Rainer Schmidt - Die Cannabis GmbH

  • Seiten: 343
    ISBN: 978-3-95403-068-2
    Erscheinungsdatum: 01.10.2014




    Es ist vielmehr ein Roman, der zwar unzweifelhaft autobiographische Züge hat, aber eben in erster Linie unterhalten möchte und welcher auch mal die Schattenseiten unserer vermeintlich tollen Gesellschaft aufzeigt. Man muss nicht unbedingt drogenabhängig sein um darüber zu sinnieren welchen gesellschaftlichen Zwängen man unterliegt und welcher Oberflächlichkeit wir Tag für Tag begegnen. Das Sujet ist sicher relativ schwer verdaulich, geht es doch um Drogen und den Handel mit Diesen. Trotzdem ist das Buch von der ersten bis zur letzten Seite kurzweilig im besten Sinne- faszinierend, wahr und lehrreich ohne belehrend zu sein und gibt einen tiefen Insider-Einblick ohne zu moralisieren oder aus einer Opferperspektive zu schildern.


    Zum Hintergrund muss man wissen, dass Haschisch noch im 18. Jahrhundert die meist verschriebene Arznei und überall frei erhältlich war. Erst bei der zweiten internationalen Opium-Konferenz 1925 wurden weltweite Kontrollmassnahmen eingeführt, obwohl 18 der 19 teilnehmenden Staaten keine Probleme im Zusammenhang mit dem Hanfprodukt vermelden konnten. Die knapp ausgehende Schlussabstimmung zu ungunsten des Hanfs wurde von handfesten wirtschaftlichen Interessen bestimmt; Ägypten drohte den Deutschen an, im Falle eines Abstimmungsverhaltens pro Haschisch Importbeschränkungen für Kokain (Merck) und Heroin (Bayer) zu erlassen. Schließlich wurde die natürliche Droge 1929 im Opiumgesetz des Deutschen Reiches verboten.


    Der Protagonist kommt viel rum und erlebt diverse Abenteuer. Die Handlung ist absolut nicht vorhersehbar, wirkt dadurch aber auch ziemlich zufällig. Ich fand es an vielen Stellen auch durch die Schonungslosigkeit der Erzählart unterhaltsam aber auch deprimierend, klar - aber das ist doch ein realistisches Bild des menschlichen Daseins. Hier gibt es keinen doppelten Boden, hier wird die knallharte Realität erzählt. Wer viel arbeiten muss, muss auch viel Leiden. Und, dass das nicht immer gewürdigt wird, wissen wir auch nicht erst seit gestern. Aber in diesem Buch wird auf eine lustige Art und Weise das wahre Leben widergespiegelt. Wer das Leben hinterfragen möchte, hat hier gute Ansätze.


    Da es von einem "Fachmann" geschrieben wurde, ist es trotz der zahlreichen drastischen Stellen in der Summe ein doch sehr hoffnungsvolles und positives Werk. Der Autor trifft meiner Meinung nach völlig ins Schwarze und spricht Dinge an, die in unserer Gesellschaft gerne 'unter den Teppich gekehrt' bzw. völlig aus dem Zusammenhang gerissen, präsentiert werden. Auch die Drogenpolitik kommt in diesem Werk nicht zu kurz und wird vom Autor auf humorvolle Weise auf's Korn genommen. Dabei wird Rainer Schmidt aber nie angreifend oder versucht dem Leser seine eigene politische Meinung zu diesem Thema aufzudrängen. Er bleibt immer neutral und lässt dem Leser somit alle Möglichkeiten, sich seine eigene Meinung zu bilden.


    Das Buch ist spannend, es besitzt einen roten Faden, einen originellen Plot, einen erstklassig gezeichneten Protagonisten, extrem pointierte, facettenreiche Dialoge und noch ein weiteres, wichtigeres Element: Das Buch hat das gewisse Etwas!!! Uneingeschränkt zu empfehlen


    Somit lässt das Buch ohne Zweifel starke autobiographische Merkmale erkennen, aber nie so weit, dass hier die Persönlichkeit entblößt wird. Rainer Schmidt legt mit diesem Buch keinen Seelenstriptease hin oder rechnet ab, er ‚würzt‘ seinen Roman mit der Wahrheit und überlässt es dem Leser, mit welchem Auge er es liest. Dieser Stil unterhält hervorragend und weiß bis zur letzten Seite zu überzeugen. Da, wo andere Bücher langweilen und sich in dem Abspulen von Fakten oder Ereignissen verlieren, kann der Leser hier teilhaben an einer rasanten Handlung, die nicht selten mit einem Sprachwitz überrascht, bei dem man den Eindruck bekommt, der Autor macht auch vor sich selbst nicht halt, etwa wenn er nicht zögert, die Dinge, die andere nett umschrieben hätten, beim Namen zu nennen. Der aufmerksame Leser wird sehr schnell merken, dass dies keiner lebhaften Phantasie entsprungen ist, sondern in hohem Maße persönliche Erfahrungen und Beobachtungen des Autors sind.

  • Inhalt (Amazon):
    Er wollte eigentlich nur ein bisschen kiffen. So wurde der Junge aus dem Ruhrpott der Grasproduzent, den sie Dude nannten. Gießkanne statt Bewässerungsanlage, Fledermauskot statt Kunstdünger, beste Öko-Qualität. Die Nachfrage explodiert. Der Dude ist hoch im Norden bald ein Unternehmer, auf den die FDP stolz wäre. Ehrgeizig, fleißig, verantwortungsbewusst. Produktqualität und Personalprobleme prägen sein Leben, die fiese Konkurrenz macht Ärger, nur die feine hanseatische Verwandtschat der Ehefrau darf nichts ahnen. Sie glauben, er arbeite beim Baumarkt und bekomme riesige Rabatte. Also bestellen sie für zehntausende Euro Plastikteiche, Carports und Luxusrasenmäher. Aus Spaß wird Stress. Der Dude träumt vom legalen Anbau in Kalifornien und will die Plantage abgeben. Aber dann öffnet der Bauer von nebenan auf seinem Gelände leider die falsche Tür. Die Cannabis GmbH ist ein Roman über eine große deutsche Parallelwelt und die Schizophrenie der Prohibition - sehr frei nach wahren Begebenheiten. Der echte Dude verbüßt gerade eine mehrjährige Haftstrafe.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)