Originalsausgabe: The girl you left behind, Penguin Books, 2012
Klappentext: Zwei Paare - getrennt durch ein Jahrhundert, verbunden durch ein Gemälde. Während um sie herum der erste Weltkrieg tobt, versucht Sophie stark zu sein - für ihre Familie, für ihren Mann Édouard, der auf Seiten Frankreichs kämpft. Nur ein Gemälde ist ihr geblieben, das sie an ihr gemeinsames Glück erinnert. Ein Porträt, das Édouard von ihr malte. Und das ihn jetzt retten soll.....
Hundert Jahre später. Liv trauert um ihren Mann David. Vor vier Jahren ist er gestorben, viel zu früh. Livs kostbarster Besitz: ein Gemälde, das er ihr einst schenkte. Der Maler: Édouard. Das Modell: Sophie. Als ihr diees Gemälde genommen werden soll, ist sie bereit alles zu opfern. Auch das eigene Glück....
Aufbau/ Inhalt: Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen. Im ersten Teil begleitet der Leser Sophie, eine junge Französin, die in dem kleinen Ort St. Péronne zusammen mit ihren Geschwistern versucht, das kleine, familien-eigene Hotel irgendwie am Laufen zu halten. Die Zeiten sind unsagbar hart: Es gibt kaum etwas zu essen, die Deutschen, die den Ort besetzt halten, drangsalieren die Bevölkerung willkürlich und auch die französischen Nachbarn mißtrauen einander. In dieser Atmosphäre begenet Sophie dem neuen deutschen Kommandanten, der ihr Hotel als Verpflegungsstelle für die deutschen Besatzer aquiriert und dabei ein Gemälde entdeckt, das Sophies Mann, der mittlerweile in Kriegsgefangenschaft geraten ist, von ihr gemalt hat. Auf der zweiten Zeitebene begleitet der Leser die junge Engländerin Liv. Einst eine gefeierte Schönheit an der Seite des jungen, erfolgreichen Architekten David, ist Liv mittlerweile eine gebrochene Frau mit großen Geldsorgen. Ihr Mann starb vollkommen unerwartet vor einigen Jahren und seitdem hat sich Liv komplett aus dem Leben zurück gezogen. Das Geld wird knapp und so sitzt sie in ihrem ultra modernen Glas-Beton-Stahlhaus in London, in dem es nur einen farbigen Fleck gibt: Das Gemälde von Sophie, das David ihr gleich zu Beginn ihrer Ehe geschenkt hat und an das sie sich mit sentimentaler Erinnerung klammert. Doch das Bild ist das rechtmäßige Eigentum von Sophies Nachfahren, die die Herausgabe vor Gericht einklagen und die dabei ausgerechnet von dem Mann vertreten werden, durch den Liv dachte, wieder Vertrauen und eine neue Liebe finden zu können. Und das ist auch die große Klammer, die beide Handlungsstränge zusammen hält: Die Frage, wer ein Recht hat auf das Gemälde, wem gehört dieses Bild und gibt es so etwas wie ein moralisches Beitzrecht und wenn ja, für wen?
Meine Meinung:
Jojo Moyes´ Sprache, der Aufbau der Handlung, die Charakterisierung der Figuren, AUCH und gerade der Nebenfiguren - das alles ist wie immer hervorragend gelungen, mitreißend. Der Autorin gelingt es, den Leser komplett gefangen zu nehmen, in die Geschichte eintauchen und mitfiebern zu lassen. Kleine Episoden machen den Roman glaubhaft und rund - die Figuren sind komplex gezeichnet, die Sympathieträger in ihren Schwächen oder mit ihren liebenswerten Eigenheiten genauso wie die unsympathischen Figuren. Das Leben während des Ersten Weltkrieges in der französischen Provinz unter deutscher Besatzung wird - soweit ich es beurteilen kann - realistisch geschildert, die Nahrungsmittel-Knappheit, die Willkür der Besatzer, sowie das Mißtrauen und die Feindseligkeit der Bevölkerung untereinander, die wiederrum von den Besatzern für ihre Zwecke mißbraucht wird - das alles ist eine erschreckende Darstellung des Kriegsalltages.
Es ist die Frage nach dem Besitz des Bildes, das beide Zeitstränge in dem Roman miteinander verbindet. Und bei diesem Thema hätte ich mir von Jojo Moyes mehr Distanz und Objektivität (bei einem Roman?) erhofft. Ihre Figuren, die die Rückgabe eines Kunstgegenstandes einfordern, sind allesamt unsympathische, geldgierige, hartherzige Personen, die sich an den Kunstgegenständen nur bereichern wollen. Damit macht es sich die Autorin eindeutig zu einfach. Die während eines Krieges geraubten Kunstwerke sind und bleiben Eigentum der beraubten Familie. Punkt. Was die damit macht und ob die jetzigen Besitzer vielleicht das Bild "lieber" haben, spielt dabei wohl nur eine periphäre Rolle. In dem Roman stellt sich Liv später tatsächlich als die rechtmäßige Besitzerin des Bildes heraus - auf welche Weise, soll hier nicht erklärt werden, schließlich soll beim Lesen durchaus noch der eine oder andere Überraschungsmoment bleiben, aber Liv, die richtig besessen von dem Bild ist und für den weiteren Besitz ihren Job, ihr Haus, ihre Freundschaften und ihre Zukunft riskiert, ist in ihrer Sturheit, in ihrer starrköpfigen Besessenheit die einzige Person, die mir unglaubwürdig erschien und die mir teilweise ziemlich auf die Nerven gegangen ist (um es mal deutlich zu sagen...).
Fazit: Es ist ein Unterhaltungsroman im besten Sinne, spannend, reich an überraschenden Momenten und Wendungen, voller komplexer Figuren. Wer sich objektiv über Kunstraub und Besitzrechte informieren will, ist hier ganz sicher falsch, wer spannend unterhalten und bis zu den Haarspitzen in eine Geschichte eintauchen will, der dürfte hier finden, was er sucht. Von mir gab es für diesen Roman.