Carrie La Seur - Denn wir waren Schwestern / The Home Place

  • Montana ist die Heimat von Alma, doch mittlerweile lebt sie als erfolgreiche Anwältin in Seattle, hängt aber noch immer mit ganzem Herzen an diesem rauen, wunderschönen Land mit seinen einsilbigen Menschen, auch wenn sie es vor sich selbst nicht zugeben möchte. Als der überraschende Tod ihrer jüngeren Schwester Vicky sie mehr oder weniger nötigt in ihre Heimatstadt Billings zurückzukehren, sieht sie sich gegen ihren Willen gezwungen, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Dazu belastet sie der mysteriöse Tod ihrer Schwester, bei dem es einige Ungereimtheiten gibt wie auch die Sorge um ihre Nichte Brittanny. Nur wenige Tage will Alma in Montana verbringen, doch diese gestalten sich als eine Herausforderung, wie die toughe Anwältin noch keine zu bewältigen hatte.
    Mehr oder weniger sind es eigentlich zwei Geschichten die hier erzählt werden. Zum Einen die Aufklärung der Umstände die zum Tode Vickys führten, zum Anderen Almas Gefühlsleben, das durch die Rückkehr in ihre Heimat und der Begegnung mit ihrer früheren Liebe in ein heftiges Chaos gestürzt wird. Während mir Ersteres zusagte (recht spannend mit einer für mich überraschenden Auflösung), empfand ich den anderen Teil zunehmend eher nervig. Nicht nur die Sprache störte mich ("Alma begreift allmählich die ozeanische Gewalt ihrer Gefühle..." S. 138 oder "...Bergkuppen, die wie Halbgötter über der Herrlichkeit eines Universums aus Hochebenen thronten." S. 152), auch die Vorhersehbarkeit der Handlung. Wer kriegt wen, wer macht was, die Guten (wenn auch mit kleinen Fehlern) sind in Montana, die Schlechten in der Stadt. Nach ca. 1/3 bis zur Hälfte des Buches ahnte ich, wie es ausgehen würde - und so war es denn auch, wie ich am Ende leider feststellen musste (aber, wie schon geschrieben, nicht beim 'Krimiteil').
    So fällt mein Resümee etwas unentschieden aus: Die Aufklärung der Todesursache von Vicky habe ich mit Freude gelesen, Almas Gefühlsleben und Vergangenheitsbewältigung war nicht so mein Fall.

    :study: Das Eis von Laline Paul

    :study: Der Zauberberg von Thomas Mann
    :musik: QUALITYLAND von Marc-Uwe Kling

  • Als Almas Schwester Vicky tot aufgefunden wird, kehrt sie nach Jahren in ihre Heimat Montana zurück, um Vickys Angelegenheiten zu regeln und sich um ihre Nichte zu kümmern. In Alma kommen viele Erinnerungen hoch und dann zeichnet sich auch noch ab, dass Vickys Tod womöglich Fremdverschulden gewesen sein könnte.


    Carrie La Seur, die selbst aus Montana stammt, hat einen sehr bildhaften Erzählstil, der die wunderbare Landschaft dieses Bundesstaates vor dem inneren Auge entstehen lässt, und erzählt außerdem sehr poetisch. Dass sie sich zudem, außer in den Rückblenden, des Präsens bedient, macht die Geschichte sehr eindringlich. Man fühlt sich regelrecht selbst dort, fühlt z. B. die Kälte (der Roman spielt im Winter), insgesamt finde ich, dass die Autorin großartig erzählt. Man benötigt eventuell etwas, um sich einzulesen (bei mir waren es ca. 20 Seiten), dann lässt sich der Roman jedoch flott lesen.


    Die Geschichte handelt von Heimat, dem Gefühl, das einem die Gegend, in der man aufgewachsen ist und die Menschen dort, vermitteln. Ich konnte mich sehr gut in Alma und in dieses Gefühl hineinversetzen, denn ich habe selbst meine Heimat vor vielen Jahren verlassen – die Emotionen sind dennoch da, wenn ich dort einmal wieder bin (leider nicht mehr sehr oft). Genau wie bei Alma kommen dann die Erinnerungen hoch. Diese Gefühle hat die Autorin sehr gut eingefangen und mich damit auch emotional gepackt.


    Die Charaktere sind tiefgründig gezeichnet, vor allem Alma, die sich nicht nur an so einiges erinnert, sondern auch von Schuldgefühlen geplagt wird, Geheimnisse in sich birgt und Entscheidungen treffen muss. Auch hier finde ich die Emotionen gut ausgearbeitet und nachvollziehbar.


    Der Roman wirft einige Rätsel auf, nicht nur bezüglich Vickys Tod, es kristallisieren sich u. a. auch Familiengeheimnisse heraus. Die Frage, wie Vicky gestorben ist, entwickelt sich zu einem regelrechten Kriminalfall, der am Ende für mehr als eine Überraschung sorgt. Für mich hat der Roman eine ganz eigene Spannung, die nicht mit der Spannung eines Krimis gleichzusetzen ist, mich aber dennoch die ganze Zeit begleitet hat.


    Einen großen Raum nimmt Montana, mit seiner wunderbaren Landschaft, ein. Auch hier gibt es eine Bedrohung (die im Übrigen real ist), die man erst nach und nach einordnen kann. Die indianische Bevölkerung wird leider nur am Rande erwähnt, ich finde diesen Part interessant, hier hätte ich mir mehr Hintergründe gewünscht.


    Ein großartiger Roman, der mich emotional stark berührt hat und noch lange nachwirken wird und den ich uneingeschränkt empfehlen kann.