Rene Girard- Ich sah den Satan vom Himmel fallen/Je vois Satan tomber comme l'éclair

  • Die philosophische und theologische Grundlage für das vorliegende Buch „Ich sah den Satan von Himmel fallen“, in dem Rene Girard „eine kritische Apologie des Christentums“ vornimmt, ist sein 1983 zum ersten Mal in Deutschland erschienenes Buch „Das Ende der Gewalt“, in dem er seine mimetische Theorie entwickelt.


    Das für alle Theologen, Philosophen und Geisteswissenschaftler unverzichtbare Werk gliedert sich in drei Bücher:
    Im ersten Teil wird eine Theorie der Religion entwickelt, die von der Mimesis und dem Opfer ausgeht und in Beziehung gesetzt wird zur mimetischen Theorie der Hominisation.


    Im zweiten Teil geht es um die opferkritische Rolle biblischer Texte und den Hebräerbrief als Schlüsseltext für die Resakralisierung des Christentums.


    Das dritte Buch stellt die mimetische Theorie in einen umfassenden wissenschaftlichen und kulturgeschichtlichen Hintergrund.


    Ausgangspunkt der mimetischen Theorie von René Girard ist die Feststellung, dass menschliche Gesellschaften nur dann überleben können, wenn sie in der Lage sind, dem Ausbreiten der Gewalt innerhalb der Gruppe erfolgreich entgegenzuwirken. Ursache zwischenmenschlicher Konflikte ist das Aneignungsverhalten von Menschen, die in engem Kontakt miteinander leben: Dieses Verhalten stiftet Rivalität, Neid und Eifersucht, ist ansteckend, wird von allen Mitgliedern der Gruppe mitgetragen und führt zu raschen Gewalteskalationen, in denen das ursprüngliche Objekt keine Rolle mehr spielt: sie werden lediglich durch das Imitieren des Anderen in Gang gehalten.


    Für das Aneignungsverhalten und die nachfolgende Nachahmung des gewalttätigen Verhaltens wird von Girard der Begriff "Mimesis" verwendet, um damit den Abstand von der geläufigen Thematisierung des imitativen Verhaltens als Nachahmung äußerlicher Darstellungen, Gestik oder Mimik hervorzuheben.
    Das Buch ist eine gedankliche Meisterleistung und wird noch lange Bestand haben. Allen Menschen, die sich auseinandersetzen wollen mit der Frage, wie die Gewalt in die Welt kommt, wie sie einzuschätzen und ggf. zu überwinden ist, kann dieses Buch nur empfohlen werden. Es ist eine Tour d'horizon durch die europäische Geistes- und Kulturgeschichte und zeigt, dass der mimetische Konflikt überwunden werden muss, soll die Menschheit eine Zukunft haben.
    Durch die nun in dieser Neuauflage dokumentierte Gesprächsform wird der Leser ausdrücklich zum Mitdenken und zur eigenen Meinung herausgefordert. Man verlässt die Lektüre dieses gewaltigen Buches nicht ohne erhebliche intellektuelle Veränderungen.

    Man muss dieses Buch nicht unbedingt kennen, um an dem 2002 bei Hanser erstmals veröffentlichten apologetischen Werk als Christ, als Theologe und als aufgeklärter Zeitgenosse seine wahre Freude zu haben. Die mimetische Theorie, mit der er das Christentum und seine Entwicklung seit den Evangelien und den Briefen des Paulus anschaut, wird noch einmal erklärt und dann folgen zwei Kapitel über die „Enträtselung der Mythen“ und den „Triumph des Kreuzes“, in denen er erläutert, wo er die radikale Leistung des Christentum verortet. In den Evangelien findet er eine radikale Grundform christlichen Glaubens, die wie er findet, weitergeführt werden muss. In der Figur des Satans findet er in diesem Buch die „Verkörperung des mimetischen Begehrens“. Er ist kein mythologischer Rest, sondern unverzichtbar als Erklärung des Bösen und der Gewalt in der Welt.

    Ein für alle kritischen Theologen wichtiges Werk, dem man sich in der Wissenschaft und in der Praxis eine viel größere Rezeption wünscht.

  • Ich kann nur hoffen, dass Deine Rezi - herzlichen Dank! - hier auf aufmerksame Leser stößt, denn ich teile die Bewunderung über das Werk Girards, von dem ich inzwischen drei, vier Bücher gelesen habe. Man taucht hinein in eine Welt, die den meisten als Interpretationsansatz für Gewalt und deren Überwindung sehr wahrscheinlich sehr neu sein wird. Aber nicht nur neu, sondern auch original, überraschend. Vielleicht neigt Girard dazu, nun mal alles in seinen Interpretationsansatz hineinzupassen, aber das hindert wohl nicht daran, dass man hier viel Wahres findet! Insofern:


    dicke Empfehlung!


    Allen Menschen, die sich auseinandersetzen wollen mit der Frage, wie die Gewalt in die Welt kommt, wie sie einzuschätzen und ggf. zu überwinden ist, kann dieses Buch nur empfohlen werden. Es ist eine Tour d'horizon durch die europäische Geistes- und Kulturgeschichte und zeigt, dass der mimetische Konflikt überwunden werden muss, soll die Menschheit eine Zukunft haben.


    Wenn man den ausdrücklichen Bezug zum semitischen, sprich biblischen Kontext sieht (AT, wie NT; Sündenbock-Theorie; Christus als jemand, der den Haß auf sich zentriert und verpuffen läßt, usw.), dann müsste man hier natürlich nicht allein von der europäischen Geistes- und Kulturgeschichte reden, sondern vom weiteren Zusammenhang.