Gunnar Gunnarsson - Die Leute auf Borg / Af Borgslægtens Historie

  • Original : Af Borgslægtens Historie (Dänisch, 1913)


    Übersetzung : Julius Sandmeier


    INHALT :
    Familiendrama auf Island, über drei Generationen. Der große schriftstellerische Durchbruch, der schnell zum Klassiker wurde : eine Geschichte zwischen Naturbeschreibungen, großen und schicksalsschweren Charakteren, der inneren Unruhe und der letztlichen Suche nach seinem Lebensort und der Aussöhnung.


    GLIEDERUNG :
    In drei Bücher (Teile) mit jeweils Kapiteln und Abschnitten gegliedert :
    Ormarr Örlygsson (Ormarr Ørlygsson, 1912) ; 7 Kapitel auf 116 Seiten
    Die dänische Frau auf Hof (Den danske frue på Hof, 1913) ; 8 Kapitel auf 100 Seiten
    Gast der Einäugige (Gæst den enøjede, 1913) ; 14 Kapitel auf 94 Seiten


    BEMERKUNGEN :
    Das Werk gliedert sich also in drei Büchern (wie früher oft üblich größere Leseabschnitte benannt wurden), doch da sie zusammen herausgegeben worden sind und sie trotz einiger Zeitsprünge in einem fortlaufenden Erzählfluss stehen, kann man in der Zusammenfassung nicht allzu weit vordringen, und so gebe ich nur die Eingangssituation wieder und verweise auf die Atmosphäre des Buches :


    Im Zentrum die Familie von Örlygur auf Borg, nicht nur Herr eines großen Hofes und Grundbesitzer, sondern auch anerkannter Ratgeber, Helfer der Armen, Tierarzt, und – auf seine Art und Weise – auch Schlichter und Friedensstifter. Die Leute bezeugen normalerweise auch ihre Treue und Dankbarkeit : hier hat die verantwortungsvoll ausgeübte Macht dazu geführt, ihn « König » zu nennen. Er kennt nur der Gegenspieler Dreie : den Pfarrer, den Kaufmann und den Arzt. Örlygur, bei Beginn der Handlung 42 Jahre alt, hat zwei Söhne : Ormarr und den später geborenen Ketill, bei dessen Geburt die Mutter starb. Ormarr strebt vom Hofe weg, und der Vater wird ihm dies auch ermöglichen. Dem unermüdlichen Geigenspieler erlaubt er einen Privatunterricht in Kopenhagen, zehn Jahre lang. Doch als er seine dortige Zeit mit einem überragenden Konzert abschliessen könnte, sorgt er für einen Eklat und kehrt tagsdrauf in die Heimat zurück. Neue Pläne tun sich auf. Wird er Reeder der isländischen Passagierschiffahrt ? Und wenn, wie lange? Findet er zurück in die Heimat?


    Währenddessen bekommt der Zweitgeborene Ketill seinen Ruf zum Priester. Wird er etwa geistliche und weltliche Macht in sich vereinen ? Denn eigentlich steht er als Erbe des Hofes an... Wie wird es mit seinem Ruf der Redlichkeit und Glaubhaftigkeit hinhauen?


    Doch die Geschichte ist noch lange nicht zuende, und sie führt uns über Beziehungen des Verrats, der Enttäuschung hin zu an den Rand Stehenden, Brüchen, Neuanfängen, Versöhnungen... Wie Gunnarsson hier den Menschen in all seiner Bandbreite beschreibt, im Herzen oft von einer Wehmut, einer Sehnsucht, einer Lebenslast geprägt, prägt sich dem Leser tief ins Herz ein. Manchmal geht es um die Frage, inwieweit und in welchem Rahmen wir wirklich unseren Lebensweg wählen oder/und ob wir einem Schicksal folgen, das es aber letztlich gut mit uns meint. Dahinter steckt letztlich eine wohlwollende führende Hand.


    Ist es hier und da eventuell zu ergreifend ? Mag sein, doch man spürt sich den tiefsten menschlichen Regungen und Beweggründen sehr nahe, vielleicht getroffen?


    Ein absolutes Meisterwerk, das ich nur dringend empfehlen kann !


    « Wie es mir ähnlich sieht, den eigentlichen Gedanken vor den Augen meiner Seele zu verbergen, indem ich auf die Scheibe vor meinem allerinnersten Ich einen philosophischen Nebel hauche. Sollte ich mir selber trotzdem verraten, was ich dahinter gesehen habe ? Sollte ich, einmal nur, in mir selbst bis auf den Grund gehen und mich durch und durch sehen ? Kann ich dann leugnen, dass ich eine tiefe, unerklärliche Freude verberge, die da drinnen soeben gleichsam hervorgequollen ist ?
    Weil ich glaube, gesehen zu haben, wie eine Seele meiner eigenen Seele entgegenrötete. Jetzt gehe ich wohl hin und baue mir eine Burg auf Sand, mit goldenen Türmen und ungeheuren Erwartungen. Ja, wenn ich ehrlich sein will, dann muss ich jetzt wohl... hier bauen, - ob ich will oder nicht. Und darauf vertrauen, dass der Grund sicher ist. » (S 118-119)


    « Die Leute auf Borg » wurden bereits 1919 als erster isländischer Roman überhaupt verfilmt. Ich verweise auch gerne auf die schon besprochenen Bücher hier im BT (siehe auch : http://www.buechertreff.de/Person/gunnar-gunnarsson/ ). Dies ist ein Autor, den ich voll und ganz empfehle, und dessen Wiederentdeckung hoffentlich nur eine Frage der Zeit ist. Denn hier rührt man an etwas Unerschütterliches, Wahres – um es was pathetisch auszudrücken...


    AUTOR :
    Der isländische Schriftsteller Gunnar Gunnarsson wurde 1889 im Fljótsdalur in Ostisland geboren und wuchs dort als Sohn eines armen Bauern auf dem Hof Valþjófsstaður auf. Als er acht Jahre alt war, starb seine Mutter. Er besuchte nur die einfach Volksschule und besuchte ab dem achtzehnten Lebensjahr für zwei Jahre die Volkshochschule in Jütland, Dänemark. Hier lernte er auch Franzisca Jörgensen kennen, die er 1912 heiratete.


    In Dänemark versuchte er auch sein Glück als Schriftsteller. So erschien 1912 sein Roman « Ormarr Ørlygsson », der der erste Teil einer Tetralogie (?) wurde, die in Deutschland unter dem Titel « Die Leute auf Borg » erschien und bereits 1919 als erster isländischer Roman überhaupt verfilmt wurde. Diese Romane machten ihn berühmt, so dass nun in rascher Folge weitere Romane von ihm erschienen, die seinen Ruhm festigten und ihn über Skandinavien hinaus bekannt machten.


    In Deutschland begann sein Ruhm mit « Salige er de enfoldige » (dt. Der Hass des Pall Einarsson) von 1921. 1926 ging er zurück nach Island, wo er sich zunächst in Ljótsstaðir bei Vopnafjörður niederließ. 1938 kaufte er den Hof Skriðuklaustur in der Nähe seines Elternhauses. Dieser Hof ist heute ein Museum über Gunnarsson.


    Im Jahr 1948 zog er nach Reykjavík, wo er begann, seine Bücher, die er bislang in Dänisch geschrieben hatte, ins Isländische zu übersetzen. Seine letzten drei Romane, die alle nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind, schrieb er erstmals original auf isländisch. Der letzte erschien 1955, in diesem Jahr war er auch für den Nobelpreis für Literatur nominiert. Normalerweise werden die Nominierten nicht bekannt gegeben, aber es kam inzwischen heraus, das er zu diesem Zeitpunkt bereits zum dritten Mal vorgeschlagen war. Gunnarsson gilt neben Halldor Laxness als grösster Romanautor Islands im 20. Jahrhundert.


    Gunnar Gunnarsson starb 1975 in Reykjavík, ein Jahr später seine Frau. Sie wurden auf Viðey beigesetzt, einer kleinen Insel im Westen Islands. Seine Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.
    (Quelle siehe : http://www.histo-couch.de/gunnar-gunnarsson.html ; ausführlicher Artikel auf Englisch auch hier : http://en.wikipedia.org/wiki/Gunnar_Gunnarsson )


    Eine Vielzahl an Büchern des Autors ist frühzeitig übersetzt worden, heute aber nur mehr oder weniger leicht erhältlich ! Oben rezensiertes Buch stammt aus dem Antiquariat. Es lohnt sich aber ! Hier eine :


    Broschiert: 228 Seiten
    Verlag: Herder (1959)
    Sprache: Deutsch
    ASIN: B0000BIWNF

  • der der erste Teil einer Tetralogie (?) wurde


    Was meinst Du damit, tom leo? Gibt es ein viertes Buch von Gunnarson, dass zu dem hier vorgestellten gehört? Danke für die tolle Rezension, ich hab das Buch gleich mal auf die Wunschliste gesetzt, damit ich es nicht vergesse :D

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn


  • @tom leo
    Das ist wohl das Buch in der altertümlichen Schrift, das Du neulich erwähnt hast?

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Zitat von tom leo: „der der erste Teil einer Tetralogie (?) wurde“
    Was meinst Du damit, tom leo? Gibt es ein viertes Buch von Gunnarson, dass zu dem hier vorgestellten gehört? Danke für die tolle Rezension, ich hab das Buch gleich mal auf die…


    Tja, ich bin da etwas verwirrt: in einer Internetseite war ganz klar von einer Tetralogie die Rede; dort wurde gar ein Titel erwähnt. Meine deutsche, alte Ausgabe aber wiederum ist eindeutig mit "Die Leute auf Borg" betitelt und hat ebenso eindeutig "nur" drei Teile, bzw Bücher. Und das Dritte jener Ausgabe wird dann auch - im Gegensatz zu den zwei anderen Büchern - mit einem eindeutigen "ENDE" abgeschlossen. Wer da durchblickt mag gerne Aufklärung geben...


    <a href="http://www.buechertreff.de/User/2161-tom-leo/"> Tom leo</a>
    Das ist wohl das Buch in der altertümlichen Schrift, das Du neulich erwähnt hast?


    Nein! Neulich sprach ich von "Schiffe am Himmel", die ich schon besprochen hatte. Diese Ausgabe hier ist in lateinischer, "normaler" Schrift!