Stefano Mancuso & Alessandra Viola - Die Intelligenz der Pflanzen/ Verde brillante. Sensibilità e intelligenza del mondo vegetale

  • Klappentext:
    Ohne die Pflanzen, die uns mit Nahrung, Energie und Sauerstoff versorgen, könnten wir Menschen auf der Erde nicht einmal Wochen überleben. Merkwürdig eigentlich, dass sie trotzdem lange als Lebewesen niederer Ordnung galten, knapp oberhalb der unbelebten Welt. Erst seit kurzem erkennt die Forschung, was schon Darwin vermutete: dass Pflanzen trotz ihrer (scheinbaren) Unbeweglichkeit über stupende Fähigkeiten verfügen, ja über Intelligenz. Denn außer den fünf Sinnen des Menschen besitzen sie noch mindestens 15 weitere, mit denen sie nicht nur elektromagnetische Felder erspüren und die Schwerkraft berechnen, sondern zahlreiche chemische Stoffe ihrer Umwelt analysieren können. Mit Duftstoffen warnen sie sich vor Fressfeinden oder locken Tiere an, die sie davon befreien; über die Wurzeln bilden sie riesige Netzwerke, in denen Informationen über den Zustand der Umwelt zirkulieren. Ohne Organe können sie so über eine Form von Schwarmintelligenz Strategien entwickeln, die ihr Überleben sichern.Von wegen »vegetieren«! Ein besseres Verständnis der Intelligenz der Pflanzen könnte uns lehren, auf Pestizide zu verzichten, ja, bessere Computer und Netzwerke zu entwickeln, meint der renommierte Pflanzenforscher Stefano Mancuso, der uns in diesem Buch anschaulich und voller Leidenschaft eine unbekannte Welt eröffnet. (von der Verlagsseite kopiert)


    Die Autoren:
    Stefano Mancuso, Professor an der Universität Florenz, leitet das Laboratorio Internazionale di Neurobiologia Vegetale und ist Gründungsmitglied der International Society for Plant Signaling and Behavior. Mit über 250 wissenschaftlichen Publikationen gilt er international als der Spezialist zum Thema. Er sprach 2010 auf der TED-Konferenz, nahm mit Experimenten am europäischen Space Shuttle-Programm teil und stellt auf der EXPO 2015 in Mailand ein neuartiges Pflanzenkultivierungsprojekt vor.
    Alessandra Viola ist eine preisgekrönte italienische Wissenschaftsjournalistin, die auch für die RAI Fernsehprogramme entwirft. (von der Verlagsseite kopiert)


    Allgemeine Infomationen:
    Originaltitel: Verde brillante. Sensibilità e intelligenza del mondo vegetale
    Erstmals erschienen 2013 bei Giunti Editore, Florenz-Mailand
    Aus dem Italienischen übersetzt von Christine Ammann
    Fünf Kapitel mit zahlreichen Unterkapiteln, Literaturhinweise
    166 Seiten


    Inhalt:
    Die Wurzeln des Problems
    Die Pflanze, das unbekannte Wesen
    Die Sinne der Pflanzen
    Die pflanzliche Kommunikation
    Die Intelligenz der Pflanzen


    Eigene Beurteilung:
    Die gängige Meinung seit Alters her besagt: Pflanzen stehen in der Hierarchie der Arten nur knapp über den unbeseelten Dingen wie Stein, Sand oder Wasser. Sie sind den Tieren und erst recht den Menschen in allem unterlegen.
    Der Autor hinterfragt diese Ansicht und belegt das Gegenteil.


    Zunächst die Frage: Was ist Intelligenz? Macht man sie an der Existenz eines Gehirn fest, so ist klar: Pflanzen können nicht intelligent sein. Weitet man die Definition aus und bezeichnet Intelligenz als Fähigkeit zur Problemlösung und zum Überleben, dem individuellen und dem der Art, so ist die Antwort nicht mehr eindeutig.


    Vor etwa 500 Millionen Jahren differenzierten sich Pflanzen und Tiere. Die einen wurden zu Nomaden, d.h. sie bewegten sich, suchten Futter, trafen Artgenossen, mit denen sie sich paarten, und konnten sich ihren Feinden durch Flucht entziehen. Die Pflanzen als sesshafte Wesen, mussten ihre Nahrung von ihrem Standort beziehen, eine eigene Form des Widerstands gegen Feinde entwickeln und andere „Organe“ ausbilden.

    Anzuerkennen, dass Pflanzen Intelligenz besitzen, erfordert als erstes ein Umdenken. Die Sinnesorgane von Mensch und Tier sind ohne Gehirn nicht möglich, andererseits ist das Gehirn ohne den Körper nutzlos. Nur mit dem Gehirn als Kommando- und Kommunikationszentrale und Organen und Gliedmaßen als Befehlsempfänger und -ausführende sind wir dem Leben gewachsen.


    Doch Kommunikation sowohl zwischen einzelnen Pflanzen (dass sie sich beim Wachsen nicht gegenseitig behindern) als auch zwischen Pflanze und Tier (z.B. Bienen) als auch zwischen den einzelnen Teilen (Wurzel und Blatt, …) funktioniert.
    Ein Blatt muss der Wurzel erklären können, dass es Wasser braucht; Zellen in Wurzel und Stamm geben Nährstoffe weiter; eine Pflanze erkennt den Herbst und wirft die Blätter ab; sie erkennt die Nacht und rollt ihre Blüten ein.


    Der Autor schreibt sachlich, themenbezogen und klar strukturiert, aber auch leidenschaftlich, so dass sich das Buch für interessierte Nicht-Fachleute flüssig lesen lässt. Er zitiert Quellen und Forscher wie Darwin oder Linné und gibt weiterführende Literatur an, man kann sein Werk also zu den populärwissenschaftlichen Büchern rechnen.


    Was die Lektüre des Buches so anregend macht, sind die Aha-Erlebnisse. Jeder weiß, dass Pflanzen z.B. stärker werden, wenn man sie beschneidet; man weiß, dass die Bäume im Frühjahr austreiben; man weiß, dass Kirschen erst schmecken, wenn sie rot sind. Aber woher weiß eine Pflanze dies, und woher weiß sie, wann sie Blüten hervorbringt und vertrocknen lässt, wann und wie sie die Bienen herbeiruft, mit welchen Artgenossen sie am besten in Symbiose lebt … wer außer den Biologen macht sich darüber Gedanken?
    Das Buch ist ein klassisches Beispiel für den Aphorismus von Francis Picabia: Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann.


    Es geht nicht um Kommunikation mit den Pflanzen; von dem Anspruch, mit seinen Zimmerpflanzen zu sprechen oder sich bei einem Salatkopf vor dem Verzehr zu entschuldigen, ist der Autor weit entfernt. Er fordert ein Umdenken in unserer Bewertung der Pflanzen als unbelebten „Gegenständen“; er zeigt Möglichkeiten auf, wie die Selbstverteidigungskräfte der Pflanzen Dünger einsparen und wie der Mensch von der Vernetzung der Pflanzen für seine Kommunikationssysteme lernen kann.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Das italienische Original.


    Dieses Cover ist treffender und origineller, aber das der deutschen Übersetzung ist einfach schön.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Vielen Dank für die interessante Rezi. Ich glaube, das Buch wäre ein schönes Geschenk für meine "kleine" Biologie-Studentin so als "Fachlektüre" abseits staubiger Lehrbücher. :)

    Gelesen in 2024: 7 - Gehört in 2024: 5 - SUB: 598


    "Wenn der Schnee fällt und die weißen Winde wehen, stirbt der einsame Wolf, doch das Rudel überlebt." Ned Stark