Susan Hill - Seltsame Begegnung/Strange Meeting

  • John Hilliard ist zweiundzwanzig und weiß nicht mehr, wo er hingehört.

    Nach einer Verwundung an der Front in Frankreich ist er auf Heimaturlaub zu Hause in England, fühlt sich in seinem Elternhaus aber überhaupt nicht mehr wohl. Für seine Eltern und seine Schwester ist der Krieg weit weg; niemand hat erlebt, was er erlebt hat, gesehen, was er gesehen hat, und so ist er alleine mit seinen schlimmen Erfahrungen und quälenden Erinnerungen.

    Er ist beinahe froh, als er wieder in den Einsatz darf, auch wenn das bedeutet, sich erneut all dem Grauen in den Schützengräben zu stellen. Wenigstens ist er dann unter seinesgleichen. Allerdings könnte David Barton, mit dem er sich nun das Offiziersquartier teilen soll, nicht gegensätzlicher sein, und John tut sich anfangs schwer mit diesem unbeschwerten, offenen Neuling, den alle sofort zu mögen scheinen und der noch keine Ahnung hat, was der Krieg eigentlich bedeutet.

    Mit der Zeit werden die beiden ungleichen jungen Männer jedoch enge Freunde. Der steife, zurückhaltende John taut ein wenig auf, und Davids Unbedarftheit ist schnell verflogen, als er seinen ersten ernsthaften Kampfeinsatz hinter sich hat.

    Das Buch ist mit nicht einmal 200 Seiten nicht dick, der Erzählton ist eher getragen, doch Susan Hill hat mich sehr gefesselt mit diesem Porträt zweier extrem unterschiedlicher Persönlichkeiten und ihrer sich langsam entwickelnden Freundschaft, die schließlich das sein wird, was die beiden durch Kugelhagel und Granateneinschläge trägt.

    Beide Hauptfiguren kommen zu Wort, beide Perspektiven fand ich sehr gelungen dargestellt, und besonders schön war, dass ich die beiden bei aller Gegensätzlichkeit nie als eben daraufhin konstruierte Gestalten, sondern als richtige, echte Menschen empfunden habe. Der Krieg scheint nicht zur zu Beginn des Buches in England, sondern auch noch in den ersten Wochen nach Johns Rückkehr an die Front weit weg und irgendwie gar nicht so schrecklich zu sein, doch man ahnt schon, dass das nur die Ruhe vor dem Sturm ist und das Schlimmste erst noch kommt. Und tatsächlich wird wochen- und monatelang an verhärteten Fronten um ein zerschossenes Dorf gekämpft, ein sinnloses, fruchtloses Blutvergießen.

    An der Sprache merkt man ein wenig, dass das Buch bereits 1971 erschienen ist, wobei dieser leicht altmodische Touch sehr gut zu einem Roman über den 1. Weltkrieg passt und mich nicht gestört hat. Ein bisschen fühlte ich mich an die Bücher von Nevil Shute erinnert.

    Den Schluss fand ich ebenfalls sehr gelungen. Er lässt Raum für Spekulationen, wie es weitergehen könnte mit den beiden, trotzdem ist es auch ein passender Abschluss.