Martin Walker- Provokateure / Children of War

  • In seinen bisherigen Büchern mit dem sympathischen Bruno Courreges, dem Chef de Police in dem kleinen Städtchen St. Denis im Perigord ist es dem Engländer Martin Walker jedes Mal sehr gut gelungen, ein aktuelles Thema in einem konkreten Kriminalfall zu verbinden mit sehr aufschlussreichen Rückblicken in die dunklen Kapitel der französischen Geschichte.



    In seinem neuen Buch, dem siebten Fall Brunos, hat er sich dabei allerdings leicht verhoben und sein Buch mit zu viel thematischer Fracht beladen.



    Da ist im ersten Strang die Geschichte eines in St. Denis aufgewachsenen durch ein Massaker in seiner früheren Heimat Algerien zum Autisten mutierten muslimischen Jungen, der durch radikale Elemente in der Moschee von Toulouse in den Dschihad nach Afghanistan geschickt wurde und nun mit Hilfe des französischen Militär wieder nach Hause geholt wird. Da er durch seinen Autismus jede Nummer und Einzelheit im Kopf hat, wird er sofort zum Objekt nicht nur der französischen, sondern auch der amerikanischen Geheimdienste.



    Die mit Brunos ehemaliger Geliebten Isabelle (dass sie das gemeinsame Kind hat abtreiben lassen, quält Bruno immer noch und wird auch in diesem Buch wieder erwähnt) bekannte amerikanische Geheimdienstmitarbeiterin löst in Bruno schon bei der ersten Begegnung eine ungeheure sexuelle Anziehungskraft aus, die über das ganze Buch anhält, und wieder einmal nicht ihre wirkliche Erfüllung findet. Dass Bruno immer noch von einer Familie mit eigenen Kindern träumt, und sich dennoch immer wieder in die Nähe von Frauen begibt, die das nicht wollen oder können, beginnt langsam langweilig zu werden.



    In einem dritten Strang verwebt Martin Walker die Geschichte der in Südfrankreich während der Nazi-Besatzung versteckten jüdischen Kinder ein, indem er eine alte in Israel lebenden Überlebende dem Städtchen St. Denis eine große Donation zukommen lassen will.



    Die aktuelle Bedrohung Frankreichs durch seine radikalen Muslime (da nimmt Walker kein Blatt vor den Mund ist politisch wohltuend unkorrekt) mit der Geschichte der geretteten jüdischen Kinder 1943 ff. zu verbinden, hat seinen eigenen Charme, doch die ganze Geschichte zieht sich zu sehr in die Länge und auch der sehr überraschende Schluss wirkt wie an den Haaren herbeigezogen.



    Für mich steckt die Reihe in einer Krise. Mein Vorschlag: aus der Krise herauskommen, in dem man den alerten Bruno, der nie einen Fehler zu machen scheint, mal in eine richtige Lebenskrise kommen lässt.

  • Dieses Buch hab ich neulich auch gelesen, da ich eigentlich ein grosser Fan von Bruno Chef de Police bin.
    Ein bisschen enttäuscht war ich auch von diesem neuen Band, obwohl mir der Schreibstil und das Drumherum (Beschreibung der Landschaft, Kochkünste, nette Menschen) nach wie vor gefällt.
    Hoffen wir mal, dass das nächste Buch etwas besser wird :-k

    ☆¸.•*¨*•☆ ☆¸.•*¨*•☆ La vie est belle ☆¸.•*¨*•☆☆¸.•*¨*•☆

  • Meine Meinung:
    Puh, ich weiss kaum wo anfangen - denn in Brunos siebtem Fall geht es rund:
    Ein Auto explodiert, eine Leiche wird entdeckt, dazu ein alarmierender Anruf aus Afghanistan. Kurz darauf sind sämtliche französische Polizeiverbände, der Brigadier, das Innenministerium, der Geheimdienst und Amerika involviert. Fast banal dagegen die Information über ein bevorstehendes Erbe, das ein jüdischer Geschäftsmann der Gemeinde vermacht, wenn sie ein tolles Projekt auf die Beine stellt. Saint-Denis wird zum Nabel der Welt.


    Es geht um den Holocaust, versteckte jüdische Kinder, um Autismus, radikale Muslime, sexuellen Missbrauch, das Vichyregime - die Geschichte ist total überladen mit viel zu vielen Themen und vor allem zuviel grosse böse Welt im beschaulichen Saint-Denis. Weniger wäre mehr gewesen.


    Ich wünsche mir einen Bruno, der einen "normalen" Mord aufklären kann - ein Mord, der einfach aus Habgier oder Neid, aus niedrigen Beweggründen stattgefunden hatte und in dem nicht Hans und Heiri aus Geschichte oder Politik hinhalten müssen. Lieber der Hansheiri aus dem Nachbardorf, der etwas gegen den Heirihans in St. Denis hat. Sowas würde ich gerne lesen. Und bittebittebitte kein Resistance-Thema mehr.


    Unglaubwürdig fand ich das angebliche, in Saint-Denis nicht bekannte, Verschwinden von Samy. Momu und Karim vertrauen Bruno und sie hätten ihn doch schon längst darauf aufmerksam gemacht, wenn der Junge einfach so aus dem Internat verschwunden wäre. Deshalb habe ich dem Autor diesen Hintergrund nicht abgenommen.


    Noch am besten gefallen hat mir der Zusammenhalt der Frauen in Saint-Denis. Zusammen haben sie in Kürze viel erreicht.
    Die Frauen in Brunos Leben hingegen sind ein Thema für sich. Als ob es nicht schon genug Auswahl geben würde, taucht im siebten Fall eine neue Frau auf. Lieber Martin Walker, lass Bruno sich endlich mal glücklich verlieben. Er hätte es verdient. Wir Leser auch. Apropos, Florence wäre doch eine perfekte Kandidatin.


    Kommen wir zum Schluss. Der war mir nämlich zu einfach aufgelöst, anders hätte es zwar null Sinn gemacht, trotzdem blieb ein Gefühl von "unfertig" bei mir zurück.


    Fazit: "Provokateure" war mir zu glatt und zu überladen, ich konnte dennoch nicht aufhören zu lesen.
    3 Punkte. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Ein sehr dichter Krimi - spannend wie immer, doch diesmal beinahe zu viel.


    In diesem nunmehr siebten Fall für Dorfpolizisten Bruno nimmt sich Autor Martin Walker des aktuellen Themas der Dschihad-Kämpfer an.


    Gekonnt flicht er die Handlung wieder in die Gegend um den kleinen, fiktiven Ort St. Denis und deren Bewohner ein.


    Auch die Retrospektive in die Geschehnisse der Vergangenheit (Algerienkrieg, Resistance im Zweiten Weltkrieg) findet wieder ihren Platz.


    In seinem beruflichen Umfeld ist Bruno, der eigentlich Benoit heißt, ein ziemliches As und kann dank verschiedenster Kanäle auch Ressourcen ansprechen, die einem „normalen“ Dorfpolizisten versagt bleiben.


    Allerdings mutiert er in diesem Fall Richtung James Bond, was irgendwie nicht ganz in das beschauliche St. Denis passt. Mit seinen Frauengeschichten wird er allerdings echt anstrengend. Es wäre Zeit, sich nun endlich für eine zu entscheiden.


    Die beiden (Haupt)Handlungsstränge wären besser getrennt in zwei Krimis abgehandelt worden. Zwar wird Samis Geschichte einiger Platz eingeräumt, doch auch die Story um die vor den Nazis versteckten jüdischen Kinder hätte sich mehr verdient.


    So wirkt dieser Krimi auf mich ein wenig zerrissen und doch überfrachtet. Daher diesmal nur drei Sterne.

    "Ein Tag ohne Buch ist ein verlorener Tag"


    "Nur ein Lesender kann auch ein Schreibender sein oder werden" (Maria Lassnig/1919-2014)