Anne Krüger - Allee der Kosmonauten

  • Zum Inhalt:
    Mathilda Unterwasser ist die Hauptdarstellerin dieser in Ich-Form erzählten Geschichte. Sie ist Ende 20 und weiß nicht recht wohin mit sich und ihrem Leben. Zusammen mit ihren Freunden, die sie seit Kindergartenzeiten kennt, meistert sie das Leben irgendwie. Jeder auf seine Art. Mathilda hatte die wildesten Berufswünsche als Kind, doch heute ist sie Kassiererin und das nicht mal gern. Ihr größter Wunsch war Kosmonautin zu werden wovon heute noch die Liebe zu Juri Gagarin und das All übrig sind. Sie stolpert unbeholfen durch das Leben.


    Meine Meinung:
    Das Buch startet vielversprechend mitten in Mathilda Unterwassers Leben. Sie ist in der DDR aufgewachsen, arbeitet an einer Supermarktkasse und ist mit ihrem Leben unzufrieden. Die aktuelle Beziehung scheitert, doch recht bald findet sich Ersatz. Doch scheint der Mann ihr nicht wirklich viel zu bedeuten, eher die Gewissheit nicht allein zu sein. Durch das ganze Buch zieht sich ihr chaotischer Charakter, der aber nie genau sagen kann was doof ist, wie es schöner wäre und was sie eigentlich will. Sicher weil sie selbst das nicht weiß.
    Mathilda wirkt oberflächlich oder die Autorin zeigt sie nur in kurzen Stichpunkten, die in einer klaren Geschichte sicher doppelt so viele Seiten ergeben hätten. Auch Mathildas Umfeld wirkt oberflächlich oder zu verschlossen. Ich persönlich wurde mit allen Charakteren nicht richtig warm und wartete bis über die Hälfte des Buches auf den Startschuß für den eigentlichen Sinn hinter der Geschichte, der aber leider nie kam.


    Besonders interessierte mich das Buch wegen seinem Bezug zur DDR, bin ich doch selbst ein Ossikind. Kurze Rückblenden geben einen minimalen Eindruck in das Leben früher und somit in Mathildas Erinnerungen. Wirre Träume um Juri Gagarin lassen vermuten, was Mathilda jeweils beschäftigt, aber auch hier wird der Leser irgendwie im Dunkeln gelassen.
    Im letzten Drittel des Buch kommt etwas Fahrt auf und Struktur in Mathildas Zukunft, was aber alles schnell wieder einschläft.
    Zum Ende hin hatte ich das Gefühl, dass auf den letzten paar Seiten die Moral der Geschichte ihren Platz finden sollte. Aber ich habe selbige wohl doch nicht ganz verstanden.


    Insgesamt ist mir das Buch zu interpretierbar. Ich möchte lieber eine Geschichte, die mir viel erzählt und nicht ständig ein Fragezeichen über meinem Kopf schweben läßt. Gefesselt hat mich die Hoffnung auf ein Ende mit Aussage.
    Es hat sich sehr schnell gelesen und war recht lebhaft. Für mich war es aber keine schöne Erzählsprache die Dialoge seltsam abgehakt.


    Die vom Verlag vorhergesagte Tiefe der Charaktere und der Humor sowie die Situationskomik habe ich leider nicht gefunden.


    Wertung: (5 Sterne = sehr gut / 1 Stern = sehr schlecht)
    :bewertung1von5::bewertung1von5: (Da es doch zum Durchlesen animierte, ein wenig DDR-Feeling rüberbrachte, bekommt die Geschichte 2 Sterne.)

  • Mathilda ist Ende 20 und lebt in Berlin. Die junge Frau hat ihr Studium vor Jahren abgebrochen und arbeitet seitdem als Supermarktkassiererin, aber ihr Job macht sie nicht glücklich. Auch ihr Privatleben ist eher trostlos. Ihr Freund trennt sich von ihr, sie klammert ihm zu sehr, er will nicht zusammenziehen und sich zu sehr binden.


    Mathilda ist auf der Suche, doch wonach scheint sie selbst nicht so recht zu wissen. Immer wieder verliert sie sich in Tagträumen, schwärmt für die Raumfahrthelden der früheren Sowjetunion und wäre selbst gerne Kosmonautin geworden, was aber ein hoffnungsloser Tagtraum geblieben ist.


    Ihre Freunde machen einen ähnlich desorientierten und planlosen Eindruck, bis auf ein befreundetes Pärchen, die bereits Eltern geworden sind und deren Leben immer bürgerlicher wird, wodurch sich eine immer größere Kluft zu Mathilda und den anderen auftut. Diese Veränderung in Cliquen in dem Alter fand ich gut dargestellt. Die ersten werden "sesshaft", gründen eigene Familien und man lebt sich teilweise auseinander. Die Freunde mit Kindern reden nur noch über Windeln, Babykrankheiten und ähnliches, die Singles sind noch auf der Suche, wollen weggehen und Spaß haben und irgendwie passt das alles nicht mehr zusammen.


    Mathilda konnte ich leider überhaupt nichts abgewinnen, sie ist unzufrieden, hat aber keine Idee und anscheinend null Motivation, etwas in ihrem Leben zu ändern. Sie bewirbt sich völlig planlos auf andere Stellen und es ist reiner Zufall, dass sie etwas findet, was ihr mehr zusagt als die Arbeit im Supermarkt. Genauso ist es in ihrem Privatleben, erst passiert lange nichts, dann gibt es auf einmal eine große Wende.
    Neben der eigentlichen Geschichte um Mathilda heute gibt es immer wieder Einschübe, in denen es um die Raumfahrt und Kosmonauten geht. Diese fand ich ziemlich verwirrend und habe sie irgendwann nur noch quergelesen.


    Außerdem gibt es immer wieder Rückblenden in Mathildas Kindheit, diese fand ich ganz interessant, aber auch sie erklärten für mich nicht wirklich, wie Mathilda zu dem Menschen geworden ist, der sie heute ist.


    Mir was das alles einerseits zu wenig, andererseits auch wieder zu viel, was parallel in die Geschichte eingeschoben wird, so z.B. noch der Laden der verlorenen Dinge, der in Mathildas Straße aufmacht und mit dessen Besitzer sie sich anfreundet oder die psychischen Probleme einer ihrer Freundinnen.


    Viele gute Ideen, aber für mich nicht passend zusammengesetzt und so plätscherte die Geschichte vor sich hin und daher konnte mich das Buch leider weder fesseln noch begeistern.

  • Inhalt

    Mathilda ist eine nicht mehr so junge ostdeutsche Frau, wie aufgrund ihres unentschlossenen Verhaltens erwartet werden könnte. Die Icherzählerin (die der Generation der Autorin angehört) sitzt 15 Jahre nach der Wende zwischen allen Stühlen, denn weder die Erziehung in der DDR zum Kollektiv noch das Vorbild ihrer Eltern können ihr auf der Suche nach dem persönlichen Glück Halt und Orientierung geben. Nach einem abgebrochenen ungeliebten Studium ist Mathilda, die jüngste von drei Geschwistern, als Kassiererin im Supermarkt hängengeblieben. Anfangs wartet Mathilda auf die Rückkehr ihres Freundes Marius aus dem Ausland, der einen ebenso blassen und unentschlossenen Eindruck hinterlässt wie Mathilda.


    Mathilda erzählt in Ichform, schiebt gemeinsame Kindheitserinnerungen mit Freunden aus ihrer Kindheit in der Allee der Kosmonauten ein und träumt sich zwischendurch immer wieder fort aus der Realität. In ihren durch die Schrifttype abgesetzten Träumen unterhält sie sich mit Juri Gagarin und Valentina Tereschkowa. Mathildas Helden stammen aus der Generation ihrer Eltern in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Ihre Träume lassen ein Wegträumen zurück in die Kindheit vermuten und wirken zunehmend wie Alpträume.


    Kapitän, Polizist, Prinzessin, hier Kosmonaut, sind Kinderträume, die spätestens nach dem Schulabschluss mit konkreten Zielen ersetzt werden. Mathilda wirkt auf mich wie das Beispiel eines Mädchens aus dem Lehrbuch, das vor der Pubertät einmal wissbegierig, mutig und phantasievoll war und sich danach so plötzlich wie erschreckend zu rollenkonformem Verhalten und typischen Frauenberufen entschließt. Eine Schlüsselszene zeigt auf S. 113 wie Franzi in Mathildas Erinnerung in der Klasse bloßgestellt wird, weil ihre Mutter im Arbeiter- und Bauernstaat Cellistin war. Franzi gehörte nicht dazu – die Folge wird sein, dass sie wegen ihrer falschen Klassenzugehörigkeit in der DDR später nicht studieren darf. Wenn es kein gleiches Recht auf Bildung ohne Ansehen der sozialen Herkunft gibt, muss man sich über die Passivität einer Generation nicht wundern, die darauf wartet, dass Arbeits- oder Ausbildungsplatz staatlich zugeteilt werden. Mathilda und ihre Freundin sind offenbar sehr schüchtern, sie werden über die Ganztagsschule nicht besonders glücklich gewesen sein.


    Fazit

    Mathildas Ichsuche zwischen Kindheitsfreunden, ihrer kränkelnden Mutter, einem älteren Amerikaner als Mentor und der Hoffnung auf die große Liebe ist Thema des New Adult Romans „Allee der Kosmonauten“. Mathilda hat es mir mit ihrer Antriebslosigkeit und ihrer aus meiner Sicht extrem konservativen Vorstellung einer Zweierbeziehung nicht leicht gemacht, ihrer Geschichte zu folgen. Wie kann ein Leser an die Geschichte einer phlegmatischen Person gefesselt werden, wenn die Person selbst nicht in die Gänge kommt? Anne Krüger löst dieses Problem mit drei Erzählebenen. Indem Mathilda sich an ihre Kindheit erinnert und ihre Ängste im Traum in der Rolle einer Kosmonautin bearbeitet, zeigt sie Seiten von sich, die eine reine Icherzählerin so nicht preisgeben würde. Auch wenn die Handlung meine Frage nicht endgültig beantworten konnte, was oder wer Mathilda zu einer so entschlusslosen Persönlichkeit gemacht hat und ob sie für eine ostdeutsche oder eine gesamtdeutsche Generation steht, habe ich das Buch - im Rahmen einer Online-Leserunde - sehr gern gelesen.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

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    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow