Takashi Hiraide - Der Gast im Garten / Neko No Kyaku

  • Kurzmeinung

    Freija
    Eine schöne Geschichte mit traurigem Ende
  • Kurzmeinung

    tom leo
    Nicht ganz meins... Die unersetzbare Katze?
  • Buchtipps zum Thema

  • Amazon Inhaltsangabe:


    Ein junges Paar, erschöpft vom Lärmen der Großstadt, bezieht ein Gartenhaus außerhalb Tokyos. Als eines Tages ein kleines Kätzchen auftaucht, unterbricht es die beschauliche Stille des weitläufigen Gartens. Es dauert nicht lange, bis sie es dabei beobachten, wie es sich inmitten der Blumenbeete im Schatten der Bäume räkelt, mit Schmetterlingen und Libellen herumtollt und durch das Unterholz streift. Mehr und mehr öffnen sich die beiden dem unverhofften Gast, und bemerken dabei kaum, was die Katze tatsächlich für ihr Leben bedeutet – bis sie eines Tages verschwindet. Ein Haus und ein Garten, anmutig in seiner aus der Zeit gefallenen Schönheit. Ein Paar, das einen neuen Anfang sucht. Eine scheue Katze, die die Freiheit liebt. Takashi Hiraide verzaubert den Leser mit einem poetischen, zutiefst ergreifenden Roman über die Liebe und die Zerbrechlichkeit des Lebens.



    Meine Meinung (ohne Spoiler):


    Ein Buch das man nicht vergisst oder Bob ohne Hollywood


    1988 in Japan, in einem Vorort südwestlich von Shinjuku lebt ein Ehepaar Ende 30, ohne Kinder oder Haustiere in einem kleinen Gartenhaus. Ihr Leben ist völlig normal. Beide sind berufstätig und arbeiten in einem Verlag, er als Lektor, sie als Korrektorin. Vorallem er scheint sehr unzufrieden mit seinem Alltag zu sein und wird sich durch den Tod eines engen Freundes ähnlichen Alters der Flüchtigkeit des Lebens bewusst. Eines Tages taucht eine Katze in ihrem Garten auf, die vom Nachbarsjungen aufgenommen wird und nach zarghaften ersten Ansätzen wird die Katze, die der Nachbarsjunge "Chibi" (japanisch für "Kleine") getauft hat, zu einem zentralen Teil des Lebens des Ehepaars. Dieses gibt ihr den Kosenamen "Glöckchen" und beide widmen dem Tier sehr viel Zeit und Gedanken. Die Katze geht in ihrem Haus ein und aus und wird für die Frau eine Art enge Freundin - die eben zufällig eine Katze ist.


    Diese Liebe zwischen dem Ehepaar und Chibi entwickelt sich und troz der Kürze des Romans ist die Geschichte eine der berührensten, die ich je gelesen habe. Der Roman ist wie eine poetische Liebeserklärung, die das Glück in Worte fasst, dass dadurch entsteht, wenn man ein Tier in sein Herz lässt. Aufgrund Herrn Hiraides kurzen Autorenporträt nehme ich sogar an, dass sich diese Geschichte sogar genau so zugetragen haben könnte. Das ist einer der Gründe, weshalb mich der Charm der Geschichte vollkommen überwältigt hat. Beim lesen fühlte ich mich, durch seinen ruhigen und authentischen Schreibstil und das Bild des Gartens das er malt, wie vor einem Fenster, durch das die Sonne warm leuchtet.


    Chibi erwachte in meiner Vorstellung zum Leben und ich musste viel an meine Mieze denken, die ebenso eine Nachbarsfamilie auserkoren hat, die sie des Öfteren besuchen geht. Natürlich freut man sich, wenn andere seine Katze auch mögen, aber einen begleitet dennoch eine Sorge und vielleicht sogar Eifersucht, wenn das geliebte Tier über Nacht fort bleibt oder man sogar darum weiß, dass andere diese mitfüttern. Auch das Ehepaar aus dem Roman will zwischenzeitlich vergessen, dass ihr Gast anderswo daheim ist und die Besitzer der Katze sind nicht erfreut darüber, dass Chibi auch von einer zweiten Familie wie ein Kind aufgenommen wird.
    Manchmal möchte man jemanden den man liebt ganz für sich allein haben, ihn gehen zu lassen und es ihm freizustellen zurück zu kommen ist hart, aber ihn zu sich zu zwingen erstickt die Liebe.


    Der Gast im Garten ist wie eine Lebensweisheit, die man einmal gelesen nie mehr vergessen wird. Jeder der selbst eine Freigängerkatze hat oder des Öfteren von einer besucht wird, sollte diesen Roman gelesen haben.


    Danke an den Insel Verlag, dass er dieses 2001 in Japan erschienene Buch nun auch für das deutschsprachige Publikum zugängig gemacht hat.

  • Zum Autor:
    Takashi Hiraide, 1950 in Japan geboren, arbeitete als Verlagslektor, bevor er sich dem Schreiben widmete. Er hat zahlreiche Gedichtbände und Essays veröffentlicht und unterrichtet an der Kunsthochschule Tama. Der Gast im Garten ist sein erster Roman. (von der Insel-Verlagsseite kopiert)


    Allgemeine Informationen:
    Aus dem Japanischen übersetzt von Ursula Gräfe
    Mit Bildern von Quint Buchholz
    Erstmals erschienen 2001 bei Kawade, Tokio
    Ich-Erzählung
    29 nummerierte Kapitel
    Mit Glossar und Quellenangaben 135 Seiten


    Persönliche Meinung:
    Zugegeben, ich wollte dieses Buch gewinnen, weil Quint Buchholz (neben Michael Sowa) mein Lieblingsillustrator ist. Bekommen habe ich eine wunderschöne, stille und zarte Geschichte als Zugabe.


    Eine Katze, die im Garten auftaucht und von dem kinderlosen Ehepaar quasi adoptiert wird, obwohl sie dem Nachbarjungen gehört. Der Autor schildert den Garten, die Wohnanlage und die Wege der Umgebung mit akribischer Detailtreue, sagt genau, in welche Himmelsrichtung welcher Pfad abbiegt und wo im Garten welche Pflanzen und Bäume zu bewundern sind.
    Er vollbringt das Wunder, daraus keine langweiligen Beschreibungen zu machen, sondern die besondere Atmosphäre, in der er lebt, so zu gestalten, dass man sie als Leser malen könnte.
    Das braucht er jedoch nicht, das hat Buchholz in seinen gewohnt zauberhaften zarten und einfach schönen Illustrationen übernommen.
    Die Katze, Chibi = die Kleine genannt, verzaubert. Nicht nur die Frau, die sie füttert und die mit ihr spricht, sondern auch den Erzähler, dem eigentlich nichts an Tieren liegt. Jetzt greift er zu zärtlichen Worten und liebevollen Formulierungen, lobt die Schönheit Chibis beinah so, wie man es von besessenen Katzenbesitzern kennt.


    Die Handlung wäre in zwei Sätzen beleuchtet: Katze kommt, Katze verschwindet, und Ehepaar muss umziehen, weil die Vermieterin das Haus verkauft.
    Dennoch zieht eine einzigartige Lebendigkeit, in der die wenigen Ereignisse erzählt werden, durch das Buch. Gerade die Emotionen, die Freude an der Katze und die Traurigkeit, ihr Zuhause verlassen zu müssen, wirken federleicht wie mit weichem Pinsel gezeichnet; man kennt diese Art, Gefühle darzustellen, auch von anderen japanischen Autoren.


    Es finden sich einige autobiographische Motive; den beruflichen Wechsel vom angestellten Lektor zum freiberuflichen Schriftsteller hat der Autor selbst vollzogen.


    „Der Gast im Garten“ ist keine Katzengeschichte! Es geht um den Ich-Erzähler und seine Frau, um das Erleben des Jahreskreises und um Abschied und Neubeginn.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Eine poetisch-ruhige Auszeit aus der Hektik des Alltags!


    Ein junges, kinderloses Ehepaar braucht eine Auszeit von der Hektik, dem Lärm und Stress der Stadt, weswegen sie sich nach einem neuen Heim im Grünen, außerhalb von Tokio, umsehen. Und tatsächlich: Nach einer Weile des Suchens entdecken sie ein schönes und ruhiges Gartenhäuschen, welches von einem idyllischen Garten umgeben wird und mieten es. Auch das alte Ehepaar, welches das Häuschen vermietet, ist glücklich mit den beiden, da sich diese weder Haustiere noch Kinder wünschen.


    Alles ist in ihrem neuen Heim harmonisch und sehr ruhig. Beinahe schon zu ruhig, denn irgendwie fehlt den beiden etwas… Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung kündigt er seinen Job, um selbstständig arbeiten zu können. Das Leben scheint an dem Paar vorbeizuziehen.
    Doch dann bekommen sie einen Gast im Garten: Eine kleine Katze, Chibi, kommt sie besuchen. Die Kleine ist sehr zierlich, hat weißes Fell mit runden rußschwarzen und hellbraunen Flecken, ist sehr schmal und klein und hat außergewöhnlich hübsche spitze Öhrchen.
    Zwar gehört die Katze dem Nachbarsjungen, doch schließt das Ehepaar Chibi schnell ins Herz. Deswegen richten sie dem Kätzchen einen Karton in ihrem Häuschen ein, damit sie einen schönen Platz zum Liegen hat, wenn sie in das Haus tappst. Jeden Tag wird Chibi ein wenig zutraulicher. Die beiden finden immer mehr Spaß daran, dieses zarte Wesen mit Makrelen zu füttern, mit ihm und dem Ball zu spielen, oder ihm einfach nur beim Herumtollen zuzusehen. Und so wird Chibi jeden Tag aufs Neue zum willkommenen Gast.
    Auf leisen Samtpfoten schleicht sie sich in das Leben des Paars.
    Doch als Chibi eines Tages fortbleibt, bemerken die beiden erst richtig, wie sehr ihnen die Katze ans Herz gewachsen ist und erkennen was für eine große Lücke sie hinterlässt.


    Es ist beeindruckend, wie ein kleiner Gast im Garten das eigene Leben derart auf den Kopf stellen kann und die gesamte Umgebeung aufblüht. Mit leiser und poetischer Sprache entführt Takashi Hiraide den Leser in einen wunderschönen Garten in Japan. Alles wird wunderbar detailverliebt beschrieben, sodass man sich die Pflanzen im Garten und die umherschwirrenden Libellen sehr genau vorstellen kann, aber besonders Chibi ist zum Greifen nah. Ihre Bewegungen, ihr Miauen, ihr Spielen- alles wird sehr sorgsam, aber keineswegs überladen oder gar kitschig, beschrieben.
    Auch das Glossar im Anhang ist sehr ansprechend, dort werden Hintergrundinformationen und Erklärungen zu japanischen Kleidungsstücken, Einrichtungsgegenständen und Ähnlichem gegeben. Ein weiteres Highlight sind auch die wunderschönen Illustrationen von Quint Buchholz!
    Das Buch lässt sich flüssig lesen und ist wie eine kleine Meditation, wie ein Spaziergang in einem japanischen Teegarten, eine Auszeit vom Alltag!


    Ich kann dieses Buch wirklich weiterempfehlen, da es eine Atempause bietet und zeigt, wie bedeutsam und wunderschön die kleinen Dinge im Leben sind und wie man diese genießt. Diese Liebe zu den gewöhnlichen Kleinigkeiten sind sehr nachvollziehbar beschrieben. Man wird von Anfang an in diese positive, ruhige, leise und entspannte Welt gezogen. Und das ganze auf gerade einmal 133 Seiten- beeindruckend!
    Ein berührendes Buch von dem in den kleinen Dingen liegenden Glück und dessen Vergänglichkeit, welches ich absolut weiterempfehlen kann!

  • Hier hat eine Autorin in einem kleinen Büchlein zu einem wirklich souveränen Stil gefunden. Der Gast im Garten ist eine ebenso realistische wie poetische Geschichte und etwas besonderes, und wirklich beeindruckend ist die Fähigkeit der Autorin, in ein neues Gebiet einzutauchen und nicht nur sehr geschickt zu recherchieren, sondern aus den Ergebnissen der Recherche etwas höchst Eigenständiges, Faszinierendes zu entwickeln. Mich begeistert die zurückhaltende schnörkellose schöne Sprache, transportiert der Roman das für mich „typisch“ japanische Wesen. Zuerst hatte ich Angst, dass ich mit einem Buch konfrontiert werde, dass kulturell zu weit hergeholt wäre, da die Autorin Japanerin ist und ich schon öfters Übersetzungen aus dem Japanischen gelesen hatte, die oftmals im Deutschen untergegangen sind. So allerdings nicht bei diesem Buch, man hatte stets das Gefühl, dass alles verständlich ist und sich keine Ungereimtheiten eingeschlichen haben. Allerdings, kann die Autorin, aufgrund ihrer Sinnbilder trotzdem nicht verbergen, dass sie aus dem fernen Osten kommt.
    Es ist eine Geschichte, die zu Beginn trotz ihres poetischen Stils recht realistisch anmutet. Doch je weiter sie fortschreitet, umso unerklärlicher und seltsamer wirkt das Geschehen und Takashi Hiraide übt sich zumeist in bescheidener Zurückhaltung, verweilt aber auch gern in bedeutungsschwangeren Situationen und malt für den gewogenen Leser so Bilder von hoher Prägnanz. Die Geschichte ist geprägt von bildhaften und vielsagenden Metaphern, den jeweiligen Situationen und die Unwägbarkeit des Seins sind eng miteinander verknüpft und umschlängeln sich unaufhaltsam während die Geschichte voranschreitet. So ist es naheliegend, dass die Zahl der Akteure und Schauplätze recht überschaubar ist, mehr braucht es aber auch nicht, denn der Schwerpunkt liegt hier ganz klar bei der Feinsinnigkeit und Poesie. Es gab kaum Stellen in der Geschichte, wo man nicht weiterlesen wollte oder man das Interesse verlor. Grundsätzlich baut sich das Interesse für die Geschichte und Charaktäre aufgrund ihrer Eigenheiten und Gemeinsamkeiten auf. Dabei handelt es sich um die typischen Figuren eines jeden Romans von japanischen Autoren - Jung, durchschnittlich und erfolgreich. Aber auch oft in einer Phase von persönlichen Krisen und seltsam passiv in der Interaktion mit ihrer Umwelt. Sie treiben durch die Geschichte und werden von persönlichen Dämonen ihres Lebens verfolgt. Der Leser darf so tief in die Gedanken- und Gefühlswelt der jeweiligen Protagonisten eintauchen. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Phantasma zusehends und es entsteht langsam eine mystische Parallelwelt irgendwo im Schnittpunkt aus Illusion und Wirklichkeit. Der Leser identifiziert sich sehr schnell mit den Protagonisten und bleibt in ihnen,auch wenn die gesamte Geschichte strukturell sehr stringent im erzählerischen Wechsel der beiden Protagonisten aufgebaut ist und man den Ausgang des Ganzen am Anfang bereits ahnt, ist das was dazwischen auf den einzelnen Seiten passiert so spannend präsentiert, dass man das Buch am liebsten in einem Rutsch - beziehungsweise in einem Rausch - durchlesen möchte.
    Das Buch fesselt von der ersten bis zur vorletzten Seite mit grandiosen Ideen, einem fesselndem Erzählstil und wunderbaren Gleichnissen. Die blumige Sprache von Takashi Hiraide macht dabei immer wieder deutlich, das der Weg das Ziel ist.

  • Wie ein Haiku


    Dieses Buch ist für mich wie ein Haiku – sein Wert liegt in Stimmungen und Bildern. Und in den vielen Dingen, die zwischen den Zeilen liegen. Ebenso sehr wie in der eigentlichen Erzählung – die ja denkbar kurz ist, bei nur 133 Seiten.


    Das wundert mich umso weniger, als ich über das Leben des Autors nachgelesen habe. Er hat tatsächlich vorher keine Romane veröffentlicht, sondern – Gedichte! Das merkt man sofort. Selbst einzelne Kapitel wirken oft wie „aus der Zeit gefallen“, wie poetische Momentaufnahmen. Man kann an das Buch einfach keine handelsüblichen Erwartungen wie an andere „Romane“ anlegen!


    Ein junges Ehepaar mietet sich im Gartenhaus einer alten Dame ein. Diese besitzt ein großes Grundstück, eher einen Park. Der Garten spielt auch fast eine weitere Hauptrolle im Buch, neben der kleinen Katze, nach der das Buch eigentlich benannt ist. Manche Pflanzennamen, Büsche und Bäume kommen wohl nur in Japan vor. Der Garten verströmt den Eindruck von Weite und Idylle.


    Ich glaube, man muss die Erzählung auch auf einer symbolischen Ebene begreifen. Das Ehepaar, vor allem die Frau, entwickelt schon nach kurzer Zeit eine unerklärliche Anhänglichkeit an Chibi, die kleine streunende Katze, die eigentlich den Nachbarn gehört. Chibi steht für die Kinder, welche das Ehepaar nicht hat. Aber sie steht auch für Vergänglichkeit und Schönheit; zwei ureigene, „japanische“ Themen, die eben auch in Haikus immer wieder vorkommen.


    Das Ende ist dementsprechend sehr passend gewählt. Die Katze verschwindet, und ist – so weit man weiß – vermutlich tot. Und das Haus der alten Dame, samt Garten, wird verkauft. Das Buch endet mit dem sehnsuchtsvollen Rückblick des jungen Paares auf das, was war.


    Damit hat man alles über das Buch gesagt – und doch auch nichts. Es ist voller wunderschöner Schilderungen. Libellen, die in einem Wasserstrahl tanzen. Blütenduft und Blätterrauschen. Tropfender Regen auf dem Dach. Passanten hinter einer undurchsichtigen Glasscheibe. Absichtsloses Spiel. Ich fand es ganz einfach wunderschön, und werde es sicher noch öfter lesen.

    "Ein Mensch, der Ideale hat/
    Der hüte sich, sie zu erreichen!/
    Sonst wird er eines Tags anstatt/
    Sich selber andern Menschen gleichen."
    (Erich Kästner) :):)