Christina Baker Kline - Der Zug der Waisen / Orphan Train

  • Kurzmeinung

    Marie
    gut recherchierte Historie, aber klischeebehaftet und ein allzu dickes Ende der Glückseligkeit
  • Kurzmeinung

    Pokerface
    Bewegende Geschichte über das Waisenkind Vivian
  • New York, 1929. Vivian, Tochter irischer Einwanderer, verliert bei einem Brand ihre komplette Familie. Als 9-jährige Waise wird sie mit vielen anderen Kindem in den sogenannten „Zug der Waisen“ verfrachtet und Richtung mittlerer Westen gefahren. An verschiedenen Stationen können Paare sich Kinder wie Vieh aussuchen und mit nach Hause nehmen. Sie sollen ihnen eine neue Heimat bieten, doch meistens finden die Kinder dort nur ärmliche Bedingungen, harte Arbeit und körperliche Züchtigung vor.


    Spruce Harbor, Maine, 2011. Molly ist seit dem Tod ihres Vaters Halbwaise und wurde von einer Pflegefamilie zur nächsten weitergereicht, da ihrer drogenabhängige Mutter sich nicht um sie kümmern konnte. Da sie in einer Bücherei ein Buch gestohlen hat, muss sie Sozialstunden ableisten. Sie soll einer über 90-jährigen Frau dabei helfen ihren Dachboden zu entrümpeln. Zunächst wird Molly zwar freundlich aber sehr distanziert aufgenommen, doch die Erinnerungsstücke sorgen dafür, dass die alte Dame anfängt ihre spannende Geschichte zu erzählen und die beiden Frauen stellen fest, dass sie ein ähnliches Schicksal teilen.


    Dieser Roman wurde mir von einer Leserin empfohlen und ich bin sehr froh, dass ich mich von der Autorin bzw. den beiden Sprecherinnen in ein vergessenes Kapitel der amerikanischen Geschichte habe entführen lassen. Die Handlung wird auf zwei Zeitebenen geschildert. Zum einen die Gegenwart (2011) zum anderen die Zeit aus Vivians Kindheit hin bis zum Erwachsensein (1929 — 1940???). Sehr angenehm fand ich, dass die Autorin stets einige Kapitel in einer Zeitebene verweilt und nicht ständig zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit hin und her springt. Außerdem sind die Zeitebenen insich chronologisch aufgebaut.


    Bemerkenswert finde ich, dass die Autorin es geschafft hat, ein ernstes Thema anzugehen, dieses gefühlvoll und emotional zu beschreiben, so dass es mich wirklich berührt hat, ohne dabei ins Kitschige abzurutschen. Ich fand es wahnsinnig bewegend mitzuerleben, wie Vivian eine Kindheit ohne Sicherheit erleben muss, wie sie sich ein neues Heim erhofft, aber doch stets nur auf Ausbeutung trifft und ihr einfach keine Liebe geschenkt wird. Ich habe mich mit der Protagonistin gefreut, als endlich auch einmal etwas Positives in ihrem Leben passiert ist, denn man wünscht es der sympathischen Hauptfigur wirklich sehr.


    Durch Baker Klines detaillierte Beschreibungen konnte ich mir alle Settings bildlich vor Augen führen. Die Geschichte und ihre Figuren kamen mir nie fremd vor. Alles wirkte so authentisch, als wenn die Autorin ihr eigenes Leben beschrieben hätte. Sie verzichtet auf Effekthascherei, was der Atmosphäre sehr gut tut, und trotzdem ist der Roman niemals langweilig, dafür ist man zu sehr von den beiden Schicksalen gepackt.


    Die Geschichte wird von den beiden Sprecherinnen Beate Himmelstoß und Susanne Schroeder vorgelesen, die mir beide sehr gut gefallen haben. Beide Stimmen sind sehr angenehm und passen zu den jeweiligen Buchpassagen. Es handelt sich bei dem Hörbuch um eine ungekürzte Hörfassung mit über zehn Stunden Laufzeit und ich war positiv überrascht, dass die Einteilung in die jeweiligen Jahre nicht nur im Inlay festgehalten wurden, sondern auch von den Sprecherinnen vorgelesen wurden, so dass einem ein Zeitsprung stets direkt angekündigt wurde. Etwas, dass leider nicht jedes Hörbuch bietet.


    Fazit: Eine unglaubliche Story über ein fast vergessenes Kapitel der amerikanischen Geschichte, die unglaublich authentisch und fesselnd präsentiert wird. Sowohl die Handlung als auch die Leistungen der Sprecherinnen haben mich begeistert. Absolute Hörempfehlung für alle, die an diesen Geschehnissen Interesse haben.




    MP3: 1 CD - ca. 10h 23 min
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  • Worum es geht
    Als einzige Überlebende irischer Auswanderer wird die 9-jährige Niamh, deren Eltern und Geschwister bei einem Wohnungsbrand ums Leben kamen, mit vielen anderen elternlosen Kindern Ende der 1920-er Jahre von New York Richtung Westen verfrachtet. Hier sollen die Waisen liebevolle Aufnahme in einer neuen Familie finden, doch meist haben nur Babys so viel Glück. In den älteren Kindern werden oftmals nur billige Arbeitskräfte gesehen, und auch Niamh, die nicht einmal ihren irischen Namen behalten darf, kann erst in der dritten Pflegefamilie ein Stück ihrer verlorenen Kindheit zurückgewinnen.
    Die zweite Handlungsebene spielt in Spruce Harbor, Maine, im Jahr 2011. Die 17-jährige Molly war nach dem Tod des Vaters und der überforderten Mutter bereits in mehreren Pflegefamilien untergebracht. Nach dem Diebstahl eines Buches muss sie 50 Sozialstunden ableisten, und gelangt mit Hilfe ihres Freundes und dessen Mutter in das Haus der über 90 Jahre alten Vivian Daly. Hier soll sie der alten Dame beim Entrümpeln des Dachbodens helfen. Jedes der in Kisten verpackten Erinnerungsstücke erzählt einen Teil von Vivians Kindheit, und im Rahmen eines Unterrichtsprojektes bringt Molly deren gesamte berührende Lebensgeschichte ans Tageslicht.


    Wie es mir gefallen hat
    Vom ersten Kapitel an bin ich der Handlung, deren beide Erzählebenen sich auf äußerst raffinierte Art verknüpfen, mit großer Anteilnahme gefolgt. Romane, in denen es niemals zu Längen kommt, sind selten, und eines dieser raren Exemplare habe ich mit dem vorliegenden Buch gefunden.
    Wer kann sich die Ängste der armen Kinder vorstellen, die, einem ungewissen Schicksal ausgeliefert, fast wie auf einem Sklavenmarkt begutachtet und nach dem Arbeitsbedarf in der neuen Familie ausgewählt wurden. Schrecklich waren wohl oft auch tatsächlich die Verhältnisse, in die sie nun gerieten. Unhygienische Lebensbedingungen, harte Arbeit, gewürzt mit harten Worten, sonst aber oft nicht genug zu essen, gehörten zum Alltag dieser bedauernswerten Geschöpfe, deren Los mich irgendwie an das der "Schwabenkinder" erinnerte. Ihnen hat Elmar Bereuter in seinem gleichnamigen Roman, wenn auch am anderen Ende der Welt und zu einer anderen Zeit, ebenfalls ein unvergessliches Denkmal gesetzt.
    Besonders gelungen fand ich im vorliegenden Buch die Darstellung der Lebensschicksale beider Frauen, die sich trotz der zeitlichen Differenz von über 70 Jahren und völlig anderen sozialen Gegebenheiten dennoch in frappierender Weise ähneln. Die Sehnsucht eines jeden Kindes nach Liebe und Geborgenheit in einer Familie ist wohl seit Anbeginn unserer Existenz unverändert, gleichzeitig Grundlage für unsere emotionale Intelligenz, ohne die eine erfolgreiche Eingliederung in die Gesellschaft nicht gelingen kann. Auch die freundliche Vivian hat meiner Meinung nach durch ihre schwere Kindheit ein gewisses Defizit davongetragen, wie bei der Geburt ihrer Tochter deutlich wird.
    Trotz der konträren Zeiten, in denen sich Vivians und Mollys Leben abspielt, kann man dem Inhalt ohne Schwierigkeiten folgen, auch wenn man den Text nicht vor Augen hat. Dazu trägt sicher auch der flüssige und ansprechende Stil der Autorin bei, die immer so lange bei der Geschichte einer ihrer beiden Protagonistinnen verweilt, dass man den roten Faden auch beim Zuhören nie verliert. Schon beim Drücken der Stoptaste habe ich mich auf die Fortsetzung gefreut, was nicht nur dem spannenden und bewegenden Inhalt, sondern zu einem gut Teil sicher auch den beiden Sprecherinnen zu verdanken ist. Beide Stimmen empfand ich äußerst angenehm, und zu ihren jeweiligen Rollen ganz vorzüglich passend. Sicher hätte ich auch das Buch mit großer Freude gelesen, aber sich die Geschichte vorlesen zu lassen, hat eben einen ganz besonderen Reiz.
    Die Hörzeit von 10 Stunden und 34 Minuten ist jedenfalls wie im Flug vergangen, und zeitweise hat mich der Roman so fasziniert, dass ich daneben nicht einmal sticken, sondern einfach nur zuhören wollte. Vor allem den Kapiteln aus Vivians Kindheit bin ich mit großer Anteilnahme, in atemloser Spannung gefolgt.
    Weil mich das Buch dermaßen begeistert hat, kann ich nicht einmal im etwas Walzerseligkeit verbreitenden Ende einen Ansatz zu Kritik finden, und habe diesmal gar nicht so viele :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: ... zur Verfügung, wie ich gerne vergeben möchte.