Rebecca Michéle - Das Flüstern der Wände

  • Seitenanzahl
    362 (inkl. Epilog)


    Über die Autorin

    Zitat

    Rebecca Michéle, geboren 1963 in Süddeutschland, lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Stuttgart. Seit 13 Jahren widmet sie sich ausschließlich dem Schreiben und hat bereits mehrere historische Romane veröffentlicht.


    Quelle: Klappentext


    Inhalt
    Die junge Eve flieht mit ihrer Mutter und ihrem Bruder vor den Schrecken des Zweiten Weltkrieges aus London. Sie kommen auf Higher Barton, einem alten Herrenhaus, das einer entfernten Verwandten und deren Familie gehört, unter. Zunächst scheint das alte Gemäuer nicht sonderlich spannend zu sein. Doch dann weckt eine Ahnin, Evelyn Tremaine, Eves Interesse. Niemand im Haut möchte über sie sprechen, während in der Bevölkerung schauerliche Gerüchte umgehen. Eve will dem auf den Grund gehen und stößt auf ein unfassbares Familiengeheimnis.


    Aufbau
    "Das Flüstern der Wände" wird auf zwei Ebenen erzählt: Einmal zu Eves Zeiten, 1940, und einmal zu Zeiten von Evelyn, 1850. Das Ganze geschieht in der "Er/Sie-Perspektive" im Präteritum. Zudem schließt sich ein Epilog im Jahre 1951 an.


    Eigene Meinung
    Wer mich kennt, der weiß, dass es mir Bücher über alte Häuser und ihre Geschichte wahnsinnig angetan haben. Daher war auch schnell klar, dass dieses kleine Schätzchen nicht lange auf dem SUB liegen bleiben würde.


    Rebecca Michéle war mir bisher kein Begriff, wie ich gestehen muss. Ich habe mich jedenfalls bemüht, mit nicht zu hohen Erwartungen an das Buch heranzugehen. Doch bereits auf den ersten Seiten wurde ich überrascht. Die Autorin hat einen sehr angenehmen Schreibstil, der flüssig zu lesen ist und sehr schnell Bilder im Kopf entstehen lässt. Außerdem beweist sie ein gutes Händchen für ihre Charaktere. Während die einen mich während des Lesens nahezu zur Weißglut brachten, erschuf Michéle auch sehr liebevolle, sympathische Figuren, die ich schnell ins Herz schloss. Dies gilt vor allem für die Protagonisitin der Geschichte, Eve. Sie ist ein junges Mädchen, sehr intelligent, und ich mochte sie auf Grund ihrer offenen Art auf Anhieb. Sie wirkte auf mich sehr realistisch, sodass ich ihre Empfindungen und Handlungen immer sehr gut nachvollziehen konnte. Auch was die restlichen Charaktere angeht, beweist Michéle viel Fingerspitzengefühl und begeisterte mich hier mit Facettenreichtum und Realismus.


    Was die Zeiten angeht, in der das Buch spielt, muss ich zugeben, dass ich noch nicht viel gelesen habe, das in der Mitte des 19. Jahrhunderts angesiedelt war. Was die Zeit des Zweiten Weltkrieges wiederum betrifft, kann ich nur sagen, dass diese kaum bis gar nicht in meinem Bücherregal anzutreffen ist. In "Das Flüsstern der Wände" jedoch hat Michéle einen schönen Mittelweg gefunden. Sie bettet die Geschehnisse sehr feinfühlig in die entsprechenden Zeiten ein, ohne mich als Leser mit zu vielen Details und Infos zu überhäufen. Sie setzt viel mehr dezente Akzente, um daran zu erinnern, in welchem Jahr man sich befindet, verliert sich jedoch nicht zu sehr darin.


    Die Geschichte selbst hat mich von Anfang an fasziniert. Während ich Eve dabei über die Schulter schaute, wie sie Higher Barton und seine Vergangenheit entdeckte, konnte ich alles andere um mich herum völlig ausblenden. Die Geschehnisse werden auf spannende Art und Weise erzählt, folgen einer nachvollziehbaren Logik und konnten mich so von der ersten Seite an in ihren Bann ziehen. Viel dazu beigetragen hat auch die tolle Atmosphäre des Buches. Higher Barton verströmt diese typische düster-altehrwürdige Aura der englischen Herrenhäuser, die ich so sehr liebe und hat mich schlicht und einfach verzaubert. Doch auch andere Schauplätze, die im Laufe der Erzählung ihren Platz in der Geschicht finden, wirkten auf mich greifbar und realitätsnah.


    Viel möchte ich zu den Ereignissen im Buch nicht verraten, aber so viel muss sein: "Das Flüstern der Wände" kommt in typischer "Schauerromen-Manier" daher. Die Autorin erfindet hier das Rad nicht neu, sondern setzt auf altbekannte Muster, die allerdings auf sehr emotionale und ansprechende Weise neu gewebt werden. Das Ende des Buches beinhaltet interessante Wendungen, die zum Gesamtpaket passen, mich aber nicht sonderlich überraschen konnten, da ich mir das meiste bereits denken konnte. Daher gab es leider keine großen "Augenöffner-Momente" für mich, was aber dem Lesespaß an sich keinen Abbruch tat. Allein der

    Ausgang hat mir persönlich nicht wirklich zugesagt.


    Insgesamt betrachtet hat mir "Das Flüstern der Wände" wirklich sehr gut gefallen. Rebecca Michéle gehört zu den deutschen Autoren, die ihr Handwerk verstehen und mich sehr leicht in ihre Geschichte entführen konnten. Ich vergebe :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: und empfehle das Buch gern an jene weiter, die sich für spannende Familiengeheimnisse interessieren und auch den einen oder anderen kleinen Gänsehaut-Anfall zu schätzen wissen.


    ~ Was mich im Alltag auffängt, ist die Möglichkeit, mich einfach mal fallen lassen zu können. ~

  • Wer die Mabel Clarence-Serie von Rebecca Michéle gelesen hat, kennt die Gerüchte über Higher Bartons angeblichen Hausgespensts. In "Das Flüstern der Wände" nimmt die Autorin die Geschichte von des vermeintlichen, im Haus herumspukenden, Geistes von Evelyn Tremaine auf.


    Das Baugerüst des Romanes ist aber nicht die Story rund um Evelyn, sondern Eves Geschichte - sie wird während dem Krieg zusammen mit Bruder Mickey und ihrer meistens "unpässlichen" Mutter Melanie zu ihrer Verwandten Helen nach Higher Barton geschickt. Eve hilft ihrer Tante im Haushalt und ist sehr neugierig auf das grosse Haus, in dem auch Helens Schwiegervater Alwyn wohnt und ungestört bleiben will. Während Eve zusammen mit Mickey verbotenerweise das Haus erkundet, werden sie von Lord Alwyn erwischt. Er bittet Eve, ihm nun täglich seinen Tee zu bringen - was Eve ausnutzt um ihn über die vor vielen Jahren verschwundene Evelyn auszufragen. Alwyn wird sauer und erzählt zuerst kaum etwas, doch ein wenig mehr erfährt sie von Billy Penrose, der in der Nachbarschaft wohnt.
    Evelyns spannende Geschichte spielt ab 1850 - sie lebt zusammen mit ihrem Vater und ihrer Stiefmutter Clarissa und ihrem Stiefbruder Ralph auf Higher Barton. Ihrem Vater, Lord Tremaine, gehören zwei Minen in der Umgebung und hat gerade die dritte, Wheal Kerris. Eve interessiert sich sehr für den Minenbau und würde am liebsten eine Ausbildung machen, aber damals war das für Mädchen tabu. Auch als leibliche Tochter von Lord Tremaine erbt nicht sie, sondern ihr adoptierter Stiefbruder Ralph eines Tages die Minen. Ralph aber lebt bereits seit zwei Jahren im Ausland, er liebt Luxus und interessiert sich überhaupt nicht für Arbeit, schon gar nicht für Minenbau. Da Lord Tremaine ihm den Geldhahn zudrehen will, kommt Ralph widerwillig nach Higher Barton zurück. Jetzt überschlagen sich die Ereignisse: Evelyn verliebt sich und in der Mine ereignet sich ein schrecklicher Unfall...


    Schon auf den ersten Seiten fühlte ich mich "abgeholt" und so blieb es während der ganzen Lektüre über. Ein spannend erzählter Roman, den man nur ungern weglegt. Die Autorin schafft es hervorragend beide Zeitebenenen miteinander zu verbinden, ohne dass eine der beiden Geschichten darunter leidet. Verdiente 5 Punkte.


    Wer mehr zum Roman und über die Hintergründe der Mabel Clarence-Serie wissen möchte, dem sei der Gast-Blogbeitrag der Autorin Rebecca Michéle in Claudias Bücherregal empfohlen! Ich fand es sehr interessant zu lesen, wie die Autorin auf die Ideen zu den Büchern kam und wie - und vor allem wann - sie diese Ideen umsetzten durfte.

  • England 1940. Als es in London durch die Bombenangriffe für seine Familie zu gefährlich wird, bringt Robert Carlyon seine leidende Frau Melanie, seine 17-jährige Tochter Evelyn, genannt Eve, und Sohn Mickey aufs Land nach Cornwall zu seiner entfernten Cousine Helen, die seit ihrer Heirat auf dem Landsitz Higher Barton lebt. Da Helens Ehemann im Krieg dient, lebt sie dort mit ihrem Schwiegervater Alwyn und bewirtschaftet das Gut allein. Eve fühlt sich schnell heimisch auf Higher Barton, obwohl ihr Nachtschlaf immer wieder durch ein geheimnisvolles Flüstern gestört wird. Bei ihren Nachforschungen, was es mit dieser Stimme auf sich hat, findet Eve heraus, dass vor 100 Jahren eine Namensvetterin von ihr als Tochter des Hauses auf Higher Barton gelebt und von einem Tag auf den anderen verschwunden ist. Doch je mehr sich Eve sich für das Thema interessiert, umso ablehnender reagieren Helen und Alwyn auf das Thema. Wird Eve das Geheimnis um Evelyn lüften?



    Auch zur Ausstattung des Buches gibt es einiges zu sagen. Das Cover und der Titel passen wie Faust aufs Auge zu dem Roman. Der Schnitt ist bräunlich eingefärbt und deutet den Zusammenhang zu den Kupferminen an. Die einzelnen Handlungsstränge sind durch ein Trennblatt gekennzeichnet, das immer anzeigt, ob nun Eve oder Evelyn an der Reihe ist. Gleichzeitig kann man die Jahreszahl entnehmen und ein Frauenprofil als Scherenschnitt bewundern. Hier hat sich der Verlag viel Mühe gegeben, die sich auch optisch wirklich gelohnt hat.


    „Das Flüstern der Wände“ ist ein wunderbarer, spannender und unterhaltsamer Roman, der den Leser auf der Suche nach einem Familiengeheimnis in ein vergangenes Jahrhundert entführt und der die Seiten erst aus der Hand legen kann, wenn dieses gelüftet ist. Für alle, die gut ausgedachte Geschichten lieben und sich in einem Buch verlieren möchten, ist dies ein absoluter Lesetipp!


    Verdiente :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: .

    Bücher sind Träume, die in Gedanken wahr werden. (von mir)


    "Wissen ist begrenzt, Fantasie aber umfasst die ganze Welt."
    Albert Einstein


    "Bleibe Du selbst, die anderen sind schon vergeben!"
    _____________________________________________


    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • Ich habe mir dieses E-Book zum "Antesten" aus der Onleihe geholt und es regelrecht verschlungen.
    Eigentlich handelt es sich dabei nicht um hochwertige Literatur und es gibt auch einiges zu kritisieren, trotzdem hat dieses Buch mich sehr gefesselt. Nüchtern betrachtet finde ich die Charakterisierung einiger Romanfiguren etwas zu klischeebehaftet und unrealistisch: Manche sind sehr böse, andere wirken zu gut, um wahr zu sein. Zwischen den Gutmenschen und Schlechtmenschen gibt es dann noch die ewig nervende Melanie mit ihrem Dauergejammer. :roll: Das Ende ist mir dann auch etwas zu schmalzig rührselig à la "Friede, Freude, Eierkuchen". Wenn ich es richtig verstanden habe, dient dieser Epilog als Anknüpfungspunkt für weitere Romane der Autorin, die auf Higher Barton spielen.


    Die angesprochenen Schwächen werden für mich aber durch den ansprechenden Erzählstil und den geschickten Aufbau der Handlung auf zwei Zeitebenen relativiert. Beide Handlungsstränge sind sehr interessant: zum Einen die 1940 spielende Erzählung mit der Thematisierung des Zweiten Weltkrieges und den damit verbundenen Auswirkungen/Einschränkungen, zum Anderen vor allem die interessante Darstellung der Arbeitsbedingungen in den Kupferminen des 19.Jahrhunderts und die ersten Ansätze, das Leben der Arbeiter etwas lebenswerter zu gestalten. Der Wechsel zwischen diesen beiden Erzählungen sorgt für Kurzweil und anhaltende Spannung.
    Insgesamt habe ich mich durchaus gut unterhalten gefühlt und vergebe eine Leseempfehlung für Leser, die nach einem anstrengenden Tag so richtig entspannen und abtauchen wollen.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Dieses Buch hat mich ebenfalls außerordentlich gut unterhalten :thumleft: Der Schreibstil ist sehr angenehm. Es gibt hier die böse Stiefmutter, den liebevollen Vater, Eve, die vielleicht ein wenig "zu gut" war, und deren Geschichte rund um Higher Barton, die ich sehr ansprechend fand. Andererseits im Jahr 1940 die Geschichte um Evelyns Familie. Hier nervte leider die Mutter Melanie sehr, aber wie sich am Ende alles zusammenfügt, gefiel mir dennoch sehr gut.


    Das Ende ist mir dann auch etwas zu schmalzig rührselig à la "Friede, Freude, Eierkuchen".

    Hier muss ich @€nigma zwar recht geben, allerdings hatte ich schon lange bei keinem Buch mehr ein Ende, dass mir Tränchen bereitet hat, von daher fand ich es sehr schön.
    Das Buch empfehle ich gern weiter und vergebe :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: