Jon Bauer - Steine im Bauch / Rocks in the Belly

  • Autor: Jon Bauer
    ISBN: 978-3-462-04652-6
    Verlag: Kiepenheuer & Witsch
    Originaltitel: Rocks in the Belly
    Seitenanzahl: 368
    Preis: 19,99 Euro
    Leseprobe


    Inhalt:
    Der 28-jährige ich-Erzähler kehrt nach langer Zeit zurück in das Haus seiner Kindheit um sich um seine schwer kranke Mutter zu kümmern. Als Kind litt er massiv unter dem Umstand, dass die Pflegekinder, welche seine Mutter oft aufnahm, stets bevorzugt behandekt worden. Seine eigenen stummen und hilflosen Schreie nach Liebe und Zuneigung wurden ignoriert oder missverstanden. Der Pflegejunge Robert ist es schließlich, der das Faß zum Überlaufen bringt und es geschieht das tragische Ereignis, welches auch in der Gegenwart noch immer Folgen hat.


    Meinung:

    Zitat

    "Es kommt nicht darauf an, wohin man geht oder was man mit seinen Gefühlen macht, die Wahrheit lauert einem doch immer wieder auf. Meine Kindheit lauert in mir, wie geballte Fäuste in meinen Händen lauern.” (Seite 7)


    Der namenlose Protagonist kehrt nach Hause zurück um seine Mutter, die an einem schweren Hirntumor erkrankt ist zu pflegen. Im Haus seiner Kindheit kehren immer mehr die Erinnerungen an seine Vergangenheit zurück und mit ihnen auch all die Gefühle. Noch immer leidet der Protagonist darunter, dass er sich stets zurückgesetzt fühlte neben den Pflegejungen um die sich seine Mutter kümmerte. Seine mittlerweile pflegebedürftige Mutter ist kaum noch ein Schatten ihrer selbst. Sie kann kaum noch sprechen und laufen und kann ihrem erwachsenen Sohn dadurch nur noch wenig entgegensetzen.
    Schnell wird klar unter welchem Druck der Protagonist als Kind gestanden haben muss. Wo die Mutter Verständnis und Wärme ihren Pflegekindern entgegenbringt kommt ihr eigener Sohn viel zu kurz was nicht ohne offensichtliche Folgen bleibt.

    Zitat

    “Und wenn wir uns dem Selbstmord überlassen, dem Alkohol, der Gewalt oder der Verbitterung, dann deshalb, weil wir in einen der Abgründe zwischen diesen Okay-Momenten gestürzt sind. Und da hinein ist offenbar auch mein achtjähriges Ich gefallen.” (Seite 261)


    Jon Bauer schafft es mit seinem Debütroman nicht nur dem Leser die Gedanken und Gefühle eines Kindes zu vermitteln sondern gibt darüber hinaus Einblick in das Innenleben des Erwachsenen, der aus diesem Kind geworden ist. Dabei begeistert er mit einer ebenso bildhaften wie auch fesselnden Sprache mit der er abwechselnd aus der Perspektive des Kindes und aus heutiger Sicht des Erwachsenen berichtet.
    “Steine im Bauch” ist kein Buch in dem man sich einen Schuldigen herauspicken kann denn jeder in dieser Geschichte trägt seinen ganz eigenen Anteil an Schuld und muss mit dieser ebenso leben wie mit der Hilflosigkeit und Scham. Es geht um Missverständnisse, um Verluste, Ängste und welche Folgen es haben kann wenn man nicht in der Lage ist Frieden mit seiner eigenen Geschichte zu schließen.
    Unweigerlich wird man als Leser in diesen Roman hingezogen um zu erleben wie hilflos sich ein Kind fühlen kann und wie zerrissen dieses Kind als Erwachsener sein kann im ständigen Zwist mit sich selbst, seinen Gefühlen und Wünschen.


    Fazit:
    Mit “Steine im Bauch” ist Jon Bauer ein durch und durch fesselnder Debütroman gelungen, welcher den Leser sofort packt und in die Gefühlswelt eines Kindes und später Erwachsenen katapultiert. Ein Roman der ebenso offen und ehrlich wie auch schockierend und rührend ist. Ein Buch das noch lange nachwirkt.


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    *~Gibt es etwas Schöneres auf der Welt als Buchstaben?
    Zauberzeichen, Stimmen der Toten, Bausteine für wundersame Welten,
    besser als diese, Trostspender, Vertreiber der Einsamkeit. Hüter von
    Geheimnissen, Verkünder der Wahrheit…~*


    -Cornelia Funke-

  • Vielen Dank für die schöne Rezi.
    Wenn das Buch nicht schon längst auf meinem SuB liegen würde, würde es spätestens jetzt dort hin wandern.
    :)

  • Jon Bauer "Steine im Bauch"


    Autor: Jon Bauer
    Titel: Steine im Bauch
    Seiten: 366
    ISBN-978-3-462-04652-6
    Verlag: Kiebenheuer & Witsch


    Autor:
    Jon Bauer wurde in England geboren und lebt seit 2009 in Melbourne, Australien. Er schreibt Kurzgeschichten und Theaterstücker, auch für Radiosendungen entwickelte er Hörspiele. "Steine im Bauch" ist sein erster Roman. Dafür wurde er mit dem -Indie Award For Best Debut- ausgezeichnet.


    Inhalt:
    Die Mutter des Ich-Erzählers nimmt immer wieder Pflegejungen auf, obwohl ihr eifersüchtiger Sohn, ein Einzelkind, furchtbar darunter leidet. Als der verschlossene Robert in die Familie kommt, der meintlich perfekt ist und Liebling der Mutter wird, nimmt die Eifersucht obsessive Züge an. (Klappentext)


    Rezension:
    Es ist eine Geschichte, die überall so sich hätte abspielen können und so bleibt der Protagonist unbenannt, die Orte ohne Bezeichnung und doch ist die Geschichte greifbar als hätte Jon Bauer die unmittelbare Nachbarschaft als Spielfeld der Handlung ausgewählt. Und mittendrin ein sieben- oder achtjähriger Junge, der zwar eine Familie hat, sich aber alleine und ungeliebt fühlt. Vor allem zu seiner Mutter, die obsessiv Pflegejungen betreut. Ausgestoßene der Gesellschaft ohne zu ahnen, dass sie selbst im Alter zum Spielball des Sohnes wird, dem sie sich nie richtig annahm. Der eifersüchtige Rachefeldzug des erwachsenen Kindes nimmt seinen Lauf und die Verhältnisse kehren sich um. Die Handlung steuert unweigerlich auf den Abgrund zu. Tiefer kann eine Mutter-Sohn-Beziehung nicht sinken.


    Jon Bauer versteht es in seinem Erstlingswerk den Leser in seine Geschichte eintauchen und in dem Strudel der Handlung versinken zu lassen. Kaum eine Figur ohne Schattenseiten, abwechselnd anrührend um dann wieder abzustoßen. Tatsächlich weiß man am Ende nicht, welches Verhalten abstoßender und irritierender ist. Das des Sohnes oder der Mutter oder gleich der Umgebung selbst, da ja grausames Verhalten ebenso grausames Verhalten begünstigt. In sofern stehen sich die Protagonisten in Nichts nach. Aber, mit zunehmender Seitenzahl braucht man schon ein weniger zartes Gemüt um durchzuhalten bis zur letzten Seite und bleibt am Ende mit einigen Fragen zurück.


    Wie steht es um unsere Gesellschaft? Wie funktioniert das System von Pflegeeltern und -kindern? Wäre man selbst dazu bereit, ein fremdes Kind aufzunehmen? Geschweige denn in der Lage dazu? Wo sind die Grenzen? Welchen Unterschied würde man zwischen eigenen und Pflegekindern machen? Darf man machen? Sollte man machen oder auch nicht? Wie viel Potential steckt dahinter, sowohl negativ als auch aus positiver Sicht? Und wie viele Steine im Bauch kann ein Mensch ertragen, ehe grausame Rachegedanken die Oberhand gewinnen?


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