Dieser Debütroman des 1965 geborenen und in Paris als Verlagslektor lebenden Jean Mattern ist leider bisher viel zu wenig beachtet worden.
Er erzählt von dem etwa dreißigjährigen in London lebenden Übersetzer Gabriel, der an einer doppelt schweren Vergangenheit trägt. Als Sohn einer ungarisch- jüdischen Einwandererfamilie in der französischen Provinz aufgewachsen, leidet er unter dem absoluten Schweigen seiner Familie über alles Vergangene. Ein Phänomen, das schon viele Kinder von Überlebenden beschrieben haben. Vergleiche hier insbesondere die Romane von Doron Lizzie, erschienen im Jüdischen Verlag.
Als dann auch noch seine Schwester bei einem Unfall zu Tode kommt, flieht Gabriel nach London. Dort fragt er sich mehr als einmal: „Steht es mir noch zu, mein Leben gegen ein anderes einzutauschen? Ein neues Tor zu öffnen und einen Weg zu finden?“
Er versucht es, heiratet in London eine Frau kurz, nachdem er sie kennen gelernt und von ihrem Lachen und ihrer Lebensfreude angesteckt war. Doch der Lebensfunke springt nicht wirklich über, er versteckt seine dunklen Gedanken vor ihr, spielt ihr den Gesprächigen vor.
Dennoch scheint sich sein Leben auf allen Ebenen zu verbessern. Er erhält voneinem großen Verlag den Auftrag zu einer Neuübersetzung vonThomas Manns Doktor Faustus und seine Frau wird schwanger, was ihn in leichte Panik versetzt.
Doch während seiner Arbeit quälen ihn die Gedanken, die Erinnerung an seine Kindheit: „Wörterbücher füllten meine Tage aus. Doch dabei verloren die Wörter ihren Sinn. Ich habe keine Muttersprache mehr, ich hatte nie eine. Die Sprache, die mir eine hätte sein können, wurde von meinen Eltern geflüstert, wenn sie sich allein glaubten. Ich hörte ihre Sprache durch die Wand zwischen unseren Zimmern, aber ich durfte sie nicht sprechen. Die Grammatik ihrer Kindheit passte nicht in meine Kindheit. Die sollte gewöhnlich sein, eine Allerweltskindheit. Sie unterschlugen ihr Exil, um mir eine gewöhnliche französische Kindheit in einer gewöhnlichen Kleinstadt in der Provinz zu bieten.“
Als er zu einem Übersetzertreffen nach Budapest eingeladen wird, besucht er den dortigen jüdischen Friedhof und entdeckt tatsächlich die Gräber seiner Vorfahren. Schon dort, aber erst recht, als er kurze Zeit später im Dampf des Kiraly –Bades sitzt, greift seine Vergangenheit nach ihm. Wer ist es wirklich, der ihm dort begegnet?
Jean Matterns Roman ist ein beeindruckendes Werk über die Identitätssuche eines Juden, seine Auseinandersetzung mit seiner Herkunft.
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Buchdetails
Titel: Im Király-Bad
Jean Mattern (Autor) , Holger Fock (Übersetzer) , Sabine Müller (Übersetzer)
Verlag: Insel Verlag
Format: Gebundene Ausgabe
Seitenzahl: 124
ISBN: 9783458174660
Termin: März 2010
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Kurzmeinung
tom leoVorenthaltene Identität, Verluste führen zu Sprachlosigkeit und Sackgassen. Wie geht's weiter?