Inhalt:
Nina Frost ist als Staatsanwältin auf Missbrauch, Misshandlung und Vergewaltigung bei Kindern spezialisiert. Eines Tages erfährt sie, dass ihr Sohn (5 Jahre alt) vergewaltigt wurde. Sie weiss, was vor Gericht mit ihrem Sohn passieren wird, dass nämlich seine Aussage vom Rechtsanwalt des Beschuldigten zerrissen wird, dass das Kind in die Enge getrieben und verängstigt wird, dass das Kind durch einen Prozess womöglich noch mehr traumatisiert wird, usw. Um ihrem Sohn dies zu ersparen, erschießt sie den Verdächtigen. Aber es stellt sich heraus, dass dieser Mann unschuldig ist.
Ich weiss nicht, ob mich schon jemals ein Buch so erschreckt und empört hat wie dieses.
Ninas Motiv für den Mord ist vollkommen absurd. Sie kommt ins Gefängnis, vor Gericht, ihre Ehe droht zu zerbrechen, das Kind wird ihr entzogen - und das alles soll für ein Kind weniger schlimm sein als eine Aussage vor Gericht???
Ich hätte vielleicht noch Verständnis aufgebracht, wenn es eine Tat im Affekt gewesen wäre, aber Nina muss sich erst noch eine Waffe besorgen, hat also die Tötung gezielt geplant und ausgeführt.
Zweifel an ihrer Handlung kommen ihr erst, als klar ist, dass der Mann nicht der Täter sein kann. Mit andern Worten: Das Töten eines Menschen ist gerechtfertig; moralisch verwerflich wird es erst, wenn man den Falschen erwischt.
Von der merkwürdigen Handhabung der Gerechtigkeit im amerikanischen Rechtssystem braucht man, glaube ich, nicht viele Worte zu verlieren. Schuld oder Unschuld ist Nebensache, sofern man einen gewieften Anwalt hat.
Durch den Schluss, der zugegeben eine Überraschung bietet, wird die fragwürdige Moral nochmal verstärkt und Selbstjustiz erneut gerechtfertigt.
Dass eine Mutter - und natürlich auch ein Vater - zur Mordwaffe greifen kann und sie gegen jemanden richtet, der ihrem Kind etwas Furchtbares angetan hat, könnte ich noch nachvollziehen (ich weiss auch nicht, wie in in einem solchen Fall reagieren würde), aber dass ein Buch Lynchjustiz als vertretbares ethisches und moralisches Handeln verkauft, ist für mich absolut unfassbar.
Marie