Ben Elton - The First Casualty

  • Ich habe lange überlegt, wo ich dieses Buch einordnen soll, aber ich denken, dass dies hier die treffendste Ecke ist, auch wenn eine Kriminalgeschichte in einer kriegerischen Auseinandersetzung gezeigt wird. Und es kommt auch eine Menge Politik vor.


    Im ersten Weltkrieg, im Jahre 1917, wird der Polizist Douglas Kingsley rechtskräftig zu einigen Jahren Gefängnis verurteilt, weil er aus Gewissensgründen den Kriegsdienst verweigert - und nicht, weil er ein Pazifist ist, sondern weil er gegen diesen speziellen Krieg ist, den er unlogisch findet.


    Als ein Polizist in einem Gefängnis ist er nicht gerade auf Rosen gebettet und hat eine extrem kurze Lebenserwartung, aber als ein Volksheld und -poet adliger Herkunft in einem Lazarett erschossen wird, wird Douglas vom Geheimdienst aus dem Gefängnis befreit - wobei er offiziell auf der Flucht erschossen wird - und damit beauftragt, diesen Mord so diskret wie möglich aufzuklären. Und prompt findet er sich im Rahmen der Ermittlungen genau an der Front, die er eigentlich nie sehen wollte, und für deren Vermeidung er ins Gefängsnis gegangen war.


    Sehr gut recherchiert und sehr spannend mit vielen interessanten zeitgenössischen Momenten. Schwer empfehlenswert.

  • Douglas Kingsley ist mit Leib und Seele Polizist in London und ein Mann, der Probleme grundsätzlich erst einmal mit rationaler Logik angeht. Und so ist es auch keine emotionale Kurzschlusshandlung oder eine Gewissensfrage, dass er sich gegen den Krieg stellt, der später als der erste Weltkrieg in die Geschichtsbücher eingehen wird. Als er wegen seiner Kriegsdienstverweigerung vor Gericht gestellt wird, argumentiert er kühl und logisch, zieht historische Fakten heran ... und redet sich damit um Kopf und Kragen. Er landet im Gefängnis, seine Frau will nichts mehr von ihm wissen, in der Presse bricht ein Sturm der Entrüstung über ihn herein, und auch im Knast hat er nichts zu lachen, weil jeder weiß, dass er ein "Feigling" und "Vaterlandsverräter" ist.

    Kingsley hat sich schon beinahe damit abgefunden, dass er unter diesen Umständen nicht allzu lange überleben wird, doch dann wird er unter mysteriösen Umständen überraschend freigelassen und beauftragt, unter falschem Namen den rätselhaften Tod eines jungen Offiziers an der Westfront zu untersuchen. Entgegen der offiziellen Version ist Alan Abercrombie nämlich nicht auf dem "Feld der Ehre" gefallen, sondern wurde in seinem Lazarettbett erschossen.

    Ironie des Schicksals, als Kriegsdienstverweigerer mitten ins Geschehen bei Ypern geschickt zu werden. Kingsley muss feststellen, dass er sich die Zustände dort nicht in seinen schlimmsten Träumen ausgemalt hätte - die Schüsse, die Gräben, die miserable Versorgung, der Schlamm, das Ungeziefer -, doch er entwickelt auch einen geradezu verbissenen Ehrgeiz, um jeden Preis den Mord an Abercrombie aufzuklären, auch wenn es idiotisch erscheinen mag, so viel Zeit und Energie dafür aufzuwenden, während um ihn herum täglich tausende junger Männer sterben und das einfach so hingenommen wird.

    Von der ersten Seite an hat mich das Buch gefesselt. Es beginnt mit einer kurzen, schrecklichen, sehr eindringlichen Szene an der Front und springt dann erst einmal ein paar Monate zurück zu Kingsleys Gerichtsverfahren. Douglas war mir zunächst nur verhalten sympathisch, er wirkte mir etwas zu distanziert und abgeklärt, aber das, was da mit ihm passiert, fand ich einfach nur traurig und schlimm (und ich war wieder mal dankbar, dass ich hier und heute lebe).

    Ich hatte zu lesen begonnen, ohne vorher den Klappentext noch mal anzuschauen - das machte die Lektüre natürlich besonders spannend und die unvorhergesehenen Wendungen noch überraschender, ein paarmal habe ich richtiggehend den Atem angehalten. Und obwohl Elton ab und zu seine Figuren (vor allem ein paar Nebenrollen) ein bisschen überzeichnet, blieb der Plot doch insgesamt glaubwürdig, und das Buch funktionierte als Kriminalgeschichte genauso gut wie als Porträt der Kriegszeit.

    Auch den Titel fand ich sehr passend gewählt, eine Anspielung auf den Spruch "The first casualty of war is truth" (frei übersetzt: "Das erste Opfer eines jeden Krieges ist die Wahrheit"). Kingsley ist ständig auf der Suche nach der Wahrheit über Abercrombies Tod, stößt aber dabei immer wieder auf Lügen oder Fakten, die verschwiegen wurden, und auch er selbst muss immer wieder die Wahrheit frisieren, um seine echte Identität geheimzuhalten.

    Fazit: das war mein erstes Buch von Ben Elton, aber sicher nicht mein letztes!