Arnaldur Indriðason - Nacht über Reykjavik / Reykjavíkurnætur

  • Kurzbeschreibung bei amazon
    Der junge, grüblerisch veranlagte Erlendur Sveinsson hat vor Kurzem seine Tätigkeit als Streifenpolizist in Reykjavík aufgenommen. In den Nachtschichten lernt er die dunklen Seiten der isländischen Hauptstadt kennen: betrunkene Autofahrer, häusliche Gewalt, Einbrüche, Drogenhandel. Ihn bewegt das Schicksal von Randfiguren der Gesellschaft. An einem Wochenende wird ein Obdachloser in einem Tümpel am Stadtrand ertrunken aufgefunden, und eine junge Frau verschwindet spurlos. Beide Fälle lassen Erlendur keine Ruhe, und er beginnt auf eigene Faust zu ermitteln ...


    Autoreninfo bei amazon
    Island ist hierzulande eher für Vulkane, stämmige Pferde und Feen bekannt als für seine Literatur. Als eine der wenigen Ausnahmen hat es der Autor Arnaldur Indriðason geschafft, auch im Ausland erfolgreich Fuß zu fassen. In seinen Romanen um Kommissar Erlendur ist das schroffe Island ein Ort des Schreckens. Autor Indriðason (*1961) hat mit diesen Krimis einige renommierte Preise eingeheimst, u. a. den "Gold Dagger Award". Dabei war das erste Buch für den Journalisten und Filmkritiker Indriðason eigentlich nur "ein Versuch". Da dieser so positiv ausfiel, verdient der Isländer seine Brötchen inzwischen als Autor. Er lebt mit seiner Familie in Reykjavik.


    Allgemeines
    Originaltitel: Reykjavikur naetur , ins Deutsche übersetzt von Coletta Bürling
    Erscheinungstermin der deutschen Ausgabe: 18. Dezember 2014 bei Bastei Lübbe
    Hardcover mit 384 Seiten, 52 Kapitel
    Erzählung in der dritten Person aus Erlendurs Perspektive
    Die Handlung spielt in den Siebzigerjahren in Reykjavik.


    Zum Inhalt
    Das in Deutschland zuletzt erschienene Buch aus der Reihe um Erlendur Sveinsson ist eine Prequel zur Serie und schildert die Zeit der Siebzigerjahre, als Erlendur gerade erst bei der Polizei als Streifenpolizist angefangen hat. Mit zwei Kollegen ist er nachts unterwegs und bekommt es mit unterschiedlichen Einsätzen zu tun: Das Team wird zu Unfallorten gerufen, gelegentlich müssen Betrunkene und Drogensüchtige gebändigt werden, auch Einsätze wegen Ruhestörung, häuslicher Gewalt und Einbruchs sind nicht selten. Im Rahmen seiner Tätigkeit lernt Erlendur auch Obdachlose kennen. Als Hannibal, einer von ihnen, tot in einem Tümpel aufgefunden wird und dem Todesfall seitens der Polizei keine große Aufmerksamkeit geschenkt wird, da man von einem Unfall im betrunkenen Zustand ausgeht, beschließt Erlendur, eigene Ermittlungen anzustellen. Er ist nicht davon überzeugt, dass beim Tod von Hannibal alles mit rechten Dingen zugegangen ist, zumal am selben Tag in derselben Gegend eine junge Frau verschwand, die nicht wieder aufgetaucht ist. Könnten der mysteriöse Todesfall und der Vermisstenfall zusammenhängen? Erlendur ermittelt sowohl im bürgerlichen Umfeld der verschwundenen Frau als auch im Obdachlosenmilieu.
    Aus Erlendurs Privatleben wird eher am Rande seine Freundschaft mit Halldóra thematisiert. Während ihm eine lockere Beziehung reicht, möchte Halldóra allmählich eine Entscheidung darüber herbeiführen, ob und wie die Beziehung weitergehen soll.


    Beurteilung
    Das erste Wort, das bei diesem Roman in den Sinn kommt, ist "unspektakulär". Erlendurs Leben ist hauptsächlich vom Rhythmus seiner Nachtschichten geprägt, die sich im Rahmen der üblichen Bandbreite an Vorfällen (Kleinkriminalität und Unfälle) bewegen. Die Schilderung dieser Vorfälle ist realistisch und gewährt einen Einblick in das Alltagsleben im Reykjavik der Siebzigerjahre.
    Die beiden speziellen Fälle, die Erlendur beschäftigen, verfolgt er in seiner ruhigen, gemächlichen aber auch beharrlichen Art. Seine Ermittlungen sind solide, ihre Realitätsnähe bringt es aber mit sich, dass nur langsam neue Erkenntnisse gewonnen werden, was einen gewissen Mangel an Spannung zur Folge hat.
    Der Erzählstil ist angenehm und flüssig, Erlendur ist hier noch nicht so "melancholisch" wie in seinen späteren Dienstjahren. Allerdings ist er trotz seines Engagements auch nicht gerade ein Ausbund an Temperament.
    Insgesamt ist "Nacht über Reykjavik" eher eine Erzählung als ein Krimi, zumal die Krimihandlung relativ vorhersehbar ist. Freunde von Spannungsliteratur werden hier zu kurz kommen.


    Fazit
    Realistisch und anschaulich, aber sehr "unspektakulär", eher für Freunde nordischer Erzählungen als für Krimifans geeignet!
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Ich habe diesen Roman als E-Book gelesen, anbei der Link:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Island ist hierzulande eher für Vulkane, stämmige Pferde und Feen bekannt als für seine Literatur


    Diesen Satz finde ich etwas befremdlich, erst recht, wenn er so bei Amazon zu finden ist. Man muss wirklich kein Literaturexperte zu sein, oder Fan der nordischen Kultur, um Island auch als Quelle grossartiger Literatur zu kennen. Das kleine Land mit einer geringeren Einwohnerzahl als Zürich (was bereits schon in Österreich nicht mehr als Grossstadt gilt), schreibt seit Menschengedenken tolle Geschichten nieder, angefangen von den Islandsagas bis zu Gunnar Gunnarsson, dem Literaturnobelpreisträger Halldór Laxness und dem heutigen Jón Kalman Steffánsson.


    Das in Deutschland zuletzt erschienene Buch aus der Reihe um Erlendur Sveinsson ist eine Prequel zur Serie


    Ich kenne mich mit dieser Krimireihe nicht aus, habe aber eben gesehen, dass mit "Duell" bereits eine Prequel vorliegt, was ebenfalls eher verhalten bewertet wurde. Scheinbar sind die zuletzt erschienen Vorgeschichten schwächer als die eigentliche Serie - kannst Du das bestätigen?
    Obwohl ich isländische Erzählungen gerne lese, frage ich mich, ob diese Reihe etwas für mich ist, und bei welchem Band ich den Einstieg wählen sollte.

  • Diesen Satz finde ich etwas befremdlich, erst recht, wenn er so bei Amazon zu finden ist. Man muss wirklich kein Literaturexperte zu sein, oder Fan der nordischen Kultur, um Island auch als Quelle grossartiger Literatur zu kennen.


    Von mir stammt dieser merkwürdige Satz ja nicht, aber ich könnte mir schon vorstellen, dass Island als Quelle großartiger Literatur bei Gelegenheitslesern nicht so bekannt ist. Die Menschen in meinem Bekanntenkreis, die weniger lesen, beschränken sich oft auf deutsche, englische und amerikanische Autoren. Ob das für Wenigleser repräsentativ ist, kann ich nicht beurteilen.


    Scheinbar sind die zuletzt erschienen Vorgeschichten schwächer als die eigentliche Serie - kannst Du das bestätigen?


    Zu "Duell" kann ich nichts sagen, da ich es nicht gelesen habe. Für "Nacht über Reykjavik" kann ich der Aussage zustimmen. Es ist beileibe kein schlechtes Buch (3,5 Sterne ist für mich keine schlechte Bewertung), aber im Gegensatz zu den anderen Krimis der Reihe kam es mir im Handlungsverlauf doch schleppender vor.
    Zwar sind die Bücher von Indriðason alle keine Actionthriller. sondern eher "typisch nordische" Kriminalliteratur, aber dennoch waren einige der anderen Romane um Erlendur für mich deutlich fesselnder. "Frevelopfer" hat mir zum Beispiel sehr gut gefallen.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
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  • Prequel zur Serie


    Hat Indridason es so gemacht wie Mankell, also die Vorgeschichte erst geschrieben, als die Wallander-Serie schon erfolgreich war?
    Oder ist es tatsächlich das erste Buch der Reihe und erst jetzt ins Deutsche übersetzt worden?

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Oder ist es tatsächlich das erste Buch der Reihe und erst jetzt ins Deutsche übersetzt worden?


    Wenn man der Krimi Couch glauben darf, hat er dieses Buch 2012, also nach den anderen Bänden geschrieben.


    @Mara
    Der Klick auf den Originaltitel führt bei amazon ins Nirgendwo, bzw. wieder zur deutschen Ausgabe.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
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  • Der Klick auf den Originaltitel führt bei amazon ins Nirgendwo, bzw. wieder zur deutschen Ausgabe.


    Das ist immer so, wenn es das Buch bei amazon.de nicht gibt, deshalb:


    Der Originaltitel lautet: Reykjavíkurnætur


    http://www.goodreads.com/book/show/17160322-reykjav-kurn-tur
    Und hier steht auch dabei es ist die zwar später geschriebene Vorgeschichte. :wink: Ich werde es verschieben.

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • Ich habe bei diesem Buch zwischen 3,5 und 4 Sternen geschwankt. Mir gefällt die ruhige, sachliche Art, mit der Erlendur den Fall aufrollt. Es wirkt sehr realistisch, schon durch die eingeschobenen Szenen "normaler" Polizeiarbeit. Für das Thematisieren der Obdachlosenproblematik gibt es von mir zudem einen Extrapunkt. Ein wenig mehr Spannung hätte es aber schon sein dürfen.

  • An sich mag ich die Bücher von Indridason.


    Doch dieses ist etwas zu langatmig um Spannung auf kommen zu lassen. Die Idee mit dem Toten Obdachlosen, den niemand interessiert, ist gut, nur leider zu langweilig umgesetzt. Der andere Fall der verschwundenen Frau, dümpelt so nebenher. Es ist kein schlechtes Buch, aber doch nicht das, was ich erwartet hatte.


    Es ist ein ewiger Zwiespalt: arbeitet man am Abbau des SuB oder am Abbau der WL?