Michael Farris Smith - Nach dem Sturm / Rivers

  • Klappentext:
    Anhaltende Stürme und nie enden wollender Regen haben die Golfküste Amerikas überschwemmt. Die Menschen haben sich hinter die sogenannte „Linie“ ins Landesinnere zurückgezogen. In den überfluteten Gebieten halten sich nur noch Betrüger, Diebe und Mörder auf. Und Cohen, der um seine Familie trauert. Als er eines Tages überfallen wird, muss Cohen sein bisheriges Leben hinter sich lassen. Er macht sich auf den gefährlichen Weg zur „Linie“, um dort einen Neuanfang zu wagen.


    Handlung:
    Der Klimawandel forderte seinen Tribut. Es ist schon fast zwei Jahre her als die US-Regierung einen Teil des Landes aufgeben musste. 90 Meilen ins Landesinnere von der Golfküste aus wurde die sogenannte „Linie“ gezogen. Weil diese Region am stärksten von den ununterbrochen wütenden Hurrikians und vom Dauerregen betroffen war, wurden unterhalb dieser Linie alle Menschen evakuiert und das gesamte Leben dort aufgegeben. Der 40jährige Cohen hatte nicht mehr viel, für das es sich zu Leben lohnt. Seine schwangere Frau ist vor einiger Zeit bei einem Unfall verstorben und seitdem hat er sich zurückgezogen. Er hat auch das Angebot, das die Regierung für sein Land abgegeben hat, abgelehnt und blieb alleine in seinem Haus zurück und ließ sich nicht evakuieren. Seitdem fristet er sein Dasein mit einem Hund und einem Pferd, die ihm zugelaufen sind. Er lebt von seinen Ersparnissen, indem er sich Nahrung und die Sachen, die er sonst noch braucht, von einem Versorgungstruck kauft, der ab und zu vorbeikommt. Auf einer solchen Reise wurde Cohen nun von einem jungen Pärchen überfallen, die er aus Mitleid in seinem Jeep mitgenommen hat. Ihm wurde alles weggenommen und nur mit Mühe kommt er mit dem Leben davon. Nach einer kleinen Odyssee durch das absaufende Land kommt er schließlich zu Hause an und muss feststellen, dass sie auch hier schon gewesen sind und alles mitgenommen haben. Cohen macht sich auf die Suche nach den Übeltätern um seine Sachen zurückzubekommen, denn es waren auch persönliche Dinge dabei, auf die er nicht verzichten möchte. Doch statt einer Diebesbande findet er eine religiöse, sektenähnliche Gemeinde, in der der zwielichtige Aggie unumstrittener Anführer ist und vor allem die Frauen nichts zu lachen haben…


    Meine Meinung:
    Manches hat Michael Farris Smith mit seinem Debutroman sicherlich richtig gemacht. Dystopien und Geschichten, die in einer entvölkerten Welt spielen, schießen ja nun schon seit einigen Jahren aus dem Boden wie Pilze. Der entvölkerte Küstenstreifen in der USA ist etwas noch recht Neues und der Autor hat es geschafft, dass es ziemlich realistisch wirkt. Nach und nach erfährt man wie es dazu kam und ein solches Szenario könnte gar nicht mal so weit in der Zukunft liegen. Cohens Leben wurde gut rübergebracht und man konnte es sich vorstellen wie es wäre in einer überfluteten Welt zu leben, in der alles unter Wasser steht, es ununterbrochen regnet und stürmt und in der „ungemütlich“ noch sehr freundlich ausgedrückt wäre. Auf dem Cover ist ein Kritikerzitat aufgedruckt, in dem es heißt, man glaubt als Leser irgendwann, schrumpelige Finger zu haben. Treffender kann man es kaum ausdrücken. Diese apokalyptische Stimmung, bei der man Gabriels Trompete zu hören glaubt, ist das, was Smith an diesem Buch am besten gelungen ist.
    Leider kann die Atmosphäre allein ein Buch nicht zu einem guten machen wenn der Protagonist und auch andere Figuren ein einziges Ärgernis sind. Ich konnte von Anfang an nicht viel mit Cohen anfangen und konnte seine Handlungen und seine Gedankengänge nur selten nachvollziehen. Er wirkt zwar dauer-deprimiert, weil er seine Frau verloren hat, aber auch nicht wirklich lebensmüde und deswegen habe ich auch nicht verstanden wieso er alleine zurückgeblieben ist. Sein Kind kam nie auf die Welt weil es noch im Mutterleib zusammen mit seiner Frau verstorben ist, aber trotzdem will er das Kinderzimmer fertigbauen. Als ihm alles geklaut wird, sind ihm Vorräte und ähnliches ziemlich egal, aber dass eine Kiste mit persönlichen Dingen mit dabei war, bringt ihn dazu, auf die Suche nach den Dieben zu gehen. Wenn wir schon beim Thema sind: Die Diebe räumen sein Haus aus und ein Mädchen nimmt wissentlich auch noch die persönlichen Sachen mit weil ihr die so gut gefallen haben. Einfach bescheuert, mehr fällt mir da nicht ein. Später geht sein Jeep verloren und obwohl noch andere Fortbewegungsmittel vorhanden sind, will er unbedingt seinen Jeep wieder haben. Es gibt zwar einen Grund dafür, aber den erfährt man erst ganz am Ende. Da war es in meinen Augen schon viel zu spät dafür, denn die andauernde Erwähnung des Jeeps und dieser dumme Gedankengang ging mir schon viel zu lange auf die Nerven. Genau solche nervigen Dinge waren es, die mich manchmal fast dazu gebracht hätten, das Buch abzubrechen. Irgendwann beginnt Cohen eine Beziehung, die ich ziemlich abstoßend fand. Er ist 40 Jahre alt, seine Seele hätte ich eher auf 60 geschätzt. Er ist andauernd am Rauchen und am Bier- und Whiskytrinken, er räuspert sich und spuckt aus, wirkt wie ein alter Südstaatenfarmer. Und er steigt mit einer 18- oder 19jährigen ins Bett, die wie ein 12jähriges zartes Wesen rüberkommt und bereits missbraucht wurde. Irgendwie musste ich da an kleine Mädchen und alte, pädophile Männer denken und ich fand das unpassend und widerlich. Der Schreibstil wirkte nicht wirklich flüssig auf mich, stattdessen ging es mühsam voran. Manchmal hatte ich das Gefühl, Smith wollte eine bodenständige Geschichte erzählen, aber meistens wirkten die Worte erzwungen kunstvoll auf mich und ich bin mir ganz sicher, dass er Cormac McCarthys „Die Straße“ gelesen hat und davon auch stark inspiriert war. Vor allem die Figur des Cohen war stark an den Vater aus der erwähnten Geschichte angelehnt, ist davon aber meilenweit entfernt, genauso wie „Nach dem Sturm“ von der Klasse dieses Meisterwerks.

    Fazit:
    "Nach dem Sturm" hat eine gute apokalyptische Atmosphäre, aber ein nerviger Protagonist und eine zähe Handlung werden dieses Buch schnell wieder vergessen machen.
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