Begriff „Nirwana“ verwendet habe?! (Gib mir fünf, Barde! :cheers: )
    Genau da ist der Punkt, der für mich nicht zusammenpasst, und bei dem mir die Gänsehaut in den Kniekehlen bei der Lektüre von Pelewin-Geschichten absolut nicht hilft. Damilola löst sein Ich in dieser Beschreibung, er nimmt sich nicht mehr als Seiender wahr (klingt neben hinduistischem Nirwana irgendwie sogar nach Heideggers „Sein und Zeit“?, nach „ZEN“ etc. )


    Für Damilola wird es aber zum Problem, denn er ist erpressbar und Kaya hat einen Heidenspass, denn ihm fällt keine Gegenmaßnahme ein bei der er nicht auf seine neue Bewusstseinsstufe verzichten müsste. Dazu schreibt er folgendes: Ach tut er mir da leid............... :-,



    Ein kleiner Spruch aus Kölle: It jitt kin jrößer Leid als wat der Minsch sich selfs andeyt
    Ich möchte hier nicht auslassen, dass Damiola in all seiner Verwirrung auch mal etwas Wahres herauslässt, allerdings immer auf der Basis der Dopamin-Resonanz.

    Wie kann Sex und hinduistisches Nirwana (oder auch buddhistische Leere / Fülle) zusammengehen?



    Nehmen wir das heraus, hört sich folgendes eher nach buddhistischem Gedankengut an.

    An diesen paar Seiten (260-261), in denen Damilola die Funktionsweise der Dopamin-Resonanz und danach den hinduistisch anmutenden perspektivischen Effekt erläutert, begreife ich nicht, wie Damilola Sex und Nirwana-Ausblick zusammenbringen kann. Du hast ja schon oben geschrieben

    Mit Sex direkt ins Nirwana.

    Aber dieser „state of mind“ hat doch mit Sex überhaupt nichts gemein, dahin kommt man doch allerhöchstens unter Verzicht auf Sex (wobei sich „Verzicht“ so nach schwerfälliger Entsagung anhört, dabei müsste es doch eine praktisch mit positivem Willen und Freude absichtliche Schwerpunktverschiebung sein), oder sehe ich das falsch? Ich meine, es hat schon seinen Sinn, dass es in buddhistischen Männerklostern nicht so zugeht wie im ehemaligen Priesterseminar in Sankt Pölten. Barde, ich schaff's nicht, ich kann's nicht besser erklären (ich fahr' gleich aus der Haut :wuetend: ).


    Den Teil mit Manitu und der Vertreibung aus dem Paradies lass ich bewusst raus. (Das macht das schöne Zitat kaputt........ :uups:

    Das finde ich lustig, dass Du diesen Halbsatz als störend empfindest :wink: – ich mag diesen Halbsatz, weil mir eine Dopamin-Resonanz als das Paradies, aus dem Eva und Adam vertrieben wurden, wie eine ziemlich originelle Erklärung für die biblische Anfangsgeschichte vorkommt (allerdings würde mich interessieren, wie Herr Pelewin in diese Analogie die Figur der aufsässigen Lilith-Emanze hineinbaut, von der angeblich in der jüdischen Überlieferung wesentlich mehr geblieben sein soll als in der biblischen).

    Mich hat genau diese Stelle total aus meinem Amusement gerissen, denn Kaya etabliert mit ihren drei egoistischen Bedingungen eindeutig ein Ich (glaube ich zumindest, bin aber wirklich extrem unsicher). Ich bin verwirrt: Bedeutet nicht diese Handlung bzw. diese Forderungen, dass sich Kaya, wenngleich aufgrund der Funktionsweise ihrer Algorithmen, der Suche nach dem unerreichbaren Glück verschreibt?!
    Genau diesem Streben nach Glück, was Damilola durch die Dopamin-Resonanz als „trügerische Falschheit aller Lockmittel, mit denen die Natur und ködert“ als unerreichbar und damit als unwürdig erkannt hat, oder? :-k
    Wie gesagt, die letzten zwei Seiten dieses Kapitels verwirren mich bereits seit Tagen, und ich finde keinen gedanklichen Weg da heraus. Denn wenn dies der Fall wäre, unterlägen Damilola und Kaya einer Art dualem Teufelskreis, einer Art metaphysischen Möbiusschleife, oder sehe ich das total falsch … ? Würde Pelewin uns wirklich so einen Negativismus verklickern wollen, dass man sich aus dem Gefängnis des Strebens nach dem unerreichbaren Glück nicht, unter keinen Umständen nicht, befreien kann? ?(





    Ich mache mich jetzt daran, das nächste Kapitel zu lesen und zu kommentieren - und ich hoffe, es wird einfacher, sonst platzt mein Hirn wie eine Blutwurst im Schlachtkessel. Mittlerweile wäre es mir lieber, wenn Pelewin nicht so verdammt viel über die verschiedenen Religionen und philosophische Theorien, die gewisse Analogien dazu aufweisen, Bescheid wüsste (oder wir steigen eben doch auf das Deutungsniveau als Dödelroman um, dann wären wir viel schneller damit fertig :lol: ).


    Ich habe mal das o.e. Kurzgeschichtenbuch verlinkt, weil da wirklich einige Geschichten drin sind, bei denen Zeit und Raum um mich heerum weggeschmolzen sind :drunken: (ich habe aber auch noch nicht alle gelesen):

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    in Herzog

  • Ich habe sogar drei oder vier weitere Pelewin-Kurzgeschichten gelesen, in einem Büchlein, das sich A Werewolf Problem in Central Russia nennt und in dem sich ein paar Geschichten befinden, für die ich bisher keine deutsche Übersetzung habe lokalisieren können. Diese ersten drei oder vier Geschichten im Buch wirken wie Magie(?), wie eine Auflösung sämtlicher Dimensionen, die wir in unserem Leben als gegeben vornehmen.

    Hört sich genau richtig an für mich. Ist bereits auf der Wunschliste.

    Wenn man in jeder Nachrichtensendung einmal aufmerksam verfolgt, wieviel davon eigentlich konkret nachweis- und nachvollziehbar ist, dann bleibt nicht viel übrig, und das in „Die Tagesschau“, ich rede noch nicht einmal von Nachrichten auf Privatsendern! (Ich bin schon Pelewin-geschädigt, stelle ich fest, denn zuvor habe ich nicht annähernd so aufmerksam die Nachrichtenübermittlung auseinandergepflückt)

    Oh ja, da haut Herr Pelewin genau in die richtige Stelle, denn mir wird schon längere Zeit schlecht bei der Nachrichtenauswahl des deutschen TV. Pelewin macht es auf
    seine Art noch einmal klar. Hinterfragt man das ganze Gequatsche mal gründlich, bleibt nicht viel Nachweisbares übrig. Manchmal frage ich mich, wie man diesen oft
    manipulativen Mist überhaupt noch ernstnehmen kann?


    Aber dieser „state of mind“ hat doch mit Sex überhaupt nichts gemein, dahin kommt man doch allerhöchstens unter Verzicht auf Sex (wobei sich „Verzicht“ so nach schwerfälliger Entsagung anhört, dabei müsste es doch eine praktisch mit positivem Willen und Freude absichtliche Schwerpunktverschiebung sein), oder sehe ich das falsch? Ich meine, es hat schon seinen Sinn, dass es in buddhistischen Männerklostern nicht so zugeht wie im ehemaligen Priesterseminar in Sankt Pölten. Barde, ich schaff's nicht, ich kann's nicht besser erklären (ich fahr' gleich aus der Haut ).

    Da wird Sex als Mittel/Technik genommen um sozusagen ins Paradies zu kommen? Leuchtet mir absolut nicht ein. Das hieße ja, die ganze Lebensarbeit z.b. eines
    buddhistischen Mönchs völlig ad absurdum zu führen. Geben wir uns Fünf und sagen, dass wir da nicht mitkommen, oder?

    Würde Pelewin uns wirklich so einen Negativismus verklickern wollen, dass man sich aus dem Gefängnis des Strebens nach dem unerreichbaren Glück nicht, unter keinen Umständen nicht, befreien kann?

    Das fände ich aber wirklich sehr sehr traurig und resignativ. Dann bleibt ja nichts als den Kopf zu senken und das Kämpfen um eine andere Art von Glück einzustellen.
    Da bin ich nicht mit einverstanden. Mehr als tausend Jahre Denkarbeit, all die Denker und Philosophen der Geschichte einfach wegzuwischen, weil es eh keinen anständigen
    Ausweg aus der Mühle gibt. Und jetzt singen wir alle im Chor: "Welcome to the machine" Auf keinen Fall! :wuetend:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

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  • Da wird Sex als Mittel/Technik genommen um sozusagen ins Paradies zu kommen? Leuchtet mir absolut nicht ein. Das hieße ja, die ganze Lebensarbeit z.b. eines


    buddhistischen Mönchs völlig ad absurdum zu führen. Geben wir uns Fünf und sagen, dass wir da nicht mitkommen, oder?

    Ja, eindeutig, da kann was nicht stimmen. Ich bin da zwar weder Fachmann noch Laie, aber ich denke doch, an dieser Perspektive, die Damilola auf S. 261 so beschreibt, und die Du teilweise betreits zitiert hattest, @taliesin, ist was faul:

    Zitat von Viktor Pelewin

    Als sähe ich aus der Höhe die gezackte Einfriedung eines orkschen Parks und dahinter - einen freien Raum, in den keiner der unten bekannten Pfade führt und den schon seit vielen Jahrhunderten kein menschlicher Fuß mehr betreten hat. Und ich begriff, dass es in der wahren Wirklichkeit kein Glück gibt, dem wir unser ganzes Leben lang qualvoll hinterher hechten, und auch kein Leid, sondern lediglich diesen erhöhten Punkt an dem es keine Fragen gibt und keine Zweifel, sondern lediglich diesen erhöhten Punkt, an dem es keine Fragen gibt und keine Zweifel - ...

    Das klingt wie eine Art von Erkenntnis, zu der man unmöglich durch eine Art "Dienstleistung" eines anderen Menschen und schon gar nicht durch eine Maschine gelangen kann.
    Ich stelle mir allerdings oft genug vor, dass das, was der buddhistische Mönch oder Hindu oder sonstwie mystisch geprägte Mensch zu erreichen versucht, am Ende vielleicht gar nicht eines jahrelangen Übungs- oder Suchprozesses bedürfte, sondern eher dem beinahe mühelosen Umlegen eines Schalters gleicht. Dennoch wird man die jahrelange Übung bzw. Suche nicht vermeiden können, denn diesen Schalter muss man erst mal finden, und genau das scheint das schwierige Element zu sein. Ob das nun darin besteht, dass das Licht schlecht ist und man unsensible Fingerkuppen hat, der Schalter gut getarnt ist oder einer von Tausenden anderen Schaltern ähnelt und man immer wieder verwechselt, welche man bereits umgelegt hat, oder wie auch immer ... doch in jedem Falle kann man nicht in pheromonaler Steuerung durch einen anderen genau diesen Schalter abgreifen.



    Spielen wir doch einfach mal "Was wäre, wenn ..." ... Pelewin Damilola auf dieselbe hilflose Art, in der im Grunde sein gesamtes Leben in die Verzweiflung steuert, diese Erkenntnis aus dem Vertrauen des blinden Huhns heraus in sich selbst hätte finden lassen, er jedoch in genau diesem blinden Vertrauen glaubt, dass nur Kaya ihn dahin führen könne? Es muss ja mit der befreienden Erkenntnis zu tun haben, dass er das Streben nach der Verinnerlichung der Zwänge Manitus eben nicht benötigt ... Trotzdem, irgendwo hängt da ein handfester Widerspruch drinnen und bleibt veerhakt, irgendwie wird da kein Schuh draus ... also in dieser Hinsicht bin ich wirklich daran inteeressiert, ob Pelewin es schafft, das näher zu erklären und somit auch zu lösen.


    Ich setz' mich dann gleich an die Kommentare des nächsten Kapitels ...

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Zweiter Teil, Kapitel 2, Spastika, S. 263 bis 275:


    Gleich am Anfang dieses Kapitels habe ich aufgehorcht, denn neben all dem glitzernden und schillernden Ambiente des Big Byz, in dem Grimm und Chloe ihre ersten Stunden verbringen, stechen ein schäbiger Korridor mit löchrigen Paneelen und nachlässig herumhängenden Kabeln heraus mit Verständnis erbittenden Schilder mit dem Hinweis auf einen sich in Reparatur befindlichen 3D-Projektor. Damilola bemerkt auf S. 263 hierzu:

    Zitat von Viktor Pelewin

    "So sieht es hier also in Wirklichkeit aus", kicherte Damilola aus unerfindlichen Gründen, als sie an den Aushängen vorbeigingen. Vermutlich scherzte er nur, doch Grimm glaubte wirklich, dass die neue Welt aus solchen Korridoren besteht.

    Was bedeutet in diesem Zusammenhang "Wirklichkeit"? Der unterliegende schäbige Korridor, oder die schillernde 3D-Projektion darüber? Wie subjektiv dieser Begriff "Wirklichkeit" doch gehandhabt wird, der doch von seiner Wörterbuch-Definition eigentlich einer der absolutesten Begriffe aller Zeiten sein sollte. Das Gleich habe ich schon vor Jahren mal in Bezug auf den Begriff "Wahrheit" gedacht, die beiden Worte hängen ja auch eng beieinander, wenn man's genau nimmt.


    Die beiden werden nach einem gefilmten Eingangs-Interview zu ihrem neuen "Zuhause" geführt, und es gibt überall jede Menge futuristische Details, die an Komfort nicht mehr zu überbieten möglich zu sein scheint - man scheint das Haus praktisch für gar nichts mehr verlassen zu müssen, und tun muss man auch nichts mehr, denn alles scheint automatisch zu erfolgen. Doch wird bei all dem klar, dass Chloe wesentlich besser mit Trug und Schein klarkommt, während Grimm alles hinterfragt, und mit seiner vorsichtig-misstrauischen Haltung zum Grübeln neigt, sh. S. 266, als Grimm entdeckt, dass weder der garten von Bernard-Henris Haus noch dessen phantastische Aussicht echt sind:

    Zitat von Viktor Pelewin

    "Du bist ein Dummkopf", sagte Chloe, als er ihr von seiner Entdeckung berichtete. "Du könntest in einer Chaiselongue sitzen und Dich freuen: 'Hier ist mein Gärtlein ...' Und jetzt wirste ständig denken: 'Es ist aber nicht echt.'
    "Auch du wirst jetzt ständig denken: 'Es ist aber nicht echt', sagte Grimm.
    "Nein", antwortete Chloe. "Bin ich denn bekloppt? Ich habe mein Leben lang darauf hingearbeitet. Ich werde denken: 'Hier ist mein Gärtleiin ...'"
    "Aber du weißt doch, dass es nicht echt ist."
    "Na und?", sagt Chloe. "Vom Echten habe ich seit meiner Kindheit die Nase voll.

    :lol: ... ok, so viel also zum Thema Wirklichkeit und ihrem Wert ... wenn ich jetzt irgendwie an unsere "Wirklichkeit" denke, und die Menschheit mit ihrem Drang nach verlogenem Flitter und Glitter und Tinseltown-Ruhm (oder Heldenmärchen, egal, ob in Büchern oder Filmen, oder Reality-Shows, oder egal wo sonst), werde ich langsam depressiv ... trotzdem hätte ich mich bei der Unterhaltung zwischen Grimm und Chloe beeumeln können ... hat so was richtig schön Lakonisches. :loool:
    Mal so nebenbei: als wir in Las Vegas waren, haben wir beim Klopfen auf die pompösen Säulen im Caesar's Palace festgestellt, dass diese aus Styropor sind, und wir haben auch ganz leicht eine Naht an der Wand gefunden, an der man ein Eckchen Tapete im Marmordesign ablösen konnte ... hätten wir nicht tun sollen ... nicht zu empfehlen, wirklich nicht ... von da an haben wir die leichte Enttäuschung nicht mehr aus dem Kopf gekriegt, die Stadt wirkte von da an ein bisschen wie ein überschminkter Clown. Plötzlich kriegte man eine unbeschreibliche Sehnsucht nach den Karytiden der Korenhalle auf der Akropolis, und dem leicht gülleartigen Geruch der venzianischen Canales mit hier und da einer treibenden Weichspülerflasche darin, nach was Echtem halt ( :wink: ).


    In Bernard-Henris Haus entdecken die beiden jungen Orks auch einen versteckten Schrein mit den Devotionalien zu zwei früheren Mädchenopfern des perversen dahingeschiedenen Diskurskrämers, deutlich war Platz vorgesehen für Devotionalien aus Chloes Anatomie. Im Schrein scheint eine Endlosschleife eines Uraltvideos von Serge Gainsbourgs "La Chanson de Prévert" zu laufen. Prévert war ein franz. Dichter, den Gainsbourg da besingt, mit jeder Menge Text zum Thema melancholische Erinnerung im Lied, wobei man beim Lesen immer ungewollt dazu neigt, "pervert" statt "Prévert" zu lesen ... ohne Kommentar ...


    Grimm entdeckt, dass im Internet des Big Byz auch das Buch der Orkasmen zu finden ist und probiert das gleich aus. Er erhält Prophezeiung 36 - "Über das Leben mit einem jungen Mädchen" (sh. S. 274). Demzufolge martert das hübsche Mädchen einem Ork das Herz nur "solange sie unnahbar ist". Das implizierte "allerhöchste Glück" erweist sich hierbei als "naturgemäß flüchtig". Die Fähigkeit zur Vereinigung mit ihr in Liebe nimmt lt. Orakel täglich von mehreren Malen stetig ab, bis sie nach vier Tagen für den Rest der Woche ganz versiegt, und sie von da an "nur noch für die Nachbarn hübsch" ist.
    Da kann ich nicht mitreden, was weiß ich als Frau (und damit als hinterfotziges Wesen :evil: ) schon ... :roll:



    Ich setze mich heute Abend oder morgen auch daran, das Kapitel 3 zu kommentieren, in Ordnung?

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    in Herzog

  • Ich setze mich heute Abend oder morgen auch daran, das Kapitel 3 zu kommentieren, in Ordnung?

    Das passt sehr gut, weil ich morgen viel unterwegs bin und wohl wenig zum lesen kommen werde. Spätestens aber Dienstag lege ich wieder los.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

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  • zu Zweiter Teil, Kapitel 2


    Doch wird bei all dem klar, dass Chloe wesentlich besser mit Trug und Schein klarkommt, während Grimm alles hinterfragt, und mit seiner vorsichtig-misstrauischen Haltung zum Grübeln neigt, sh. S. 266, als Grimm entdeckt, dass weder der garten von Bernard-Henris Haus noch dessen phantastische Aussicht echt sind:

    Ja, Chloe interessiert es überhaupt nicht ob es sich um Lug und Trug handelt, hauptsache sie fühlt sich in dieser Scheinwelt wohl. Dabei kommt sie ja immerhin noch aus einem
    priveligierten Ork Haushalt. Schwer zu beurteilen, ob man sich lieber dem Schein hingibt, die Dinge erst gar nicht hinterfragt und so den Schein zum Sein erhebt, oder die Dinge
    hinterfragt und dann mit dem schaurigen Ergebnis kämpfen muss. Was für eine miese Wahl die Pelewin da in den Raum stellt. Wählen wir halt zwischen Pest und Cholera.
    Ich stimme zu, da kann man schon mal depressiv werden.

    Plötzlich kriegte man eine unbeschreibliche Sehnsucht nach den Karytiden der Korenhalle auf der Akropolis, und dem leicht gülleartigen Geruch der venzianischen Canales mit hier und da einer treibenden Weichspülerflasche darin, nach was Echtem halt ( ).

    Ehrlich gesagt sind mir diese Orte immer noch lieber, als all der aufgemotzte Tand der neuen Welt. Da nehme ich doch lieber den manchmal etwas anrüchigen Charme
    der alten Welt. Auch wenn das Sein nicht immer den Erwartungen entspricht, hat es ein paar Vorteile gegenüber dem Schein, dem Künstlichen und dem Unechten.

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  • Zu Teil 3, Kapitel 3 (Big Byz), S. 276 bis 293:


    Damilola denkt, dass Aljona-Libertina von CINEWS ihn mit dem Geld für die Betreuung der beiden jungen Orks im Grunde dafür entlohnt, dass GULAG keine näheren Einzelheiten zu Bernard-Henris Tod erfährt. Wir wurden schon im ersten Teil dieses Romans von Damilola in Kenntnis gesetzt, dass GULAG eine enorm mächtige Assoziation im Big Byz darstellt, die die Gesamtheit der Interessen sämtlicher sexueller nicht Mainstream-heterosexuellen Tendenzen und Ausprägungen vertritt. Damilola meint auf S. 277:


    Zitat von Viktor Pelewin

    Heute sind von der alten GULAG-Kultur nur noch Spuren früherer Siedlungen erhalten geblieben: Lager des sogenannten Drahtzeitalters, die man ausschließlich aus der Luft betrachten kann.

    Ups, Herr Pelewin macht aber vorgar nichts halt: jetzt lässt er diese riesige Homo- und Perversionisten-Lobby auch noch historisch alles so weit tordieren, dass sie die stalinschen Arbeitslager als historische Wurzel für ihre "Kultur" ansehen?! Ich bin ... ich weiß gar nicht, theoretisch sollte man hier wohl geschockt sein ... aber ich muss gestehen, dass ich mich bei dieser Idee zu gut amüsiere ...



    Eigentlich ist die Rede von sexuellen "Minderheiten", doch am Ende des ersten Absatzes auf S. 280 heißt es über die Orks, bei denen angeblich das Vortäuschen von Homosexualität deshalb praktiziert wird, damit sie von den BB-Luftangriffen verschont werden (naja, billiger als der Bau von Luftschutzkellern dürfte das allemal sein):

    Zitat von Viktor Pelewin

    Doch es gibt unter ihnen auch echte Schwulen und Lesben, von Animalisten ganz zu schweigen: In einem beliebigen Dorf ist es wohl jeder Zweite.



    Ich muss hier mal einen Gedanken einschieben, den ich bereits die ganze letzte Woche mit mir herumtrage:
    Das gesamte Buch "SNUFF" handelt bisher in seinem Schwerpunkt von der Ausrichtung des menschlichen Lebens auf Sex, oder täusche ich mich da? Die ganze Woche überlege ich jetzt schon, inwieweit dies auf unser "reales Dasein" zutrifft - ob unser konsum- und Materialismus-gesteuerter "pursuit of happiness", dem wir uns entweder freiwillig unterwerfen oder dem wir ungefragt unterworfen werden, tatsächlich letztendlich vom Art-Erhaltungstrieb der Mutter Natur beherrscht wird ... Ich will es zwar noch nicht so ganz glauben, aber es könnte eventuell ganz gut möglich sein - allerdings bin ich immer noch am Denken; das ist keine Frage, die ich in ein oder zwei Tagen abhaken kann. Allerdings: wozu dient denn letztendlich der Drang, möglichst viel Geld zu verdienen und einer der großen "Haves" (sh. "The Haves and the Have Nots") sein zu wollen? Zur Gewährleistung der Lebenssicherheit? Na, Lebenssicheerheit kann man auch mit Beträgen gewährleisten, die keine neuen Stellen vor dem Komma auf dem Bankkonto haben ...
    Wenn das tatsächlich zuträfe, dann wäre alles noch viel schlimmer, denn dann wäre auch Pelewins Ausführung richtig, dass es im Grunde gar nicht mehr um Arterhaltung ginge, denn die sexuellen Perversionen und Tendenzen, die gang und gäbe zu sein scheinen (inklusive Snuff-Videos in unserer Welt), erzielen nur in den wenigsten Fällen Reproduktion (hierbei eigentlich sowieso nur heterosexuelle Vergewaltiger-Praktiken).
    Und wiederum: wenn dem so sein sollte, dann trüge dies auch wieder zur gewissen Bedrücktheit und Repulsion im Leser bei, die dieser Roman permanent unterschwellig verströmt: da liegt eine gewaltige Sinnlosigkeit darunter, und zwar Sinnlosigkeit im Sinne von "Sinn des Lebens", oder täusche ich mich da? Denn es ginge demzufolge weder um Arterhaltung, noch um das Streben nach Kenntnis und Wissen oder "Wahrheit" (was auch immer das sein mag), noch um das Streben nach menschlicher Gerechtigkeit, oder Nächstenliebe (was meines Erachtens im weiteren Sinne als eine Art Ausprägung des Begriffs "Gerechtigkeit" interpretiert werden kann), oder um sonst irgendeine Lebensweise, in der wir der Erkenntnis stattgeben, dass wir mit unserer Umgebung, mit unseren Mitmenschen, mit der Welt und dem Universum und darüber hinaus eine Einheit bilden, von der wir selbst als Individuum ein minusküler (Dieses verschrobene Adjektiv borge ich mir hierfür mal aus Christian Krachts "Imperium" aus. Ich stelle es auch nachher wieder ordnungsgemäß in Krachts Buch zurück, ich schwöre :roll: ) Teil sind, aber eben ein Teil eines Ganzen. ...
    ... Womit wir wieder beim Thema "Solipsismus" in der modernen Gesellschaft wären ... Also, entweder bin ich selbst schon total auf Solipsismus fixiert, oder Solipsismus stellt eben doch einen zentralen Gedanken in Pelewins Werk dar (möglicherweise sogar seines Gesamtwerkes).





    Nun jedoch weiter im Kapitel:


    Damilola als Pupophiler scheint sich innerhalb GULAG seltsam unterrepräsentiert zu fühlen, da es bei den Orks keine Pupophilen gibt, der pekuniären Unmöglichkeit halber (zu gut Deutsch: man muss Geld sch... en können, um sich eine Sure leisten zu können, Orks jedoch sind arm und rückständig).
    Und doch tauchte unter den Orks eine Art "Lumpen"-Pupophiler auf, ein Typ namnes "Trug", der als Sure einen Kartoffelsack und eine Konservendose verwendet haben sollte. Dieses Equipment soll er angeblich in chemisch zugedröhntem Zustand regelmäßig bestiegen haben (Oh Mann, das ist eines der besten Beispiele für die depressiv-repulsive Mischung dieses Romans!). Jedenfalls hat es dieser "Trug" zum Aufstieg zur orksche Kultfigur gebracht. Doch Damilola findet heraus, dass es sich bei "Trug" um eine weitere CINEWS-Vergaukelei handelt, bei der Bernard-Henri als Trug twitternderweise agierte. Da im "Trug"-Projekt CINEWS und GULAG direkt miteinander konkurrierten, musst Bernard-Henri beseitigt werden. Und so ließen sich alle Fäden der Ungereimtheiten auf wundersame Weise durch Bernard-Henris Tod entwirren und wieder hübsch zu einem ordentlichen Knäuel der Volksverar... aufwickeln.


    Da nun zu Ehren Trugs eine Art Gedenkstätte errichtet werden soll, soll Damilola als eine Art Pupophilen-Repräsentant zur Eröffnung der Gedenkstätte seine Kaya mitbringen. das verkauft er ihr natürlich wiederum als Einhaltung einer der Forderungen, die Kaya ihm gestellt hatte, nämlich der Ausweitung ihres Bewegungsradius. Zum Dank wird ihm eine weitere Sitzung von Dopamin-Resonanz zuteil (S. 287 unten) - und ich blick's immer noch nicht: Sex oder nicht Sex? Nirwana oder nicht Nirwana?:

    Zitat von Viktor Pelewin

    Und das, was früher meine Persönlichkeit gewesen war, ist auf dem Feuer unerträglicher Wollust in einer Dampfwolke verdunstet, in eine der vaporisierten seelen, die in der Gestalt von Wolken über die blaue Leere des Himmels schweben ...
    :scratch:


    Auf den letzten paar Seiten dieses Kapitels betritt Damilola mit seiner wie eine Proleten-Schlampe gekleideten Kaya die Gedenkstätte, wobei er das Zusammentreffen mit einem weiteren "Pupophilen-Repräsentanten" und dessen Vorliebe für knabenhafte und gleichzeitig atavistisch-monstruöse Suren schildert.


    Ich bin von diesem Kapitel emotional wieder mal ziemlich abgestoßen, aber nicht weiterlesen ist irgendwie auch nicht drin ... ein merkwürdiges Buch ist das schon, sehr merkwürdig ... :-k

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  • Da wird der Verstand und die Vernunft aber irgendwann auch zum Tyrann, denn er hindert den Menschen daran in eine neue, andere Wirklichkeit und Wahrnehmung zu


    gelangen. Verstand und Vernunft werden gebraucht um unsere Verbindung zur Realität wie wir sie kennen zu erhalten, aber sie hindern uns durch diesen Schutz daran
    weiterzugehen und neues zu suchen. Castaneda argumentiert in seinen Büchern auf diese Weise um den möglichen Zugang zu einer anderen Wirklichkeit zu erklären
    So würde unsere sterbliche reine Vernunft dann doch darüber hinausgelangen. .
    Jetzt komme ich schon wieder von Hölzchen auf Stöckchen. Das passiert mir bei Herrn Pelewin recht oft, wie ich feststellen muss.

    Ich muss an dieser Stelle gerade mal zurückgreifen und einhaken, bevor es mir wieder aus dem Hirn herausfällt: Es scheint überhaupt nicht, dass Du da "vom Hölzchen aufs Stöckchen" gekommen bist, lieber Barde. In seinem Generation P erwähnt Viktor Pelewin auf S. 104 oben Herrn Castañeda sogar wörtlich:

    Zitat von Generation P - Viktor Pelewin

    »Das hängt von der Stärke Ihres persönlichen Kraftfeldes ab«, sagte das Mädchen, und »insbesondere von Ihrem Glauben an die Existenz von Geistern. Gelingt es Ihnen mit der Methode von Castañeda, Band zwo, Ihren inneren Dialog zum Stillstand zu bringen, ...«

    Du scheinst also ins Schwarze getroffen zu haben, @taliesin, als dir Castañeda in den Sinn kam.


    In Generation P gab es noch irgendwo eine andere Stelle, aus dem meiner Meinung nach ein weiterer goldrichtiger Bezug von Dir ganz deutlich erkennbar war, aber ich komm' nicht mehr 'drauf, leider ... ](*,)
    (Auch wieder ein Buch, an dem der Herr Barde seine helle Freude hätte, u.a. bei der Beschreibung diverser psychedelischer Trips, da bin ich mir sicher :loool: . Ziemlich witziige, weil gleichzeitig klarsichtige und absolut verrückte Darstellung der (postsowjetischen wie westlich-modernen) Konsumgesellschaft als ideologische Volksverar... kurz: ich sehe mich ein weiteres Mal als Pelewin-Fan voll bestätigt :wink: ).


    Ansonsten machen wir noch ein Weilchen Pause hier im Thread, bis alles wieder so bei uns funktioniert, wie es sollte. Es gibt nun mal Dinge, die brauchen ihre Zeit.
    Es wird mich dann um so mehr freuen, wenn wir mit dieser MLR zu Viktor Pelewins SNUFF weitermachen :friends:

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  • Es wird mich dann um so mehr freuen, wenn wir mit dieser MLR zu Viktor Pelewins SNUFF weitermachen

    Das werden wir auf jeden Fall tun.


    Interessant, dass ich da richtig lag mit der Verbindung zur Philosophie Castanedas. Ich habe ja bislang nur zwei Romane (Bhuddas kleiner Finger und Tolstois Albtraum)
    gelesen, aber habe auch dort manchmal Gedanken gefunden, die mich an verschiedene Theorien und Praktiken in Castanedas Büchern erinnerten.
    Ich muss nochmal nachschauen wo genau das war.


    Generation P ist auf jeden Fall schon mal auf der WuLi.

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  • So @Hypocritia die Hand ist frei von Schiene und halbwegs brauchbar und weitestgehend schmerzfrei. Ich lese mich jetzt noch ein bisschen ein und morgen
    schreibe ich dann erst einmal etwas zu deinem letzten Beitrag. Zum Thema Solipsismus werde ich mich wohl auf den ethischen Solipsismus stürzen, weil ich
    den methaphysischen für ein Denkmodell halte, das sich selbst in den Hintern beißt. :wink:


    Bis morgen dann :winken:

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  • zu Teil 3 / Kapitel 3 / 276 - 293

    Auf einem Level weit über der dargestellten Handlung scheint mir dieser Solipsismus der modernen Gesellschaft, das zu sein, was auch den Werken von David Foster Wallace zugrunde liegt und den er in einigen Essays auch wörtlich zur Sprache bringt, wenn ich mich recht erinnere. Bei DFW ist allerdings oft eine Schwermut oder gar Verzweiflung zu spüren (das mag auch am chemischen Ungleichgewicht bezüglich seiner Hirnfunktion liegen,

    ich glaube, wir müssten hier zwischen dem Solipsismus auf den Pelewin abzielt (ethischer) und der Form über die DFW schreibt, (metaphysischer) unterscheiden. Ich sehe da
    deutliche Unterschiede. Soweit ich das verstanden habe, ist der methaphysische eine völlige Isolation von der Außenwelt, bzw. eine Verleugnung der äußeren Wahrnehmung.
    Ich setlle mir das so vor, als ob man da in einer Blase lebt auf deren Innenseiten sich nur das eigene Ich spiegelt und dadurch auch keine kollektive Wahrnehmung, also auch kein
    sozialer Kontakt mehr möglich ist. Er ist als kein Wahrnehmender der Außenwelt mehr, sondern schafft sich seine eigene Wahrnehmung. Das kann nur in psychischer Isolation
    also dann auch in Depression enden. Der Mensch braucht die über tausende von Jahren entwickelte kollektive Wahrnehmung, weil er sonst nicht als Mensch leben kann, keine
    Kommunikation und auch keine Verständigung über die Außenwelt mehr hat. Wenn DFW so empfunden hat war er wohl das einsamste Wesen auf dieser Welt.


    Pelewin zielt, wie ich glaube, auf den ethischen Solipsismus ab, der ja eigentlich nur besagt, dass nichts außer den eigenen Beurteilungen der Handlungen gültig ist, und so eine
    Gesellschaft der Einzelwesen (Einzelkämpfer) produziert, für die die Meinung und das Verhalten anderer keine Rolle spielt. Jeder strebt rücksichtslos nach dem eigenen Glück und
    Glück ist die Anhäufung von Macht und Geld. Der Tanz um das Goldene Kalb ist eröffnet und wir haben keine Chance aus diesem Teufelskreis zu entkommen. Was für eine
    furchtbare Vorstellung die Pelewin da vermitteln will. Ich hoffe nicht, dass es darauf hinausläuft...............
    nachdem ich mir meinen Text jetzt noch einmal durchgelesen habe, bin ich mir nicht mehr so sicher, ob ich mich da einigermaßen verständlich ausgedrückt habe, aber besser
    kann ich es nicht erklären.............. :-k

    auch noch historisch alles so weit tordieren, dass sie die stalinschen Arbeitslager als historische Wurzel für ihre "Kultur" ansehen?! Ich bin ... ich weiß gar nicht, theoretisch sollte man hier wohl geschockt sein .

    Die Konzentrationslager des Massenmörders Stalin als alte Kultur zu bezeichnen ist schon ein starkes Stück. gecshichte wir gemacht, verfälscht und so hingebogen, dass sie den
    Mächtigen in die Karten spielt. Das war leider immer schon so und ich fürchte, dass wird auch so bleiben.

    Das gesamte Buch "SNUFF" handelt bisher in seinem Schwerpunkt von der Ausrichtung des menschlichen Lebens auf Sex, oder täusche ich mich da? Die ganze Woche überlege ich jetzt schon, inwieweit dies auf unser "reales Dasein" zutrifft - ob unser konsum- und Materialismus-gesteuerter "pursuit of happiness", dem wir uns entweder freiwillig unterwerfen oder dem wir ungefragt unterworfen werden, tatsächlich letztendlich vom Art-Erhaltungstrieb der Mutter Natur beherrscht wird .

    Mutter Natur wird da ja das arbeiten mit Tricks und eine gewisse Hinterfotzigkeit unterstellt. Halteb ich für Unsinn, denn Natur arbeitet nicht mit Tricks, sondern mit Notwendigkeiten.
    Würde Sex keinen Lustgewinn mit sich bringen, gäbe es auch keine Reproduktion. Jetzt hat diese neue pelewinsche Welt ja kaum noch natürliche Formen, sondern ergibt sich in
    Abartigkeiten die keine Vermehrung mehr leisten können. Da stimmt doch etwas nicht und das hast du in deinen Beiträgen ja auch schon erwähnt.
    Auf das reale Dasein der meisten Menschen mag diese Abhängigkeit vom kollektiven .Drang nach persönlichem Glück durch Konsum nun leider zutreffen, aber es gibt, wie ich finde
    noch Nischen in all dem Wahnsinn.




    dann trüge dies auch wieder zur gewissen Bedrücktheit und Repulsion im Leser bei, die dieser Roman permanent unterschwellig verströmt: da liegt eine gewaltige Sinnlosigkeit darunter, und zwar Sinnlosigkeit im Sinne von "Sinn des Lebens", oder täusche ich mich da? Denn es ginge demzufolge weder um Arterhaltung, noch um das Streben nach Kenntnis und Wissen oder "Wahrheit"


    Ja, diese Ausweglosigkeit auf die wir da beständig treffen, den Hinweis auf die Sinnlosigkeit unseres gesamten Strebens, die Verneinung einer Möglichkeit der Suche nach Wissen
    und Wahrheit, all das kann dem Leser schon gewaltig auf`s Gemüt schlagen. Ob Pelewin aus dieser Form des selbstgewählten oder fremdbestimmten Hamsterrades noch einen
    Ausweg findet wage ich momentan zu bezweifeln. Ich denke, Pelewin glaubt nicht an die Möglichkeit einer Nische. War das Hemmingway der geschrieben hat "Niemand ist eine
    Insel"? Im Moment komme ich da nicht weiter, also...........>Denkpause!<

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  • zu Teil 3 / Kapitel 3 / 276 - 293


    ich glaube, wir müssten hier zwischen dem Solipsismus auf den Pelewin abzielt (ethischer) und der Form über die DFW schreibt, (metaphysischer) unterscheiden. Ich sehe dadeutliche Unterschiede. Soweit ich das verstanden habe, ist der methaphysische eine völlige Isolation von der Außenwelt, bzw. eine Verleugnung der äußeren Wahrnehmung.


    Ich stelle mir das so vor, als ob man da in einer Blase lebt auf deren Innenseiten sich nur das eigene Ich spiegelt und dadurch auch keine kollektive Wahrnehmung, also auch kein sozialer Kontakt mehr möglich ist. Er ist als kein Wahrnehmender der Außenwelt mehr, sondern schafft sich seine eigene Wahrnehmung. Das kann nur in psychischer Isolation also dann auch in Depression enden.

    Ich versuche mal, metaphysischen Solipsismus an einem konkreten Beispiel zu erklären – dafür nehmen wir mal Dich, lieber @taliesin : im metaphysischen Solipsismus würdest Du denken, dass die gesamte Welt um Dich herum nur durch Dich geschaffen wird, also nur in Deinen Gedanken existiert, also inklusive der Bücher, die Du liest, d.h. auch Pelewins SNUFF wäre ein Ausbund Deiner eigenen Phantasie, der Autor würde nur durch Dich und in Deinen Gedanken existieren, ebenso wie meine Wenigkeit und meiner Beiträge hier im Thread. Wobei der gesamte Büchertreff sowie das Internet, die gesamte Welthistorie inklusive Wasserstoff-Bomben, Hitler und Europäischer Union inklusive Rettungspakete für Griechenland, Tsipras und Varoufakis, Frau Merkel und Herr Schäuble, Donald Trump und Daniela Katzenberger, Vladimir Putin und Kim Yong Un, Dein Arbeitsplatz inklusive Deiner Kollegen, all das würde nur als Ausbund Deiner eigenen Phantasie existieren. Sogar der Begriff Solipsismus würde nur in Deiner gedanklichen Welt existieren, weil es nichts gibt als nur Deine Gedanken. Die gesamte „Realität“, die Du als solche empfindest, inklusive Mitgefühl für Flüchtlinge, oder Sympathie für Menschen, die Du magst, würde nach diesem Prinzip nur in Deinen Gedanken existieren, nicht einmal in „Deinem Kopf“, denn logischerweise würde Dein Körper genau wie alle anderen Körper der gesamten Menschheit nur als Deine Idee existieren. Hiermit verbunden wiederum die Aussage, dass etwas nur solange existiert, solange Du daran denkst. D.h., sobald Du in die literarische Welt eines Stephen Kings, einer Joyce Carol Oates oder eines Charles Dickens eintauchst, hören Herr Pelewin, Herr Tolkien, Herr Tsipras, Frau Merkel, Dein Chef und ich auf zu existieren.
    Diesen Gedanken hast Du ja bei Damilola ganz richtig, wie ich glaube (aber mich nicht auskenne, wie ich schon in einem früheren Post geschrieben habe), mit Husserls philosophischen Ansichten in Verbindung gebracht.

    Der Mensch braucht die über tausende von Jahren entwickelte kollektive Wahrnehmung, weil er sonst nicht als Mensch leben kann, keine Kommunikation und auch keine Verständigung über die Außenwelt mehr hat. Wenn DFW so empfunden hat war er wohl das einsamste Wesen auf dieser Welt.

    DFW war definitiv nie ein Solipsist gewesen, welcher Art auch immer. Er hat den Solipsismus der gesellschaftlichen Moderne in seiner akuten Ausprägung vor allem mit dem Medium TV in Verbindung gebracht (sh. Bsw. die Videokassette in „Unendlicher Spaß“). Dass DFW versucht hat, seinen Mitmenschen ins Bewusstsein zu bringen, dass sie auch andere Menschen wahrnehmen sollten, sieht man doch schon allein an seiner Rede „This is Water“ (die für mein Empfinden zwar nicht gerade das Beste ist, was DFW hervorgebracht hat, weil sie irgendwie nach „AA-Philosophie“ klingt – sorry …), in der er z.B. aufruft, auch mal die anderen Menschen im Verkehr oder in der Schlange an der Supermarkt-Kasse als Menschen mit einem Leben genauso wie sich selbst wahrzunehmen und gelten zu lassen.


    Auch gilt DFW für diejenigen, die ihn kannten, als einer der besten Zuhörer überhaupt, als extrem geduldiger und konzentrierter und aufmerksamer Zuhörer (dies auch in seiner Eigenschaft als „Mentor“ (oder sagt man „Tutor“?) für AA-Neulinge), was ihn ebenso als definitiven Anti-Solipsisten auszeichnet. Er hat wohl in seinem Unterricht als Prof für Literatur (und kreatives Schreiben?) immer ein Riesen-Interesse für seine Schüler, für ihre Denkweise und ihren Kenntnisstand aufgebracht und einen gigantischen Willen zur Verbesserung bzw. toleranten Weiterentwicklung („tolerant“ im antonymischen Sinne zu „rechthaberisch-autoritär“) gezeigt. DFW ist nie ein Solipsist gewesen, seine Depression beruhte anscheinend auf einem chemischen Ungleichgewicht in seinem Gehirn. Den Selbstmord hat er in einer Zeit verübt, als ihm ein Wechsel vom Medikament Nardil, das er über Jahrzehnte eingenommen hatte, auf ein moderneres, leichteres Medikament mit weniger Nebenwirkungen, verschrieben wurde, wobei die Übergangsphase beim Wechsel leider nicht so funktioniert hat wie erwartet.


    Auch ich halte Pelewin nicht für einen Solipsisten, eher genauso wie Du für einen Beobachter des Menschen in der modernen Gesellschaft als Solipsisten, weshalb ich ursprünglich auf den Vergleich mit DFW kam. Bei einer Darstellung des metaphysischen Solipsismus geht es ja auch nicht um die Wertung des Konzepts, sondern um das reine Aufzeigen, die Darstellung eben. Ob jemand diese philosophische Theorie gut findet oder ablehnt, ist für mich eine reine Sache des Glaubens und damit ebenso gut oder schlecht wie alle anderen, oder zumindest die meisten anderen Glaubensfragen auch. Allerdings habe ich persönlich wesentlich mehr Spaß an einem Konzept wie dem metaphysischen Solipsismus als an Konzepten wie die Schöpfung der Welt durch alte Männer mit Bart oder körperlich aufgezwungener Liebe an Ziegen, kleinen Kindern und erwachsenen Frauen, als Ebnung des Weges in die ewige Herrlichkeit im Namen eines militaristisch-autoritären Gottes, weil irgendein Prophet das mal verkündet hat.


    Ich meine, nach dem Konzept des metaphysischen Solipsismus hätte nicht Albert Einstein, sondern ich die Relativitätstheorie entwickelt, weil ja auch Herr Einstein nur in meinem Geiste existieen würdet (ebenso wie Du, Barde, vergiss das bitte nicht, von meiner Warte aus würde nämlich nur ich existieren, und Deine Beiträge nur in meinen Ideen, Du kleines Nichts, Du :P:wink::friends: ). Herrn Hawkings Urknall-Theorie erwähne ich hier lieber nicht, denn die wäre mir irgendwie ein bisschen peinlich, wenn ich ehrlich sein soll. :lol: Ich hätte mir lieber so coole Sachen wie die Unschärferelation ausgedacht, oder, wo wir uns nun mal in einem Thread über Pelewin befinden, so tolle Geschichten wie „Sechszeh und Einsiedel“ (Mann, hab‘ ich meinen Spaß beim metaphysischen Solipsismus! :mrgreen: Ich möchte aber gleichzeitig darauf aufmerksam machen, dass ich von mir selbst nicht glaube, dass die Taliban auf mein spirituelles Konto gehen, ebensowenig wie Apartheid und sonstigen Rassismus, und von Donald Trump distanziere ich mich hiermit ebenso rigoros … :lol: OK, ich gebe hiermit zu: es gibt Sachen, da macht der metaphysische Solipsismus definitiv keinen Spaß mehr …)

    Pelewin zielt, wie ich glaube, auf den ethischen Solipsismus ab, der ja eigentlich nur besagt, dass nichts außer den eigenen Beurteilungen der Handlungen gültig ist, und so eine Gesellschaft der Einzelwesen (Einzelkämpfer) produziert, für die die Meinung und das Verhalten anderer keine Rolle spielt. Jeder strebt rücksichtslos nach dem eigenen Glück und Glück ist die Anhäufung von Macht und Geld. Der Tanz um das Goldene Kalb ist eröffnet und wir haben keine Chance aus diesem Teufelskreis zu entkommen. Was für eine furchtbare Vorstellung die Pelewin da vermitteln will. Ich hoffe nicht, dass es darauf hinausläuft...............

    Ich hatte zwar nicht soweit gedacht, verschiedene Formen des Solipsismus zu unterscheiden, aber da Du korrekterweise die beiden Formen ins Spiel gebracht hast, glaube ich, dass Pelewin möglicherweise sogar auf beide solipsistischen Strömungen in SNUFF anspielt, sowohl den metaphysischen als auch den ethischen. (Gibt es nicht sogar noch weitere Formen des Solipsismus?) Ich denke auch, dass die gesamte Welt des Off-Globes Big Byz eine Art Darstellung des metaphysischen Solipsismus ist, denn die Welt im Big Byz besteht aus lauter „Projektionen“, also eine Welt, die als „Wirklichkeit“ nicht existiert (wobei man hiermit wiederum durch die Begrifflichkeit des metaphysischen Solipsismus sogar in eine konzeptuelle Möbiusschleife hineinrutscht / hineinrutschen kann, wenn ich das richtig sehe?). Es scheint mir ebenso leicht, in der Darstellung der Kriege gegen die Orks ethischen Solipsismus entdecken zu können. Bei Damilolas repetitiven Vergewaltigungen an Kaya wird es dagegen schwieriger: für Damilola existiert Kaya ja nicht wirklich, sie ist eine Schöpfung innerhalb der „künstlichen“ Welt des Big Byz, aber gleichzeitig ist ihm auch herzlich wurscht, falls sie etwas dabei empfindet – hier könnte man möglicherweise beide Formen des Solipsismus erkennen?



    nachdem ich mir meinen Text jetzt noch einmal durchgelesen habe, bin ich mir nicht mehr so sicher, ob ich mich da einigermaßen verständlich ausgedrückt habe, aber besser kann ich es nicht erklären.............. :-k

    Solche philosophischen Konzepte sind nun einmal sehr schwierig zu erklären, ich kann das auch nicht besser. Aber ich finde es sehr gut, dass Du diese ganzen Konzepte herauskramst, weil sie auch für mich irgendwo mit SNUFF oder Pelewins kleinen philosophischen Späßchen zusammenzuhängen scheinen. Fragen nach „Realität“ und dem „Ich und die anderen“ und „Die Anderen und ich“ sind nun mal nicht einfach zu beantworten (wenn überhaupt), und es lohnt auf jeden Fall, sich Gedanken darüber zu machen (meine Meinung). Solche Gedanken mache ich mir außerdem lieber mit Herrn Pelewin und Herrn Schopenhauer als mit Anselm Grün oder Hans Küng (die ersteren beiden haben vergleichsweise etwas mehr Humor).




    Ich werde mich dann mal ans nächste Kapitel setzen … :study:

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Ich meine, nach dem Konzept des metaphysischen Solipsismus hätte nicht Albert Einstein, sondern ich die Relativitätstheorie entwickelt, weil ja auch Herr Einstein nur in meinem Geiste existieen würdet (ebenso wie Du, Barde, vergiss das bitte nicht, von meiner Warte aus würde nämlich nur ich existieren, und Deine Beiträge nur in meinen Ideen, Du kleines Nichts, Du

    Hallo, wie soll ich dich jetzt ansprechen, denn irgendwie bist du ja nur durch mich da? Also, mal ernsthaft. Als literarische Spielform oder als Denkmodell geht die Idee des
    Solipsismus ja noch in Ordnung, aber mal ehrlich, logisch gesehen funktioniert sie einfach nicht. Niemand kann so leben, niemand wäre freiwillig bereit, sich so etwas im
    realen Leben anzutun, eben weil es keinen Sinn macht, keinen geistigen oder wie auch immer gearteten Fortschritt bringt. Man dreht sich sozusagen im eigenen Kreis herum.
    Möglich wäre diese Form nur durch das Erleben eines furchtbaren Traumas (z,b. bei Markson).
    Also nehmen wir die Sache als übersteigerte Egozentrik, dann passt es auch zu Pelewins Anspielungen auf unsere ach so fortschrittliche Leistungsgesellschaft (bei dem Begriff
    bekomm ich schon Magenschmerzen).
    Ich lese gerade zwecks Klarstellung in meinem Husserl und bin auf eine Passage gestoßen, die Husserls Herangehensweise erklären könnte. Das hört sich für mich schon
    nachvollziehbarer, wenn auch nicht einfacher, an. Ich forsche aber noch etwas länger, damit ich hier den armen Mann nicht falsch zitiere. Kommt aber noch............ ?(:scratch::-k:?:
    ......... :idea:?(

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Bad Monkeys

  • An Markson hatte ich gar nicht gedacht, aber ich finde auch, dass Solipsismus unlogisch ist. Wie sollte jemand sich all die physikalischen Modelle oder Industrieprozesse oder ökonomischen Modelle erdacht haben und sie hinterher dann nicht auf Anhieb kapieren, eventuell sogar immer schlecht in Mathe gewesen sein? Und was hätte jemand davon, sich Dschihad, IS und alle anderen Arten von Verfolgungen vorzustellen? Welche innere Motivation könnte denn dafür zugrunde liegen, andere im Dreck und in Angst sehen zu wollen? Das ist doch nur bedrückend, warum sollte man sich das antun? Auf wikipedia.de hatte ich gelesen, dass das Modell des metaphysischen Solipsismus wohl von all denen, die es mal aufgegriffen haben, schnell wieder verworfen wurde - Du bist also nicht allein, wenn Du sagst, dass er nicht zu funktionieren scheint.


    Als reines gedankliches Modell bezüglich des Einbettens des "Lebens" in - ja was eigentlich?, in ein Vorher und Nachher? - einen "Raum-Zeit-Bezug" fände ich den metaphysischen Solipsismus nicht interessanter bzw. auch nicht weniger interessant als alle anderen (religiösen?) Modelle. Solange man sich in der Zeit befindet, in der man "lebt", ändert sich doch im Jetzt die Wahrnehmung der "Realität" für einen selbst nicht, man hört doch nicht auf, Dinge zu fühlen, zu riechen, zu sehen oder was auch immer, nur weil man jetzt an so ein komisches philosophisches Modell glaubt. Und wenn man zum Ende kommt, also "stirbt", dann ist es hinterher vllt. vorbei, dann ist ja ab diesem Moment sowieso nichts mehr, also müsste man sich vorher auch keine Gedanken drüber machen, oder Angst davor haben, oder gar einen Sinn drin finden. Oder es ginge eben irgendwie anders weiter, das kann man aber in dem Fall bei diesem Denkmodell auch nicht vorhersehen, also würde es wiederum keinen Sinn ergeben, vorher nach einem Sinn zu fragen. (Wo liegt eigentlich der Sinn im Leben, wenn man an sonstwas anderes glaubt? Die Antworten, die für Religionen oder sonstige esoterische Bewegungen gegeben werden, bleiben letztendlich auch wieder mystisch und erfordern weitere mehr oder weniger intensive Glaubensakte. Und die Sache mit dem "Pursuit of Happiness", der die überwiegende Mehrheit bedingungslos anzuhängen scheint, haben wir doch auch schon hier im Thread verworfen.)


    Zum Danach: Angst vor dem, was danach kommt, rechtfertigt sich doch eigentlich nur im Falle des Glaubens an solche Religionen, die ein Danach versprechen bzw. mit einem Danach drohen - und ganz ehrlich, es ist und bleibt eine "Glaubens"-Sache und kein Wissen - auch wenn die religiösen Obrigkeiten erzürnt die Brauen zusammenziehen und herumschreien, wird aus Glauben nun mal kein Wissen. Ich bin erstaunt, dass ich meine Meinung zu Blaise Pascal eigentlich in all den Jahren nie geändert habe; als ich zum ersten Mal seine Theorie gehört habe, dass man mit religiösem Glauben immer gewinne, denn wenn es Gott tatsächlich gebe, dann habe man immer recht gehabt, und wenn es ihn nicht gebe, dann hätte man wenigstens seinen eigenen Glauben als Trost gehabt. Ich habe das von Anfang an angezweifelt, und über all die Jahre, die ich mir die Welt angeschaut habe, sehe ich Glauben für sehr viele als ein Joch unter rechthaberische Idioten, oder bedeutet im schlechtesten Fall sogar noch Verfolgung und Tod, oder, noch schlimmer, Blutrunst und Gier nach Macht in sich selbst - wo ist da der innere Trost?


    Ich habe mich auch selten so von Gejammere abgestoßen gefühlt wie von Julian Barnes Herumgegreine in seinem "Nothing to be afraid of": Der Mann fühlt sich zu intellektuell, um an einen Gott zu glauben. Sein Stand an Intellektualität gebietet ihm angeblich, an "nichts" zu glauben - doch gleichzeitig macht er sich pausenlos vor einem möglichen "Danach" in die Hose! Um Himmels willen, wenn er etwas für ein etwaiges "Danach" als Halt braucht, dann soll er halt an was glauben, das ist doch seine Entscheidung, und die fände ich nicht verwerflich. Das ist doch weder verboten, noch wäre es bei einer solchen Angst unvernünftig für seine Seele, nehme ich an. Das ist sogar eine Entscheidung, die er für sich im stillen Kämmerchen treffen kann, er muss ja nicht gleich den Posten eines Verkündigers oder Zeugen oder Propheten antreten. Und er muss der lesenden Welt dann nicht mit seinem lautstarken unlogischen Gegreine auf den Wecker gehen! Denn wenn er wirklich an "Nichts" glaubt, dann ergibt Angst davor keinen Sinn. Für mich ist der Mann nicht halb so intellektuell, wie er vorgibt zu sein, wenn er derartig unlogisch denkt und fühlt (und sich auch noch bemüßigt, ein Buch über seine Unlogik zu schreiben und zu veröffentlichen).

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
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