Marge Piercy - Menschen im Krieg/Gone to Soldiers

  • Zehn Protagonisten, zehn teils recht ungewöhnliche Blickwinkel auf den 2. Weltkrieg.

    Da haben wir Abra Stone, die selbstbewusste Studentin aus Maine, die sich einen begehrten Assistentinnenjob bei ihrem Professor an Land zieht, und Louise, die geschiedene Frau des Professors, die versucht, ihre aufmüpfige Tochter allein großzuziehen und mit kitschigen Liebesromanen unter Pseudonym ihr Geld verdient. Beider Karrieren nehmen aufgrund des Krieges einen gänzlich unerwarteten Verlauf.

    In Chicago führen Duvey und Ruthie ein unspektakuläres, von harter Arbeit, Geldsorgen und beengten Raumverhältnissen geprägtes Leben innerhalb ihrer wachsenden Familie. Duvey ist Matrose auf verschiedenen Versorgungsschiffen, die alsbald zwischen die Fronten des Krieges geraten, während seine Schwester Ruthie in einem Industriebetrieb arbeitet ein Abendstudium absolviert, um Sozialarbeiterin zu werden.

    Ruthies Freund Murray meldet sich freiwillig zu den Marines und wird nach seiner Grundausbildung in den Pazifik geschickt, wo mit die härtesten Schlachten des Krieges toben.

    In Frankreich lernen wir die jüdischen Schwestern Jacqueline und Naomi (und ihre Zwillingsschwester Rivka) kennen, die im Zuge der um sich greifenden Repressalien gegen Juden getrennt werden. Naomi wird zu Verwandten in die USA geschickt - der Familie von Ruthie und Duvey -, damit wenigstens eine der drei in Sicherheit ist; Jacqueline hingegen schließt sich der Résistance an, in der auch ihr Vater engagiert ist.

    Dann gibt es noch Daniel, der in China aufgewachsen ist, ein echtes Sprachtalent, der bald im Auftrag der Navy und des OSS Japanisch lernen "darf", sowie die Geschwister Jeff und Bernice Coates, die beide mit ihrem verstaubt wirkenden Vater, einem ehemaligen Professor, nicht gut zurechtkommen. Während Bernice die Zähne zusammenbeißt und ihm den Haushalt führt und sich mit gelegentlichen Flugstunden tröstet, hat Jeff die Flucht ergriffen und schlägt sich mit Gelegenheitsarbeiten von Ort zu Ort durch, wobei er seiner Leidenschaft, der Malerei, so oft wie möglich frönt.

    Diese zehn Figuren begleiten wir vom Kriegsausbruch in Europa bis kurz nach dem endgültigen Kriegsende. Jeder Person sind mehrere Kapitel gewidmet, wobei die Abfolge mehr oder weniger chronologisch dem Verlauf des Krieges entspricht. Marge Piercy schont ihre Protagonisten (und ihre Leser) dabei wahrlich nicht, schwelgt dabei aber nicht in Blut- und Gewaltorgien, sondern belässt es bei einigen wenigen sehr eindrucksvollen Szenen.

    Manche Szenarien sind dabei für Leser, die mit der Materie einigermaßen vertraut sind, bekannt, wie die Judenverfolgung, der Widerstand und die Konzentrationslager in Europa und die Kampfhandlungen im Pazifik, anderes war auch für mich Neuland, z.B. die Frauen, die im Auftrag der US Air Force Kampfflugzeuge von den Herstellungsorten zu den Luftwaffenstützpunkten flogen, weil quasi alle verfügbaren Piloten im Kriegseinsatz waren oder die (eigentlich naheliegende) Tatsache, dass es auch für zivile Frachtschiffe äußerst gefährlich war, auf den Ozeanen unterwegs zu sein.

    Menschlich wie historisch hat mich das Buch geschockt, mitgerissen und gefesselt. Ich war äußerst gespannt, wie die einzelnen Lebenswege aussehen werden (wobei manche von ihnen im Laufe des Buches leider zu Ende gegangen sind - besonders in einem Fall hat mich das sehr traurig gemacht), und auch wieder einmal ziemlich erschüttert und wütend über das, was Menschen Menschen antun können.

    Die bemängelten Fehler im Deutschen sind mir auch aufgefallen, grundsätzlich hatte ich aber schon den Eindruck eines ordentlich recherchierten Romans und empfehle ihn guten Gewissens allen, die Romane über die Kriegszeit mögen - ein bisschen wie Herman Wouks zwei dicke Wälzer über die Henrys, nur mit weniger militärischen Details.

  • Nein, ausgeblendet bleibt da für meine Begriffe nichts. Sicher, die meisten Protagonisten sind Amerikaner und somit liegt in vielen Kapiteln der Fokus jenseits des großen Teichs, aber auch die Geschehnisse in Europa spielen eine zentrale Rolle, von der beginnenden Judenverfolgung in Frankreich bis zur Befreiung der KZs in Deutschland und dem Kriegsende in Paris. Davon abgesehen fand ich es aber auch interessant, mal über die "home front" in den USA zu lesen, wo zwar der Krieg nicht unmittelbar tobt, aber dennoch spürbare Auswirkungen hat, nicht nur, als die ersten Verwundeten nach Hause kommen. Und von den Pilotinnen, die Flugzeuge ausliefern, weil so gut wie alle Männer im Krieg sind, hatte ich zuvor auch noch nicht gehört.