Der Autor (nach Klappentext): Sir William Gerald Golding wurde 1911 in St. Columb Minor, Cornwall, geboren und begann widerwillig ein Studium der Naturwissenschaft, bis er seinen Studienschwerpunkt auf Englische Literatur verlagerte. Ab 1939 lehrte er in Salisbury Englisch. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem er bei der Royal Navy diente, kehrte er in den Schuldienst zurück, von dem er sich 1962 zurückzog. Sein erster Roman "Der Herr der Fliegen" erschien 1954 und wurde 1963 von Peter Brook verfilmt. Von ihm sind ferner die Romane "Freier Fall/Free Fall", "Der Felsen des zweiten Todes/Pincher Martin", "Oliver/The Pyramid", "Der Turm der Kathedrale/The Spire", "Papier-Männer/The Paper Men", "Die Eingepferchten/Close Quarters", drei Kurzromane unter dem Titel "Der Sonderbotschafter/The Scorpion God", Lyrik sowie das Drama "Der Messing-Schmetterling/The Brass Butterfly" und Essays erschienen. 1983 erhielt er den Literatur-Nobelpreis. Er starb 1993 in Perranarworthal, Cornwall.
Inhalt (nach Klappentext): Golding zeigt (...) eine Welt, in der die ältere und mittlere Generation ohne Überzeugung und Kraft traditionelle Lebensweisen weiterführt und gar nicht recht merkt, wie sehr ihre Welt aus den Fugen gerät. Die Zerstörung der Ordnung wird von jungen Menschen in Szene gesetzt: von jungen Menschen, in denen sich der Narzißmus und Infantilismus der Zeit verkörpert. Im Mittelpunkt des Romans stehen zwei junge Frauen. Die schönen Schwestern Toni und Sophy Stanhope werden zu Symbolfiguren des extrem selbstbezogenen modernen Menschen, der zum Schrecken seiner Mitmenschen wird: Toni als politische Terroristin, Sophy als Sadistin im Sexuellen, die vor dem Mord nicht zurückscheut. Ihr Gegenpol ist Matty: ein durch eine Feuersbrunst entstellter, in seiner äußeren Häßlichkeit isolierter Mann. In ihm zeichnet Golding das Bild eines Heiligen unserer Zeit. In einer Folge von dichten Szenen, die auf einen dramatischen Höhepunkt der Handlung zulaufen, zeichet William Golding hier ein herausforderndes, bewegendes Bild von Gut und Böse in unserer Zeit.
William Golding ist ja auch einer der Autoren, die gemeinhin auf einen Roman eingeschränkt werden. Auch ohne "Der Herr der Fliegen" gelesen zu haben, war ich gespannt, was Golding ansonsten geschrieben hat. Daher habe ich mir diesen Roman von 1979 zur Hand genommen, der letzte vor der Verleihung des Literatur-Nobelpreises erschienene, der den wunderbaren Originaltitel "Darkness Visible" trägt.
Bisher ist es sehr faszinierende Lektüre: Im ersten Drittel folgt der Leser der Nacherzählung der Jugend von Matty Septimus Windgrove (Windrove oder Windup - der Nachname variiert). Sein Auftritt ist furios: einige Londoner Feuerwehrleute, deren Einsatzfahrzeug während eines Bombenangriffs Ende des Zweiten Weltkriegs lahmgelegt wurde, sehen, wie die kleine Gestalt eines Jungen aus einem Flammenmeer auf sie zugelaufen kommt, stark verbrannt und entstellt. Außerdem macht man Bekanntschaft mit dem Lehrer Mr. Pedigree, der sich "von der sexuellen Aura der Jugend zu sehr verzücken lässt", die schönen Jungen seiner Schüler anhimmelt und in einem ungesunden Lehrer-Schüler-Verhältnis an sich bindet. Wegen Missbrauchs wird er, nachdem ein abgewiesener Schüler aus dem Fenster fiel, entlassen und landet mehrmals im Gefängnis. Da Pedigree den hässlichen Matty zuvor zu seinen berüchtigten Nachhilfestunden gebeten hatte, um die Gerüchte rund um seine sexuellen Neigungen zu zerstreuen, betrachtet Matty ihn, mit dem er ansonsten fast nichts zu tun hatte, aus der Ferne als seinen Freund. Diese Ferne ist tatsächlich weit entfernt, ist Waisenkind Matty doch aus England nach Australien übergesiedelt, wo er lange Zeit in diversen Jobs arbeitet. Außerdem wird er dort von einem aus dem Nichts auftauchenden Verrückten überfallen und verstümmelt, der sich für einen Aborigine hält - und den auch Matty dafür hält. Später findet er zu Gott, als er beginnt, Geister (einen roten und einen blauen Geist) zu sehen, die ihn in manchen Nächten besuchen. Er scheint für einen bestimmten göttlichen Auftrag ausersehen zu sein, und kehrt nach England zurück ...
Der Roman ist sehr vielschichtig. Dauernd passieren unerhörte Dinge. Eigentlich alle Figuren sind unsympathisch oder erliegen Fehleinschätzungen (und Überschätzungen) der eigenen Person. Gemeinschaft zwischen Menschen ist kein festes Band. Alle denken an sich zuerst - oder sind verrückt. Über allem liegt eine morbide Stimmung. Ich kann mir nicht helfen: Das Buch ist böse, geschrieben von einem Menschenfeind. Bisher also toll! Mal sehen, was noch kommt. Die beiden Zwillinge im zweiten Teil sind ja bisher auch ziemlich seelenlose Früchtchen ...
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Verlag: Gütersloh : Bertelsmann-Club, Stuttgart : Europ. Bildungsgemeinschaft, Wien : Buchgemeinschaft Donau