Ayana Mathis - Zwölf Leben/ The Twelve Tribes of Hattie

  • Von der amerikanischen Kritik schon mit der ersten schwarzen Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison verglichen, ist das Romandebüt von Ayana Mathis tatsächlich ein erstaunlich reifes und tiefes Buch.


    Es erzählt in einzelnen Geschichten von der Afroamerikanerin Hattie und ihren elf Kindern. Jeder dieser zwölf Personen hat sie ein Kapitel gewidmet, die in einem Zeitrahmen zwischen 1925 und 1980 angesiedelt sind. Immer mehr, je weiter die Erzählungen schreiten, ergibt sich ein Bild einer Familie, ihren verschiedenen Charakteren und der Entwicklung der einzelnen Personen in einer Gesellschaft, die den Afroamerikanern ihre Rechte verweigert und durchsetzt ist von verdecktem und offenem Rassismus.


    Erschütternd sind sie oft, die Schicksale der einzelnen Personen und lassen den Leser mehr als einmal regelrecht sprachlos zurück. In einer verzaubernden und mitreißenden Handlung wird mit einer poetischen und an Bildern reichen Sprache erzählt von Hoffnung und Liebe und von Schuld und Vergebung.


    Mit großer Spannung dürfen die Leser in den USA und dann auch in Deutschland ihr zweites Buch erwarten, von dem zur Zeit nicht bekannt ist, wann es erscheinen wird. Dann wird sich auch zeigen, ob die schnellen Vergleiche mit Toni Morrison standhalten.

  • @Winfried Stanzick geh ich recht in der Annahme, dass Du das Buch gelesen hast? Dann solltest Du dazu einen eigenen Rezensionsthread erstellen, denn hier ist ja der Hörbuch-Bereich :wink:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn


  • Inzwischen habe ich dieses erstaunliche Buch von Ayana Mathis ebenfalls gelesen, und denke, dass es vielen BT'lern gefallen könnte. Es ist ein regelrechter Pageturner !


    Der Titel und vieles vom Inhalt, insbesondere die ersten Kapitel, spielen mit Bildern und Sprachelementen aus der Bibel. So ist der Originaltitel ja nicht zwölf Leben, sondern zwölf Stämme, und das Epitaph aus dem Buch Deuteronomium zeigt dies auch deutlich. Wenn ich darauf bestehe, so sicherlich, weil wir heute hier ein Problem mit einer solchen Sprache haben und sie gerne beiseite schieben, doch im Kontext des Romans macht es doch Sinn.


    So ist der Wegzug einer Kernfamilie mit Hattie und ihrer Schwester aus dem südstattlichen Georgia und seiner noch existierenden Rassentrennung ins nordstaatliche Philadelphia die Ahnung eines Neuanfangs und wie « ein Zug ins Paradies », den Hattie selber nie bereuen sollte. Denn das Schwarz-sein an sich wird im Norden wohl nicht verurteilt. Dennoch : im Zusamennhang des Buches kann man sich fragen, ob der Norden dieser dann wachsenden Familie um Hattie herum das reine Paradies bringt. Ja, ironischerweise scheint sogar für ein Kind die Adoption durch eine Schwester Hattie, und damit der Weg zurück in den Süden die Lösung zu sein. Nun, diese und andere Verluste warten im Leben auf Hattie. So wird hier von Ayana Mathis kein Schwarz-Weiß-Bild gemalt, sondern ein Schmerzensweg mag es überall geben, wenn auch anders.


    Nach dem Verlust ihrer Kinder, und angesichts einiger Reaktionen ihrer Kinder, erleben wir Hattie als unbeugbare Frau, doch auch gezeichnet. Ihre Weise, Zuneigung auszudrücken mag nicht dem direkten Sehnen ihrer Kinder entsprechen. Doch sie ist nicht distant aus Herzenshärte, sondern vielleicht aus erfahrenem Leid heraus ? Abwehrmechanismus ?


    Die Kapitel sind nach Jahreszahlen betitelt und widmen sich je insbesondere einem (oder auch zweien) der Kinder. Es beginnt mit den ersten Kindern, einem Zwillingspaar, in der Mitte der 20iger Jahre und es geht bis zu schon alternden Geschwistern in den 80iger Jahren. Durch geschickte Einbeziehung von Infos über Hattie ergeben sich Handelsstränge und Puzzleteile, die diese Leben verbinden und einen Eindruck von Hatties Leben ergeben. Es ist – wie halt im Leben – schon interessant, wie jedes dieser Leben anders verläuft und auch einen kleinen Rundumblick erlaubt auf einige Grundprobleme der Gesellschaft oder Existenzprobleme Einzelner. Manche Kapitel sind von einem allwissenden Erzähler erzählt, andere aus der Ich-Perspektive des/der Betroffenen.


    Es scheint, dass die Autorin in einem Interview davon erzählte, dass es sich mehr oder weniger um die Geschichte ihrer Großmutter handeln würde, die im Rahmen der Süd-Nord-Emigration sich auf den Weg gemacht hätte.


    Ein gutes Buch, das hier manchen begeistern könnte !

  • Ayana Mathis - Zwölf Leben


    Während des Lesens kann man Hatti förmlich vor sich sehen, wie sie lacht und weint, sich wundert oder auch ärgert. Sie ist auch die eigentliche "Hauptfigur" dieses Romans, der sich mit den vielen unterschiedlichen Gesichtern und Hintergründen der Wahrheit beschäftigt. Mathis malt kein Schwarz-Weiss-Bild, sondern zeigt auch einzelne Lebensgeschichten ihrer Kinder, und wie sie verknüpft sind. Es beginnt mit der Hoffnung auf ein besseres Leben von Hatty und dem Wunsch das die Zukunft leichter wird, aber dieses Buch gestattet, neben der Fmailiengeschcihte - mehrere Lesarten: da ist zum einen die politische. Die bisherige illegale Opposition kommt an die Macht, die Schwarzen erhoffen sich Gerechtigkeit auf allen Ebenen. Es stellt sich aber heraus, daß das große Wunder ausbleibt: die guten Jobs gehen weiterhin an Weiße und – neuerdings – an reiche Schwarze, weil diese sich die teuren Privatschulen und -universitäten leisten können, die dem Gros der Bevölkerung verschlossen sind. Korruption und Freunderlwirtschaft gehen unter anderem Vorzeichen weiter, wie vorher. Und Hattys Zukunftsträume lösen sich in Luft auf, dennoch muss Sie weitermachen, gebiert Kinder und versucht mit viel Mut das Beste aus Ihrem Leben zu machen.


    Die wundersame Lebens-Leidensgeschichte einer Frau in den Zeiten der Great Migration - für die diese Zeit nicht die Zuckerseite bereit hält, die immer wieder die Tücken des Lebens und dieser schweren zeit für Schwarze meistern muss und mit Ihren Kindern einen langen Weg beschreitet aber in Wirklichkeit kein schönes Leben lebt, da Ihre Hoffnungen alle zerstreut wurden, dennoch schafft sie es, sich und ihre Kinder mit Liebe und Achtung in der Welt zu behaupten und nach einem neuen Schicksalsschlag wieder neuen Mut zu schöpfen. Das Buch ist mitreißend, spannend und in einer außerordentlich guten literarischen Sprache geschrieben.
    Eine ergreifende Geschichte über das Leben, die Begierde und Hoffnung, das Berechnende im Menschen, das Enttäuscht-Werden, das Ins-Leben-Geworfen-Sein und nicht zuletzt die Liebe, sowie Familienzusammenhalt.
    Doch die Autorin schafft noch mehr ' und beweist damit, dass sie zu den wirklich talentierten NachwuchsautorInnen gehört. Ayana Mathis Buch bringt uns zum nachdenken, lachen und traurig sein, und das ist das eigentlich Schöne an diesem Buch. Dieser ständige Wechsel zwischen Melancholie und Leichtigkeit.
    Mathis Sprache besticht und wird zum Suchtmittel.
    Ein intelligent geschriebener Roman für alle, die hinter die Fassade dieses wunderschönen aber auch erschreckend brutalen und damit komplizierten Landes blicken wollen, das einen packt, sobald man anfängt, sich damit zu beschäftigen. So wie mich der Roman gepackt hat: nach der ersten Seite konnte ich das Buch kaum mehr aus der Hand legen. Aber es Aber es sind nicht nur die Episodengeschichten über Hattis Kinder superspannend, und der Aufbau raffiniert, sondern zwischendrin gibt es bisschen geschichtlichen Hintergrund zur Unterfütterung, was sehr zum Verständnis der Situation dieses Landes beiträgt und damit den Leser in angenehmer Weise an die Hand nimmt.

  • Klappentext:
    Als Hattie ihre erstgeborenen Zwillinge Philadelphia und Jubilee taufte, war das Ausdruck einer großen Hoffnung. Hatte der Norden, die »Wiege der Freiheit«, den Schwarzen, die aus dem Süden kamen, nicht Gleichheit und Wohlstand versprochen? Und schmeckte das Leben in dem kleinen Haus an der Wayne Street nicht nach Zukunft? Hattie wird noch viele weitere Kinder bekommen, aber kaum etwas von ihren Hoffnungen wird sich erfüllen. Schmerz über Versagen und Schicksalsschläge überschattet Hatties Dasein. Es ist ein Schmerz, der sich fortschreiben wird in die nächste Generation. Doch diese Saga um eine außergewöhnliche Frau und ihre zwölf Kinder, die als Geschichte der Great Migration beginnt und sich zum Tableau mit zwölf Einzelporträts über das ganze zwanzigste Jahrhundert weitet, ist trotz Scheitern und Enttäuschung ein vitales Epos – voller Lebenskraft und verhaltener Zärtlichkeit, voller Mut und Entschlossenheit im Kampf gegen Bitterkeit.


    Cover:
    Das Cover des Buches gefällt mir sehr gut. Zusammen mit dem Titel hat es eine starke Ausdruckskraft und verlangt geradezu danach, dass man sich das Buch näher ansieht.


    Meine Meinung:
    Das Buch beginnt mit Hattie – der Mutter aller zwölf Kinder – und mit ihren beiden erstgeborenen Zwillingen. Hier ist Hattie noch jung und voller Zuversicht und Leben. Als die beiden Kinder an Lungenentzündung sterben, bleibt sie – obwohl sie weitere Kinder bekommt – immer in ihrem Schmerz durch den Verlust der Zwillinge gefangen. Sie bekommt ihr Leben nicht mehr in den Griff. Die nächsten Kapitel erzählen nacheinander von ihren weiteren Kindern: Floyd, Six, Ruthie, Ella, Alice, Billups, Franklin, Bell und Cassie. Allen ist gemeinsam, dass keiner wirklich glücklich ist, sie sind alle rastlos und suchen etwas, wobei keiner weiß, was genau. Sie lieben ihre Mutter und diese liebt ihre Kinder ebenfalls, nur zeigt es keiner dem anderen. Dadurch fehlt ihnen wohl die offene Bestätigung der Liebe. Es ist eigentlich eine absolut traurige Geschichte, da wirkliches Glück und Freude fehlt. So wie die Mutter Hattie ihre Freude und Fröhlichkeit mit den ersten Kindern verloren hat, so haben ihre weiteren Kinder diese Freude nie gefunden. Am Ende bleibt die Hoffnung, dass der Enkeltochter Sala ein besseres Leben gelingt.
    Die Grundaussage des Buches ist für mich, dass Kindern durch die Mutter immer etwas mitgegeben wird. Hier steht wohl der Schmerz im Vordergrund. Auch dass fehlende Liebesbeweise bei den Kindern eine Leere entstehen lassen, die sie in ihrem Leben durch irgendetwas zu füllen versuchen. Aber das gelingt - zumindest hier - keinem.
    Die Geschichte beleuchtet außerdem auch die Zeit, als die Leute noch in Schwarz und Weiß eingeteilt wurden und Schwarze als Menschen zweiter Klasse galten.
    Der Schreibstil ist grundsätzlich flüssig aber auch gewaltig und zeitweise machten die Personen richtige Gedankensprünge, daher musste ich langsamer lesen, um den Text richtig aufzunehmen.


    Fazit:
    Es ist ein Buch voll von Schmerz, Wut, Trauer und Bitterkeit und daher ganz sicher keine Geschichte, um eine fröhliche Stimmung zu erzeugen. Man sollte das Buch in Ruhe lesen und auf sich wirken lassen.

  • Einwirklich intensives, gutes Buch. Es wurde schon hier von einigen kommentiert...:


    Ayana Mathis - Zwölf Leben/ The Twelve Tribes of Hattie


    Vielleicht kann ein Mod Deinen Beitrag anhängen.

  • Beitrag an bestehenden Thread angehängt :wink:



    @TinaMar Bitte schau erst über den Rezensionsindex, ob es nicht bereits einen Thread zu einem Buch gibt ehe Du einen neuen erstellst

    viele Grüße vom Squirrel



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