Schade, dass ich zwei Jahre zu spät dazugestoßen bin, aber möglicherweise wird dieses spannende Thema ja wiederentdeckt. Erlaubt mir einen Abstecher zur Musik: Neulich in der Nähe meiner Heimat ein Konzert von Bryan Adams - riesige Halle, komplett ausverkauft. Erstaunlich, obwohl er seit Jahrzehnten im Grunde genommen die gleiche Musik spielt, keine neuen Impulse, keinerlei Stilwechsel. Fehlt es an der Fantasie, am Mut etwas Neues auszuprobieren? Liegt es am Zwang zur Gewinnoptimierung, der einen Aufbruch zu neuen musikalischen Ufern von vorneherein kategorisch ausschließt? Die Fragen scheinen sich nur wenige zu stellen, das Konzert war ausverkauft.
Einige Wochen später ein Konzert in einer deutlich kleineren Halle, vielleicht hundert Besucher, Halle halb gefüllt, aufgetreten ist ein niederländischer Blues-Rocker namens Julian Sas mit seiner Band. Der tourt schon seit ein paar Jahren immer wieder mal auch durch Deutschland, aber ich wette jetzt eines meiner Bücher, dass ihn hier niemand kennt. Es war eines der besten Live-Konzerte, das ich miterleben durfte, und ich habe mich schon beinahe dafür geschämt, dass er auf so viel Nichtbeachtung gestoßen ist.
Was ist die Konsequenz? Er wird kaum ein zweites Mal in meine Region kommen, und wenn er auch noch andernorts auf so wenig Beachtung stößt, wird er die Gitarre ganz an den Nagel hängen, weil Musik allein nicht satt macht. Ich werde kaum ein zweites Mal in diesen Genuss kommen. Auch nicht die vielen Bryan Adams-Besucher, die nicht einmal wissen, was ihnen entgangen ist.
Mein Fazit: Unsere Konsumgesellschaft krankt daran, dass der Name wichtiger ist als die Qualität des Produktes. Wir Kunstschaffenden unterstützen das auch noch, indem wir krampfhaft versuchen uns vorzudrängen, unseren Namen ins Spiel zu bringen. Mein Name ist bedeutungslos, mein Menschsein ist bedeutungslos. Welchen Menschen möchte der Leser denn gerne haben? Den ausgeflippten DJ, den seriösen Naturwissenschaftler, den treusorgenden Familienvater, den Rambo, der mit seiner Gesellschaftskritik reindrischt, den fürsorgenden Vater, der sich Gedanken macht, in welche Zukunft wir unsere Kinder entlassen? Kann ich alles bieten, ich bin da flexibel. Was nicht variabel ist - das ist mein Werk. Wer mich unbedingt kennenlernen will, muss mein Buch lesen.
Wir müssen den Lesern klar machen, dass dieses Fixiertsein auf Namen und Bekanntheit zu ihrem eigenen Schaden ist. Die Vielfalt geht verloren, junge No-Name-Schriftsteller pfeifen auf ihr Talent und suchen sich einen sicheren Job, und die Perlen, die es jetzt noch jenseits der bekannten Namen gibt, werden nie eine Krone schmücken.