Martha Lea - Die Entdeckungen der Gwen Carrick / The Specimen

  • Inhalt:
    London, 1866: Zur Anklage steht eine Gewisse Mrs. G. Pemberton, der vorgeworfen wird Mr. Edward Scales in seinem Hause ermordet zu haben...


    Cornwall, 1859: Gwen Carrick und ihre Schwester Euphemia leben gemeinsam im Haus ihrer Eltern, nach deren Tod haben sie es zu gleichen Teilen geerbt. Doch Gwen fühlt sich wie eingesperrt. Ihre Naturwissenschaftlichen Interessen werden von der Gesellschaft ignoriert, denn als Frau hat sie so oder so keine Chance anerkannt zu werden. Sie saugt das Wissen aus den Büchern ihres Vaters in sich auf und fertig Zeichnungen verschiedenster Tierarten an, die sie in der Umgebung findet. Ihre Schwester flüchtet sich in ihren Glauben und hält spiritistische Sitzungen ab. Das Verhältnis der beiden zu einander ist mehr als schwierig. Kein Wunder also das Gwen sich schnell zu dem charismatischen Edward Scales hingezogen fühlt, der ihr ein Leben in Freiheit und Selbstbestimmung, vor allem aber in Anerkennung ihrer wissenschaftlichen Arbeit verspricht. Ohne zu überlegen folgt sie ihm nach Südamerika, auf eine Forschungsexpedition. Edward selbst hat jedoch einiges vor ihr verborgen und sie muss feststellen das ein Leben mit ihm nicht das hält, was es verspricht...


    Meine Meinung:
    Es gibt eigentlich nur zwei Buchstaben die ganz genau ausdrücken was ich zu diesem Buch zu sagen habe: HÄ??
    Das mag merkwürdig erscheinen, aber noch seltsamer ist dieser Roman geraten. Oder eher verwirrend. Er lässt zu viele Fragen offen im Raum stehen. Dabei gibtes sehr viele interessante Figuren, vor allem Gwen und ihre Schwester Euphemia stehen dabei im Mittelpunkt. Aber auch andere Frauen spielen wichtige Rollen.


    Doch allen ist ihnen gemein, dass sie letztendlich und vor allem auf ihre Rolle als Frau, im Sinne von Mutter und Sexualobjekt reduziert werden. Dabei soll vermutlich vor allem deutlich werden, welche Rolle Frauen im England des 19, Jahrhunderts (vor allem in der "bessren" Gesellschaft) zugedacht wurde. Der Ansatz hat mir eigentlich auch gut gefallen, vor allem weil auch deutlich wird das Gwen alles andere als dumm ist und ihre Bildung ihr als Mann, ein ganz andres Leben ermöglicht hätte. Zudem ist auch Edwards Verhalten ihr gegenüber ganz das, eines Mannes seiner Zeit.


    Euphemia wäre auch spannend gewesen, leider hält sich die Autorin kaum bei ihr auf und wirft nur einzelne Brocken hin die man kaum versteht, weil man zu ihr eigentlich zu wenig Hintergrund hat. Obwohl ich die Bezeihung der Schwestern doch auch faszinierend fand.


    Vor allem Edward ist ein wichtiger dreh und Angelpunkt der Handlung, seine sexuellen Fantasien und Wünsche stehen im Grunde über allen andren Wünschen die wichtig sein könnten. Er ist ein selbststüchtiger Mann und benutzt Frauen wie er es gerade braucht. Sein Tod scheint Erlösung für alle zu sein. Doch auch hier verläuft die Handlung immer wider in Andeutungen und wird dann ein einer Stelle unnötig überdeutlich, nahezu ekelhaft.


    Der Streit zwischen Wissenschaft und Religion, der durch Darwins Thesen und einiger anderer Forscher sehr zentral wurde, wurde meiner Meinung nach gut heraus gearbeitet. Schade finde ich das er insgesamt aber kaum eine Rolle spielt.


    Zudem ist ein großes Problem des Romans das er sehr verworren erzählt ist: Verworren, verstörend, seltsam abgehoben an einigen Stellen und dann wieder ein paar klare Momente um dann sofort wieder abzudriften.
    Es bildeten sich in mir immer größer werdende Fragezeichen, deren Antworten die Autorin oftmals einfach nicht lieferte. Dadurch wurde es immer schwieriger der Handlung überhaupt noch zu folgen.
    Einerseits hat Frau Lea das 19. Jahrhundert durchaus gut eingefangen und andererseits wird viel Potential zerstört, weil einfach zu viele Fragen im Kopf entstehen. Das hinterlässt bei mir ein Gefühl des Unbefriedigt seins. Ich weiß einfach nicht genau was das ganze sollte. Es hätte schon geholfen, wenn die Autorin wenigstens ein paar der Fragen auch beantwortet hätte.


    Fazit:
    Einerseits war die Lektüre an manchen Stellen faszinierend, andererseits las sich Die Entdeckungen der Gwen Carrick sehr zäh und ich hatte mühe den Roman überhaupt zu beenden. Innerhalb der Leserunde in der ich den Roman gelesen habe, kam es zu keiner Verbesserung des Verständnisses. Im Gegenteil, wir waren alle im Grunde gleich verwirrt.


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    Die Grundidee des Buches ist eine durchaus interessante: Im Zentrum der Geschichte steht die junge Gwen Carrick, die Ende des 19. Jahrhunderts in England lebt. Sie gehört der Oberschicht an, ist hübsch, intelligent und gebildet... Aber sie fühlt sich betrogen und eingeengt von den Erwartungen, die die Gesellschaft an sie stellt. Ihr künstlerisches Talent mag ja noch als schicklich und einer Frau geziemend gelten, aber ihr unersättlicher Durst nach Wissen und ihr Verlangen, als Forscherin zu arbeiten, werden nicht ernst genommen und im besten Fall nachsichtig belächelt. Und so ergreift sie die Chance, als Geliebte eines Forschers nach Brasilien auszuwandern - in dem Glauben, er werde ihr helfen, ihre eigenen Träume zu erfüllen.


    Der Roman spricht eine Unmenge von Themen an: Feminismus, Darwinismus, Séancen und Geisterglaube, die Ausgrenzung von Menschen mit körperlichen Besonderheiten, sexuelle Doppelmoral und Ehebruch, wissenschaftliche Forschung als Selbstzweck oder als Mittel zu Ruhm und Ehre...


    Jedes Fragment der Geschichte alleine wäre schon eine großartige Grundlage für ein atmosphärisches, spannendes Buch, aber zusammen ergeben sie in meinen Augen einfach kein schlüssiges Gesamtbild. Die Mischung ist originell, aber für mich dann doch hauptsächlich frustrierend und ermüdend. Vieles wird angedeutet, halb erklärt und dann fallen gelassen. Einerseits finde ich es ja gut, wenn eine Autorin dem Leser nicht alles bis ins kleinste Detail vorkaut, als sei er ein begriffsstutziges Kind, aber sie ließ mich mehr als einmal völlig ratlos oder zumindest mit unbestätigten Theorien zurück.


    Das Buch hat eine Vielzahl von vielversprechenden, an sich interessanten Charakteren, aber ich hatte nie das Gefühl, ihnen wirklich nahe zu kommen, geschweige denn tiefere Sympathien für sie zu entwickeln. Jeder wirkte auch mich auf seine eigene Art ich-bezogen und selbstsüchtig.


    Vielleicht lag es am Schreibstil, der zwar detailliert und voller schöner Formulierungen ist, aber auf mich seltsam steril wirkte, als würden die Emotionen nur als schwacher Nachhall bei mir ankommen. Jedenfalls konnte ich den Charakteren mit jedem Kapitel weniger abgewinnen, und besonders die diversen Liebeleien konnten mich nicht positiv bewegen, sondern in mir allenfalls ein vages, deprimierendes Gefühl von Widerwillen hervor rufen.


    Die Liebesgeschichte zwischen Gwen und Edward wirkte auf mich von Anfang an ungesund und obsessiv. Es dauert nicht lange, bis Gwen ihn nur noch mit Abscheu und Verachtung betrachtet, während er ein verklärtes Idealbild von ihr vergöttert, dem sie überhaupt nicht entspricht. Das ist sicher auch so beabsichtigt, aber mir fiel es schwer, da noch Vergnügen beim Lesen zu empfinden, denn die Beziehung wird von Kapitel zu Kapitel toxischer.


    Ich fand das Buch eher zähflüssig zu lesen, und auch die eigentlich spannende Rahmenhandlung, in der ein Mord vor Gericht verhandelt wird, konnte mich nicht wirklich packen und wurde für mich auch nicht zufriedenstellend aufgelöst.


    Vielleicht trifft das Buch einfach nicht meinen persönlichen Lesegeschmack, aber ich hatte immer wieder das Gefühl, dass hier enormes Potential nicht voll zur Geltung kam.


    Fazit:
    Die interessante Geschichte einer verkannten jungen Forscherin Ende des 19. Jahrhunderts - oder doch eher ein Reigen selbstsüchtiger, skurriler Charaktere, die sich in verwirrenden Handlungsfetzen im allerkleinsten Kreise drehen? So gerne ich das Buch wegen der vielen interessanten Ansätze auch lieben wollte, so unerbittlich fühlte ich mich am Ende doch enttäuscht.

  • Mit „Die Entdeckungen der Gwen Carrick“ hält man ein ungewöhnliches Buch in den Händen, welches sich auch nur schwer einem bestimmten Genre
    zuordnen lässt, es passt in kein herkömmliches Schema.


    Für mich war es ein Kaleidoskop von grotesken Situationen, merkwürdigen, größtenteils unsympathischen und/oder bemitleidenswerten Personen. Eine stimmige und stringente Handlung sucht man vergebens, ebenso wie Figuren, für die man Sympathie entwickeln könnte. Zu keiner Zeit fühlt man sich besonders wohl in der Geschichte, zumal die Autorin immer wieder gern ihren Fokus auf besonders eklige (aber durchaus treffende) kleine Details lenkt.
    Der Leser bleibt durchweg gefordert. Vieles steht zwischen den Zeilen, manches bleibt einfach im Raum stehen, Andeutungen werden nicht weiterverfolgt und viele lose Fäden hängen am Ende aus dem Knäuel der Handlungsstränge. Manchmal hat man das Gefühl, es würden Teile fehlen.
    Und doch hängt alles irgendwie zusammen, immer wieder werden Personen und einzelne Handlungsfäden verknüpft, ohne aber ein absolut
    verständliches Gesamtbild zu ergeben.


    Recht früh erhält man Kenntnis von einem Gerichtsprozess, in den die Geschehnisse letztendlich münden. Ich mag solche Geschichten, in denen man das Ende, zumindest teilweise, von Beginn an erahnt und dann liest, wie und warum es dazu kam, vor allem dann, wenn sie gut geschrieben
    sind.


    Nachdem ich mich von dem Anspruch verabschiedet hatte, diesen Roman rundum verstehen zu wollen, habe ich mich einfach von der surrealen Atmosphäre einhüllen lassen, die zeitweise geniale Sprache genossen und bin mit Interesse den abstrusen Handlungen der bizarren Figuren gefolgt.


    Mir hat das Lesen Spaß gemacht, auch wenn ich der Autorin nicht immer ganz folgen konnte.