Roddy Doyle - Die Frau, die gegen Türen rannte

  • Paula Spencer hat es nie leicht gehabt im Leben, das mit 39 Jahren in ihren Augen wirklich enden könnte. Eine verpfuschte Schullaufbahn, eine grauenhafte Ehe und nur Probleme und immer wenn ihr Mann sie wieder einmal verprügelt hat, muss sie im Krankenhaus lügen wie gedruckt, was ihr dort aber auch keiner mehr abnimmt.


    Die Sprache ist Doyle und damit bleibt eine gewisse Leichtigkeit in diesem Roman, was die vielfältigen schrecklichen Momente in Paulas Leben umso deutlich in das Bewusstsein der Leserinnen und Leser treffen lässt, so dass sie hier ungefähr genauso ankommen, wie die Schläge auf ihrem Körper. Ein hervoerragendes - aber keine schönes - Buch. :study::-k

  • Paula O'Leary wächst mit sechs Geschwistern im katholischen Dublin auf. In der Schule sind ihre Leistungen eher mäßig; Prügeleien und Verbalattacken sind an der Tagesordnung. Schon früh, mit 12, 13 Jahren sind Jungs das wichtigste in ihrem Leben. Nur wer von einem Jungen beachtet wird und "mit ihm geht" zählt unter den Jugendlichen. Ein Mädchen hat immer schlechte Karten: Es ist entweder eine Schlampe oder ein Mauerblümchen.
    Als sich der von vielen angebetete Charlo Spencer für sie interessiert, schwebt sie im siebten Himmel, und schnell folgen Hochzeit und vier Kinder. Aber die Ehe wird für Paula zur Hölle. Charlo schlägt und prügelt sie krankenhausreif, vergewaltigt sie. Immer wieder nimmt Paula sich vor, jetzt alles richtig zu machen, um ihm keinen Anlass zu liefern; sie sieht sich als Schuldige an seinen Ausbrüchen und beharrt weiterhin auf ihrer Liebe zu ihm. Und immer wieder findet sie für sich selbst Entschuldigungen und Gründe, weshalb sie ihn nicht verlassen kann. Sogar im Krankenhaus, wo man sie und ihren Fall inzwischen kennt, wagt sie nicht, die Wahrheit zu gestehen und erklärt ihre Verletzungen mit "Treppe heruntergefallen" oder "gegen Türen gelaufen". Sie wartet, dass jemand auf sie zukommt und eindeutige Fragen zu ihrem Zustand stellt, aber das passiert nicht (der Leser weiß, dass sie auch in diesem Fall zu Ausflüchten greifen würde). Und sie wartet auf das Wunder, dass Charlo nochmal der liebevolle, zärtliche und großartige Kerl wird wie vor der Hochzeit. Dass sie ihren Alltag zwischen Gewalt, Kindererziehung und einem Job als Putzfrau nur noch mit Alkohol erträgt, ist beinah eine logische Folge.
    Selbst als ein neues Leben in Sicht ist, bleibt immer noch der Kampf gegen die Flasche.


    Roddy Doyle erzählt nicht chronologisch, sondern in Zeitsprüngen und versetzten Handlungssträngen. Man muss sich also erst einmal einlesen, um die Chronologie von Paulas Leben zu entdecken.
    In Paulas Schicksal wird ein Familienbild deutlich, das in Irland bis heute nicht ausgerottet ist: Der Mann arbeitet und verbringt seine Abende im Pub, die Frau als Herrscherin über Haus und Kinder und als Dienstmädchen am Herd und im Bett.
    Paula lamentiert nicht. In weiten Passagen verwundert die Distanz, mit der sie erzählt; nur ab und zu kommt Selbstmitleid durch, das ihr zusteht. Ihre Erklärungsversuche klingen für den Leser natürlich halbherzig und wenig überzeugend, auch wenn sie selbst als Romanfigur (leider) glaubwürdig und echt wirkt.


    Was mir das Lesen vergällte, war die Ausgabe des Buches: Gedruckt in einer schlecht lesbaren Schrift (sah aus wie auf einer vorsintflutlichen mechanischen Schreibmaschine getippt), hunderte von Druckfehlern, vertauschte Seitenzahlen (ab S. 52 waren die geraden Seitenzahlen auf der rechten Seite) - daran gewöhnt man sich nicht. - Erst zum Schluß entdeckte ich, dass das Buch aus meiner Bücherei ein Rezensionsexemplar war. Bleibt zu hoffen, dass das auf den Markt gebrachte Buch gründlich korrigiert wurde.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)