Richard Morgieve - Wunder und Legenden aus meinem Land im Krieg/ Miracles et légendes de mon pays en guerre

  • Das Buch entführt den Leser ins Frankreich im Frühjahr 1940: Hunderttausende fliehen vor den einmarschierenden deutschen Truppen aus Paris in Richtung Süden. Nur der Zuhälter Saint Jean und seine drei Huren biegen irgendwo auf dem Weg falsch ab, sie landen in einem westfranzösischen Dorf am Rande eines Sumpfgebietes. Im Gepäck haben sie einen auf der Flucht gefundenen Säugling namens Pierre, den späteren Ich-Erzähler von «Wunder und Legenden aus meinem Land im Krieg». Ein verlassenes Bordell wird schnell wieder aufgebaut und wird zum Treffpunkt für Besatzungssoldaten, Kollaborateure, Widerstandskämpfer und geheimnisvolle Gestalten, die in dem unwegsamen Gebiet verschwiegene Existenzen führen.


    Das Sagen über diese bunte Gesellschaft hat der «Chef», ein Mann mit verschiedenfarbigen Augen, der mitten im Sumpfes lebt. Er verfügt über magische Kräfte, wie auch Pierre, der womöglich sein leiblicher Sohn ist. Pierre kann Todkranke heilen und besitzt trotz seines zarten Alters das Beobachtungs- und Reflexionsvermögen eines Erwachsenen. Ähnlich wie Oskar Matzerath in der «Blechtrommel» schildert Pierre aus kindlicher Perspektive eine von Verlogenheit und Opportunismus geprägte französische Gesellschaft unter der deutschen Besatzung und kurz danach.


    Doch Pierres luzide Beschreibungen und seine scharfe Gesellschaftskritik bleibt leider hinter der Schilderung des wilden Hurenlebens. Sie haben mich irgendwann müde gemacht. Weniger davon hätte dem Roman des in Frankreich sehr bekannten Autors sehr gut getan.