Klappentext:
Yun Ling ist achtzehn Jahre alt, als sie während des Krieges in ihrer Heimat Malaya, zusammen mit ihrer Schwester, in japanische Gefangenschaft gerät. Sie ist die Einzige, die einige Jahre später das INternierungslager überlebt. Trotz ihrer Arbeit für ein Tribunal, das japanische Kriegsverbrecher verurteilt, lässt sie der Tod ihrer Schwester nicht zur Ruhe kommen. Sie will für diese, eine Liebhaberin der japanischen Gartenkunst, eine Grabstätte schaffen. Der Gedanke an einen eigenen Garten ließ beide Schwestern lange Zeit die Grausamkeiten des Lagers ertragen.
Trotz ihres Hasses auf die früheren Besatzer will Yun Ling den japanischen Gärtner Aritomo engagieren. Der geheimnisvolle Mann weigert sich, ihren Auftrag anzunehmen, bietet ihr aber an, sie als Lehrling in seine Kunst einzuweisen, so dass sie selbst eine Garten gestalten könnte. Yun Ling lässt sich auf die Ausbildung ein. Im "Garten der Abendnebel", der verborgen am Rand des malayischen Dschungels liegt, findet sie Ruhe und nähert sich nicht nur Aritomt, sondern auch ihrem eigenen dunkelsten Geheimnis.
Autor:
Tan Twan Eng, 1972 in Penang geboren, studierte Jura an der University of London und hat lange in einer der angesehensten Kanzleien Kuala Lumpurs gearbeitet. Bereits mit seinem Debüt "The Gift of Rain" gelangte er auf Anhieb auf die Longlist des Man Booker Prize 2007. Für "Der Garten der Abendnebel" wurde er vielfach ausgezeichnet. Tan Twan End lebt in Malaysia und in Südafrika.
Eigene Beurteilung:
Und so wird die ehemalige Insassin eines japanischen Arbeitslagers die Befehlsempfängerin eines Mannes aus dem Volk, das einen Teil ihrer Familie vernichtet und ihr unglaubliches Leid zu gefügt hat – als eine Chinesin, die in Malaya während des „Emergency“ genauso fremd und bedroht ist, wie ihr japanischer Lehrmeister, dessen Volksgenossen etliche Malayer auf dem Gewissen hatten und von denen Yun Ling damals als Staatsanwältin etliche an den Galgen geschickt hat.
Doch Erinnerungen und Schuldfragen sind überaus komplex und in einer Ex-Pat-Gemeinde mit Mitgliedern aus allen Ländern der Welt, die jeweils ihre eigene brutale Geschichte mit sich bringen kommen der Japaner und die Chinesin zu einer ganz ungewöhnlichen und unerwarteten Beziehung, die aber am Ende viele Fragen unbeantwortet lässt.
Was ist Schuld? Was sind Erinnerungen? Und wieviel können wir über andere Menschen wirklich wissen. Als Yun Ling im hohen Alter und mit der Demenz vor Augen ihre eigene und Aritomos erkundigt, rührt sie auch an den Vergangenheiten vieler anderer Menschen und lässt diese in ihren Aufzeichnungen ausgiebig zu Wort kommen, was gerade auf die letzten Tage und Wochen des Zweiten Weltkriegs aus japanischer Sicht noch einmal ganz andere Lichter wirft, je nachdem, welche Perspektive gerade eingenommen wird.
All dies findet sich in diesem soliden und mit Lesebändchen versehenen Hardcover in einer ausnehmend dichterischen Sprache wiedergegeben, wobei diese auch sehr grausige Ereignisse und Handlungen noch anschaulicher macht – obwohl die Sprache selbst eine schöne Satzblüte nach der anderen bietet. Und insofern sehr viel mit dem Anlegen eines japanischen Gartens, dem Anfertigen eines Holzschnitts oder dem Stechen einer großflächigen Tätowierung gemein hat – alles Kunstfertigkeiten, die in diesem wunderschönen und nachdenklich zurücklassenden Roman eine große Rolle spielen. Sehr, sehr lesenswert.