Hartmut Lange - Das Konzert

  • Autor: Hartmut Lange
    Titel: Das Konzert, erschien erstmals 1986
    Seiten: 144
    Verlag: Diogenes
    ISBN: 9783257216455


    Der Autor: (Klappentext)
    Hartmut Lange, 1937 in Berlin-Spandau geboren, studierte an der Filmhochschule Babelsberg Dramaturgie. Er lebt als freier Schriftsteller in Berlin und Italien und schreibt Dramen, Essays und Prosa. 2003 wurde er für sein Werk mit dem Italo-Svevo-Preis ausgezeichnet.


    Inhalt:
    "Im Salon von Frau Altenschul treffen sich seltsame Gäste: Es ist die jüdische Créme Berlins - und sie sind ausnahmslos tot, von den Nazis umgebracht. Ihre postumen Zusammenkünfte dienen dazu, inmitten schöner Dinge diesen gewaltsamen Tod, das hässliche Ende im Massengrab zu vergessen." Badische Zeitung, Freiburg (Klappentext)


    Plötzlich taucht der begabte Pianist Lewanski auf, der 27-jährig ermordet wurde und zu Lebzeiten nicht sein volles Talent entfalten konnte. Sein erstes Konzert bei Frau Altenschul ist ein großer Erfolg, wenngleich erkannt wird, dass er "den alten Beethoven" aufgrund mangelnder Lebenserfahrung nicht perfekt spielt. Der Pianist nimmt sich vor, sein Spiel zu perfektionieren, es sich nicht vom Tod (bzw. seinen Mördern) nehmen zu lassen, da er vor seiner völligen künstlerischen Entfaltung ermordet wurde. Stellvertretend für alle zu früh Verstorbenen will er das erreichen, was ihm durch die Ermordung versagt blieb: Künstlerische Weiterentwicklung und Anerkennung!
    Frau Altenschuh, die ihren Mördern den Zugang zu ihrem Salon verwehrt und unversöhnlich ist, träumt davon, mit dem Pianisten den Sieg über den Tod zu erringen und "das schöne Leben" zu feiern, ihren Salon in Berlin zu Weltruhm zu bringen.
    Auf der anderen Seite hat sich ihr Stammgast Schulze-Bethmann längst mit seinen Mördern versöhnt. Einige Nazis bereuen ihre Taten und wünschen sich ebenso, dass der Pianist sein Talent entfaltet und den Erfolg erhält, welcher ihm durch die Ermordung versagt blieb. Daher blicken zwei Gruppen erwartungsvoll dem nächsten Konzert des Pianisten entgegen...
    So handelt die Geschichte sehr von Schuld und Sühne, Vergebung, Versöhnung, Erlösung und Hoffnung auf einen Neubeginn.


    Meine Meinung:
    Ein schwieriges Thema, das aber mit erstaunlicher Leichtigkeit umgesetzt wurde! Die Novelle ist wirklich unterhaltsam geschrieben, ohne mit moralischer Keule Partei zu ergreifen. Es geht darum, wie man nach dem Tod die Fehler in seinem Leben wieder gutmachen soll, denn wer von den Mördern hätte gedacht, dass sie nach dem Tod ihren Opfern wieder begegnen und gleichgestellt seien?
    Wer "Geschlossene Gesellschaft / Huis clos " und "Das Spiel ist aus / Les jeux sont faits" von Albert Camus mag, wo es ja auch darum geht, ob man nach dem Tod noch einen Neuanfang machen kann, der wird sicherlich auch an diesem Buch Gefallen finden!

  • Danke ür die Vorstellung!


    Wer "Geschlossene Gesellschaft / Huis clos " und "Das Spiel ist aus / Les jeux sont faits" von Albert Camus mag, wo es ja auch darum geht, ob man nach dem Tod noch einen Neuanfang machen kann, der wird sicherlich auch an diesem Buch Gefallen finden!


    Es handelt sich dabei um Stücke von Jean-Paul Sartre, nicht von Albert Camus...

  • Tolle Vorstellung ! Und ich fühlte mich stark erinnert an das neulich entdeckte, hier auch rezensierte Hartmut Lange – Die Waldsteinsonate
    Die von Nungesser dort erwähnte Ähnlichkeit der fünften dortigen Novelle : « Die Heiterkeit des Todes» mit der Thematik des hiesigen Buches ließ mich weitersuchen nach Büchern Langes. Jene Novelle (und wohl auch eine zweite darin) stellt uns in ein « phantastisch » anmutendes Ambiente : Die Toten leben, wenn auch quasi in ihrem Sterbealter für ewig (?) verhaftet. Und gleichzeitig die Frage, ob Entwicklung, Reifung, bzw innere Änderung, Umkehr, Reue lebbar sind, erfahrbar ! Originales Setting, aber dahinter, so meine Meinung, grundexistenzielle und gar metaphysische Fragen.


    Der Augenblick des Todes – erstarrt er den Menschen definitiv in seinem bis dahin erreichten Zustand ? In diesem Roman stehen also die Jetztzeit des Augenblickes des gewaltsamen Todes und die Gegenwart (hier also circa Mitte der 80iger Jahre mit Gegenwart der Mauer, der total veränderten Stadt etc) wie überlagert übereinander. Ist der Tod aber auch der radikale « Gleichmacher » ? Tragen wir Schuld und abgeschnittene Möglichkeiten ewig mit uns weiter ? Und wenn jene Opfer in diesem Zustande ihren Peinigern begegneten, die ihrerseits nun nur noch nach einer Form von Vergebung warten ? Kann man verpaßtes, versäumtes, nicht gelebtes Leben im Tode wirklich nachholen, auch verpaßte Reue und Umkehr ? Und wäre eine theoretische Vollendung seiner Möglichkeiten, Potentialitäten, Gaben im Tode nicht quasi auch schon Erlösung des Mörders ?


    Nun, das alles wird anhand des Beispiels Lewanskis, eines jung verstorbenen Klaviervirtuosen, angedeutet.


    Sehr interessant. Von meiner Warte aus Fragen und Zweifel, wie auch das Buch keine eindeutige Antwort zu geben scheint ?!


    Nachfrage noch in andere Richtung : Ist die Länge des Lebens an sich Garantie für das Ausschöpfen aller Möglichkeiten der eigenen Persönlichkeitsentfaltung ? Oder sind wir nicht sozusagen auf existenziell unvermeidbare Weise begrenzt? Aber auch : Kann man etwas « rückgängig » machen, gewesene Schuld « ungeschehen », erlittenes Unrecht « vergessen » ? Meines Erachtens nein !


    Wo läge « die (Er-)Lösung », wenn nicht in der definitiven Annahme der Schuld und der Realität? Kommt man an der Frage gegebener und erfahrener Vergebung vorbei, wenn man ganz schlicht nach einer Rundung seines Lebens, und allen Lebens sucht? Und kommt man an der Annahme der Realität vorbei, wenn man die Möglichkeit einer Vergebung absolut ausschließt?


    « ...es hat doch keinen Zweck, jene Unterscheidung, die wir im Leben treffen, nämlich die zwischen Gut Und Böse, im Tode beizubehalten. Sie haben es selber erfahren : Wir würden nur die Unvereinbarkeit alles Lebendigen bis in die Ewigkeit fortsetzen und nach einigen Sekunden des Glücks wieder enttäuscht sein und trauern. Und wo bliebe die Chance, von dieser Fata Morgana endlich einmal erlöst zu sein ? »


  • Es freut mich, auch Dir mal ein Buch empfohlen zu haben, welches Dir gefiel (meist war es bei uns wohl umgekehrt)

    Von meiner Warte aus Fragen und Zweifel, wie auch das Buch keine eindeutige Antwort zu geben scheint ?!

    Eigentlich eine kurze Geschichte, aber doch eine Menge Inhalt, der noch länger bewegt. Eine Floskel wie "Das Buch regt zum Nachdenken an", klingt blöde, ebenso wie das abgedroschene "die Geschichte hallt noch lange nach". Allerdings ist meine Lektüre nun drei Jahre her, aber der Inhalt und das Thema noch ziemlich gut präsent. Mir gefiel es eben recht gut, weil viele Fragen gestellt, und keine eindeutigen Antworten gegeben werden. So kann jeder für sich den Gedanken weiter spinnen und ja, eben doch weiter Nachdenken.