Aldous Huxley - Time must have a stop (ab 12.09.2014)

  • Hallo,


    Nächste Woche wollen Hypocritia und ich >Time must have a stop< von Aldous Huxley lesen. Weitere Teilnehmer sind herzlich willkommen.
    Wir lesen die englische Ausgabe, aber Teilnehmer die die deutsche Übersetzung bevorzugen, sind natürlich auch willkommen.


    Die deutsche Ausgabe ist, soweit ich gesehen habe, nur noch antiquarisch zu erhalten, aber zu günstigen Preisen.


    lg taliesin :winken:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • Ich werde bei Euch still mitlesen - aber ich muss jetzt erst mal ein paar andere Bücher vorziehen. viel Spaß wünsch ich Euch :D

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn


  • Wir beginnen unsere Leserunde am Freitag, 12. September 2014.


    Teilnehmer bis jetzt:


    Hypocritia
    taliesin

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  • Kapitel 1:


    Wir begegnen Sebastian Barnack, 17 Lenze alt und nach der Beschreibung ein sehr hübscher Junge, der aussieht als wäre er gerade dreizehn.
    Huxley beschreibt das so:


    Zitat

    To be seventeen, to have a mind which one felt to be agelessly adult, and to look like a Della Robbia angel of thirteen - it was an absurd
    and humiliating fate.


    Auf seinem Weg aus einer Bücherei begegnet er einer Dame, die in ihm wohl das Ebenbild ihres verstorbenen Sohnes sieht und ihm eine Box mit Schokolade schenkt.
    Er hat ähnliches wohl schon öfter erlebt und fühlt sich zuerst belästigt, dann aber denkt er an seine verstorbene Mutter und entwickelt so etwas wie Mitgefühl nicht
    nur bezüglich der traurigen Frau, sondern Sebastian schwenkt sofort über zum Leid der Welt im Allgemeinen.
    Die folgende Passage enthält zwr eine Reihe trauriger Wahrheiten, klingt aber aus dem Mund eines Siebzehnjährigen ein wenig gestelzt und beinahe auswendig gelernt.
    Ist zwar noch sehr früh um Beurteilungen abzugeben, aber mal ehrlich, für einen sehr jungen Kerl dann doch etwas zuviel Weltschmerz, oder?

    Zitat

    (...) and millions starving, millions frightened, and sick, and anxious. Millions being cursed and kicked and beaten by other brutal millions. And everywhere the
    stink of garbage and drink and unwashed bodies. And everywhere the blight of stupidity and ugliness. Ther horror was always there even when one happened to be
    feeling well and happy - always there, just round the corner and behind almost every door.


    Im weiteren Verlauf erfahren wir dann, dass Sebastian wohl Ambitionen hat ein Poet zu werden. Er erinnert sich an ein paar Zeilen aus einem Gedicht von >Keats< und
    obwohl er Keats wohl als Dichter schätzt, gibt es auch gleich Kritik an der ein oder anderen Zeile des Meisters. Bescheidenheit ist des jungen Mannes Sache nicht. :wink:


    Hier zwei Beispiele:

    Zitat

    Sebastian smiled to himself with compassionate irony. One of these days he`d show them what could be done with Greek mythology.


    Zitat

    But these would be for another poem - a poem in which he would take vengeance on the whole female sex.


    Soweit zu den Ambitionen unseres Helden. Wir bekommen noch einige Beispiele seiner Dichtkunst. Auf jeden Fall macht er sich viel Mühe seine Gedichte zu entwickeln
    und ich musste doch ein wenig grinsen, weil ich unwillkürlich an unseren armen Poeten aus >Wolf Solent< und seinen "Lentyworm" denken musste. Ok, das wäre jetzt
    unfair, weil seine Gedichte doch etwas vielversprechender aussehen, oder was meinst du @Hypocritia ?


    Am Schluss des Kapitels wird es dann schon recht witzig. Wir begegnen >Old Pfeiffer< dem Klavierlehrer von Susan einer Freundin? von Sebastian. Sebastian will sie besuchen,
    erntet aber eine Menge Spott von Pfeiffi, der sich in der Rolle des Witzereißers offensichtlich extrem wohlfühlt. Ich muss zugeben die Geschichte des >Vomitus< ist zwar derbe,
    aber sie bringt unseren Poeten deutlich herunter von den poetischen Höhen in denen er kurz vorher noch schwebte. :loool:


    Sebastian stürmt aus der Tür, wohl ziemlich erniedrigt von Pfeiffis robustem Humor. Susan folgt ihm, wahrscheinlich um ihn zu trösten.
    Das Kapitel endet mit einer kurzen Beschreibung von Pfeiffers Sinn für Humor.


    Zitat

    Dr. Pfeiffer`s sense of humor was mediaevally robust; for him, that vomitus on the second-floor landing was almost the funniest thing that had happened
    since the jokes in Faust.


    Ein vielversprechendes erstes kurzes Kapitel, dass meine Neugier hinsichtlich der Personen schon geweckt hat. Sehen wir weiter............

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  • fast hätte ich es vergessen. Der Romantitel bezieht sich auf ein Zitat der Todesrede Hotspur`s aus >W. Shakespeare`s< Henry IV.
    Das klingt so...........


    But thought`s the slave of life, and life times fool.
    And time, that takes survey of all the world,
    must have a stop.

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  • Hallo Barde,


    ich habe gerade bis einschließlich drittem Kapitel gelesen, und ich tue mir leider nicht sonderlich leicht, wobei ich nicht so recht weiß, ob es eher an Herrn Huxleys Schreibstil liegt oder vielleicht an einer temporär ungünstigen Disposition meinerseits. Um das Vorwort (Jetzt schreiben schon Buchhändler Vorworte? Haben sie keinen anderen für diese Aufgabe gefunden?) und die ersten beiden Kapitel zu lesen, habe ich mindestens ein Dutzend mal ansetzen müssen - ich habe mir ständig eine Ablenkung gesucht - so richtig gepackt hat's mich noch nicht - aber das wird vielleicht besser in den nächsten zwei, drei Tagen ... :lol:


    Auf seinem Weg aus einer Bücherei begegnet er einer Dame, die in ihm wohl das Ebenbild ihres verstorbenen Sohnes sieht und ihm eine Box mit Schokolade schenkt.
    Er hat ähnliches wohl schon öfter erlebt und fühlt sich zuerst belästigt, dann aber denkt er an seine verstorbene Mutter und entwickelt so etwas wie Mitgefühl nicht nur bezüglich der traurigen Frau, sondern Sebastian schwenkt sofort über zum Leid der Welt im Allgemeinen.
    Die folgende Passage enthält zwar eine Reihe trauriger Wahrheiten, klingt aber aus dem Mund eines Siebzehnjährigen ein wenig gestelzt und beinahe auswendig gelernt.
    Ist zwar noch sehr früh um Beurteilungen abzugeben, aber mal ehrlich, für einen sehr jungen Kerl dann doch etwas zuviel Weltschmerz, oder?

    Meine Güte, was für ein gestelzter Kram für einen Jugendlichen, auch für einen Upper-class-Streber im London der 1930er Jahre, oder war das so üblich? Sebastian hört sich ja noch künstlicher an als Ludwig Tieck, dieser deutsche Oberstreber und Besserwisser. Frage: muss Huxley einen Jugendlichen wirklich als an der griechischen Mythologie interessierten Möchtegern-Poeten darstellen? Meinte er damals wirklich, ein solcher Buchbeginn würde ihm unter Lesern Begeisterung und Sympathien einbringen? Das halte ich doch eher für zweifelhaft ...


    Am Schluss des Kapitels wird es dann schon recht witzig. Wir begegnen >Old Pfeiffer< dem Klavierlehrer von Susan einer Freundin? von Sebastian. Sebastian will sie besuchen,
    erntet aber eine Menge Spott von Pfeiffi, der sich in der Rolle des Witzereißers offensichtlich extrem wohlfühlt. Ich muss zugeben die Geschichte des >Vomitus< ist zwar derbe,
    aber sie bringt unseren Poeten deutlich herunter von den poetischen Höhen in denen er kurz vorher noch schwebte.

    Puh, diese kleine Episode und das gesamte zweite Kapitel machen mir Herrn Huxley bombig unsympathisch. Da gibt es nicht die kleinste Nuance eines Witzchens, die er dem Leser nicht platt und breit erklärt - muss das sein?





    Kapitel 2:


    Dass Huxley uns haarklein erklärt, wie Sebastian seine Cousine Susan, mit der er im Hause seiner Tante aufgewachsen ist, nun schon seit Jahren mit Schauermärchen in Aufruhr versetzt hat, ist ja noch verständlich. Aber warum muss er uns als Leser so vor den Kopf stoßen, dass er es für nötig hält, uns klarzumachen, dass auch die geschmacklose Affaire mit der geschmacklosen Figur der Mrs Esdaile eine pure Erfindung ist. Mag ja sein, dass es andere total begeistert, dasss Huxley nicht einmal versuchsweise zu Andeutungen greift, die des Lesers Intelligenz und Aufmerksamkeit fordern könnten, sondern praktisch jedes Detail seiner Komik selbst erklärt, aber für mich steht Susan da wie die letzte Doofkuh, weil sie Sebastians Lügengeschichten nicht als solche erkennt; Sebastian tut mir leid, wie er von seinem literarischen Schöpfer schon in wenigen Seiten als der letzte dämliche Angeber dargestellt wird - und wieviel Intelligenz Huxley uns als Lesern zutraut, das liegt ja wohl auch klar auf der Hand.
    Auch die Sache mit dem Dinnerjacket - er hätte die Situation doch ein bisschen raffinierter gestalten können, oder? Ein bisschen weniger breit und platt wäre meines Erachtens reizvoller gewesen. Ich finde Huxleys Schreibstil bisher total überheblich und plump.
    Naja, jedenfalls kann sich Sebastian nicht aus einer Einladung ins Savoy eines seiner Freunde entziehen, weil dieser den Termin Sebastians wegen auf einen späteren Termin verschoben hat, für den Sebastian keine Ausflüchte mehr hat. Der Punkt ist nämlich und Herr Huxley sorgt dafür, dass wir uns keinen Moment fragen müssen, dass Sebastians Vater ihn kurz hält, sowohl in Sachen Klamotten als auch Taschengeld. Kein Dinnerjacket für Sebastian, und ohne meint er, er könne der sonst so verlockende Einladung ins Savoy unmöglich nachkmmen.


    Ich habe keine große Lust, die ganzen restlichen pubertären Details aus diesem Kapitel zu erwähnen (die Prüderie Susans, der Schmarrn um die Unverkrampftheit bezüglich Nacktheit irgendwelcher Kumpels oder wem auch immer, und dem Hin und Her der gegenseitigen Attraktion zwischen Susan und Sebastian und ihrer Unfähigkeit, sich zu erkennen ...) - meine Güte, ich gehe auf die 50 zu, und das Zeugs aus dem zweiten Kapitel kommt mir vor wie destiniert für Bravoleser der 1930er Jahre.


    Wirklich sorry, ich weiß, dass ich hier zum Teil auch schlechte Laune abreagiere, was der Roman sicherlich nicht verdient, aber dieses zweite Kapitel scheint, glaube ich, auch ohne schlechte Laune, nicht gerade gut geschrieben. Und ich nehme es Huxley übel, dass er auf der einen Seite einen Fremdwortbegriff nach dem anderen und jede Menge Kultur 'raushängen lässt, uns aber mit der niedrigsten und breit getretensten Sorte von Humor abspeisen will.




    Kapitel drei:


    Dieses Kapitel kommt mir zwar auch nicht gerade gut geschrieben vor, aber immerhin wecken die Eindrücke von Sebastians Vater ein gewisses Interesse. Sebastian hat vor, einen letzten Vorstoß bei seinem Vater in dessen Wohnung zu wagen, von ihm ein Dinnerjacket zu erbitten, wobei er nicht recht weiß, wie er es anstellen soll - je direkter er bittet und je mehr sein Vater ihm die Wichtigkeit des Kleidungsstücks anmerken wird, desto höher die Wahrscheinlichkeit, kalt abserviert zu werden.
    Er trifft ihn nicht alleine an, sondern in Begleitung irgendeines italienischen Professors, der auf furchtbar gestelzte Weise den Punkt machen will, dass Kunst und Schlunzigkeit zusammengehören, Kunst und Ordnungsliebe jedoch nie. Dies in Anbetracht der steril wie ein OP wirkenden Wohnung von Sebastians Vater.
    Außerdem scheint der Vater gewisse sozialistische Tendenzen zu hegen, will man dem Leser glauben machen - angeblich schiebt er eine Menge Geld in politische Richtung und für wohltätige Zwecke etc, aber für Klein-Sebastian gibt es nichts.
    Was ich komisch finde, ist, dass Sebastian keine Fehler in seines Vaters Perfektion finden kann - mit siebzehn hat jeder normale Jugendliche die Schwächen der Erwachsenen in seiner näheren Umgebung längst treffsicher ausgelotet (ich sage absichtlich: nähere Umgebung, weil der Vater ja nicht mit seinem Sohn im selben Haus wohnt). Das erscheint mir unglaubwürdig.


    Das Kapitel schließt mit Sebastians Abschied aus des Vaters Wohnung mit dem Auftrag, den Onkel Eustace so lange im Hause seiner Tante aufzuhalten, bis sein Vater nachkommt, um einiges mit ihm zu besprechen.


    Wie gesagt: gegen dieses Kapitel habe ich nichts, bis auf die spürbare Überheblichkeit des Autors (der Schmarrn mit den Mikroben im Bart von Michelangelos gehörntem Moses und der Eleonora Duse etc. kam mir grausig gekünstelt vor - dieses affektierte Geschreibsel könnte sich Huxley wirklich sparen). Vielleicht liest man sich ja im Laufe der Kapitel warm ... :study::lol:

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Sebastian tut mir leid, wie er von seinem literarischen Schöpfer schon in wenigen Seiten als der letzte dämliche Angeber dargestellt wird - und wieviel Intelligenz Huxley uns als Lesern zutraut, das liegt ja wohl auch klar auf der Hand.


    Als Angeber wird er sicherlich dargestellt, aber gleichzeitig wissen wir ja woher es kommt. Das Kerlchen muss ja nach außen hin diese überhebliche Darstellung
    seiner Selbst raushängen lassen, weil er im Grunde unsicher und ohne jedes Selbstvertrauen ist. Der platte Witz von Pfeiffie lässt ihn ja im Ersten Kapitel schon heulend
    wegrennen. Ob Huxley uns nun Intelligenz zutraut oder nicht möchte ich so vorschnell nicht beantworten. Da warte ich noch etwas ab.


    und dem Hin und Her der gegenseitigen Attraktion zwischen Susan und Sebastian und ihrer Unfähigkeit, sich zu erkennen ...) - meine Güte, ich gehe auf die 50 zu, und das Zeugs aus dem zweiten Kapitel kommt mir vor wie destiniert für Bravoleser der 1930er Jahre.


    Hallo, der Kleine ist Siebzehn und ich fürchte furchtbar verwirrt von seinen Gefühlen. Ist ja auch der Grund, warum er diese erfundenen erotischen Abenteuer zum Besten gibt.
    Susan ist verliebt und damit schließt sich logisches Denken in jungen Jahren ohnehin aus. Ich denke, sie will gar nicht wissen, ob diese Stories nun wahr sind.


    Was ich komisch finde, ist, dass Sebastian keine Fehler in seines Vaters Perfektion finden kann - mit siebzehn hat jeder normale Jugendliche die Schwächen der Erwachsenen in seiner näheren Umgebung längst treffsicher ausgelotet (ich sage absichtlich: nähere Umgebung, weil der Vater ja nicht mit seinem Sohn im selben Haus wohnt). Das erscheint mir unglaubwürdig.


    Ich glaube du traust Siebzehnjährigen etwas zuviel zu. Wahrscheinlich ist der Vater doch etwas wie der einzige Halt in seiner Umgebung. Den kritisiert man nicht so schnell.


    Die Story mit dem Dinnerjacket finde ich ebenfalls etwas dürftig. Etwas zuviel Aufstand wegen einer Einladung zur Party, und sei sie auch noch so exklusiv.


    Ich stürze mich mal in Kapitel 4. Übrigens finde ich die Witze so schlecht nicht. Leicht platt, aber das stört mich nicht sonderlich. Ich bin da wohl weniger empfindlich.


    lg taliesin

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  • Kapitel vier:


    Man ist bei Familie Poulshot zum Essen versammelt: Fred Poulshot, irgend so ein erfolgreicher Broker, ist der Ehemann von Alice, der Schwester von Eustace Barnack und John Barnack, Sebastians Vater. Die 17jährige Susan und der 25jährige Jim sind die Kinder von Fred und Alice.
    Eustace hat eine angeblich brillant aussehende Politikerkarriere aufgegeben, um sich mit einer schwächlichen reichen Frau zu verheiraten und nach Florenz zurückzuziehen, wo er als reicher Witwer immer noch lebt.
    Die Bemerkungen über Alice waren ja noch halbwegs ok, mit der ihr etwas dümmlich-geheuchelter Puritanismus dargestellt wird (der Kater namens Onegin, Sohn von Puss-kin, und Abonnentin der Comic-Zeitschrift "Punch"), aber das mit Fred ging mir in der Darstellung zu weit. Ich weiß zwar genau, welche Art von Despoten, der sein angebliches Leiden unter all der Last seiner Verantwortung, Huxley mit Fred darstellen will, aber muss es gleich soplump und breit am Kapitelende sein, mit dem "... denn sie wissen nicht, was sie tun ..." und der Erinnerung an die Preisverhandlungen mit dem Bestatter von Sebastians Großvater elf Jahre zuvor. Dies und auch dieses Vorwurfsvolle gegen Jim, weil er gelacht hatte, das spricht mich nicht unbedingt an.
    Auf jeden Fall scheint die gesamte Familie ein uninspirierter Langweilerpfuhl zu sein, denn wie kann man sonst an ein und demselben Witz vom Eugeniker Haeckel gegen das menschenähnliche Gottesbild in einigen Religionen jahrzehntelang Gefallen finden.
    Das Dante-Zitat über die Typen in der fünften Hölle, die jetzt in Gasblasen aus stinkendem Schlamm ihre Ewigkeit verbringen, weil sie zu ihren irdischen Zeiten in ihrem Inneren von stinkender Fäulnis zerfressen waren - passt das eigentlich so wahnsinnig gut hier 'rein? Oder ist das wieder "Ich und Dante, Dante und ich" heraushängen lassen?


    Obwohl, diese kleine Verlächerlichung seitens Alice Poulshot von Sebastians theatralischer Schwermut mit dem Tennyson-Zitat fand ich dann doch ganz witzig, und dass Sebastian sie gleich darauf mit Adjektiven wie "commonplace" und "conventional" bedenkt - das ist eher mein Fall von Humor.




    Kapitel fünf:


    Dieses Kapitel fängt doch glatt gleich mit einem freudianischen Vergleich an (gibt es keine Bücher mehr ohne? :lol: ) und ein paar verdammt gruseligen Versen:

    Zitat

    Old but an infant, mouthing with lustful lip,
    The wet brown teat, incarnate where he sucks,
    Of some imaginary, largest Queen
    Of all the Hottentots ...

    Spätestens nach diesen Versen verstehe ich die Sorgen von Alice Poulshot um Sebastians Zukunft :geek:


    Normalerweise wache ich auf, wenn es irgendwo um soziale Ungerechtigkeiten geht, aber bei Eustaces, Freds und Johns Diskussion fielen mir fast die Augen zu, weil es jedem nur darum ging, dem anderen Vorwürfe wegen seiner angeblich fehlenden oder heuchlerischen Ethik zu machen - die ungerechten Arbeitsbedingungen in Indien oder auf afrikanischen Kaffeeplantagen waren den dreien im Grunde wurscht. Und auch da muss wieder mal eine kulturell gehobene Referenz her, diesmal eine Fabel von Äsop - immerhin finde ich sie diesmal passend, sowohl zur Unterhaltung als auch zu Eustaces Figur im Buch.
    Was tun diese Leute wie John Barnack als Aktivisten, als die sie sich darstellen wollen? Konkret wird da doch nichts genannt, oder? Man könnte noch ganz sarkastisch diesen selbstgerechten John Barnack fragen, was er denn dazu beigetragen habe, dass Mussolini Krebs bekommen habe - denn das ist ja kein von außen erarbeiteter, anti-diktatorischer Erfolg.


    Und dann wird die Frage wegen Ja oder Nein zum Kauf eines Dinnerjackets zu einer Frage von Moral und Ethik aufgeworfen - solche Leute haben echt einen Schuss. Entweder es heißt Ja oder Nein, aber die saublöde Ebene, auf der die Diskussion läuft, ist nur nervig und lächerlich. Da ändert auch das gekonnte Kontra von Eustace Barnack bezüglich der auffälligen Gleichheit im Anspruch zur Erziehung zur Verantwortlichkeit bei john und Mussolini nichts.


    Ende des Kapitels: die Entscheidung ist gefallen - es gibt keinen Smoking für Sebastian, er muss ins Bett. Susan schreibt noch Tagebuch, und dann geht sie Sebastian ein bisschen trösten, ganz unschuldig mit Haarekraulen.



    Hoffentlich verschippt Huxley den Sebastian möglichst schnell nach Florenz ...



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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • aber das mit Fred ging mir in der Darstellung zu weit. Ich weiß zwar genau, welche Art von Despoten, der sein angebliches Leiden unter all der Last seiner Verantwortung, Huxley mit Fred darstellen will, aber muss es gleich soplump und breit am Kapitelende sein, mit dem "... denn sie wissen nicht, was sie tun ..."


    Das sehe ich mal ganz anders. Ich finde die Darstellung dieses Miesepeters schon ziemlich gelungen. Das betretene Schweigen, das weniger durch Worte als durch dieses
    düstere Verhalten von Herrn Poulshot verbreitet wird, erinnert mich an Menschen die allein durch ihre Anwesenheit Asche über jede aufkommende Unterhaltung streuen
    und die jedes Lächeln als persönlichen Angriff verstehen. Das hat Huxley meiner Meinung nach recht gut dargestellt. Allerdings gebe ich dir recht, wenn es um den Club der
    Langeweiler geht. Nur Eustace sticht da etwas hervor und die Idee Sebastian an seiner Seite nach Florenz zu entsenden, kann dem kleinen Poeten nur gut tun. Vielleicht
    entwickelt Sebastian ja an Eustace Seite etwas mehr Lebensfreude. Andererseits frage ich mich, ob es ausreicht, ihn in der Kunst des Müßiggangs zu unterrichten, gepaart
    mit ein bissi Kultur.



    Spätestens nach diesen Versen verstehe ich die Sorgen von Alice Poulshot um Sebastians Zukunft


    Im ersten Kapitel hörte sich die Poesie gar nicht so übel an, aber dieses Beispiel ist allerdings zum Haare raufen. Ich nehme das mit dem >Lentyworm< wieder zurück.



    Was tun diese Leute wie John Barnack als Aktivisten, als die sie sich darstellen wollen? Konkret wird da doch nichts genannt, oder?


    Weit verbreitet unter all diesen pseudo-sozialistischen Theoretikern ist eben das Zerreden von Problemen und nicht die ehrlich gemeinte Aktion. Da fließt, wenn überhaupt
    vielleicht etwas Geld als Unterstützung, aber das war es dann auch.
    Das Sebastian seine >millions and millions< Theorie aus dem ersten Kapitel dem Vater nachgeplappert hat, ist nun auch klar. Aus dieser Familie sollte er wirklich schnell
    heraus, denn da kann sich nichts Positives entwickeln.

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  • 'n Morgen Barde,


    ich habe ein bisschen weitergelesen, und muss sagen, dass ich das Buch gut im Sinne von interessant finde. Allerdings fühle ich mich ein bisschen in der Zwickmühle, denn ich kann dem üblichen Muster des "Kapitel für Kapitel lesen und schreiben, wen ich toll finde und wen ich nicht mag" hier nicht entsprechen (konnte ich bei Auster schon nicht). Was bei dieser (zugegebenermaßen manchmal auch etwas langweiligen) Art einer Buchbesprechung nämlich meistens untergeht, das ist der Autor.


    Und der Autor hat bei mir schon seit dem ersten Kapitel hier in "Time must have a Stop" die Nackenhaare der inneren Warnung zum Aufstellen gebracht. Machen wir uns nichts vor. auch Eustace ist ein ausgemachtes A....


    Zwischen Kapitel 6 und 7 würde ich mal als Zwischenaussage folgendes sagen: hier hat sich ein Misanthrop (oder zumindest jmd. in einer akut misanthropischen Lebensphase) in Rage geschrieben. So sieht die Sache für mich bisher aus. Die einzelnen Kapitel stellen sich für mich bisher wie ziemlich plattgewalzte Hasstiraden auf verschiedene Menschentypen dar. Vo daher würde ich es lieber vermeiden, jetzt Rührung oder Sympathie für den einen oder anderen Charakter bezeugen zu wollen (wobei wir dann sowieso nur auf Vordergründiges beziehen würden), denn auf diese Weise lassen wir uns dann vom Autor in den Sack seiner verhassten Menschentypen stecken. Er macht sicherlich richtige Beobachtungen, keine Frage - aber ich werde hier keinen Misanthropen in seiner breit getretenen Selbstgerechtigkeit hochleben lassen und bewundern.


    Dennoch halte ich das Buch aus genau dem Grund für sehr gut, den Autor in seinem Hinterhalt beobachten zu können. Ich weiß natürlich nicht, ob ich recht habe und das so weiter geht wie bisher. Sollte dem so sein, dann hätte der Vorwort-Verfasser mit seiner Sympathie für den Buchhändler daneben gelangt und in die "rührselige-Teetantchen-Schiene" gegriffen - das klingt aber eher unwahrscheinlich für mich. Ich kann ja auch nicht wissen, was da noch kommt ...


    Sollte man nicht ein ganzes Stück weiterlesen und eher mal zwischendurch einen Eindruck geben, wie das Buch insgesamt auf uns wirkt?
    Mich hat die Unterhaltung zwischen Eustace und der Gesellschaftsdame seiner Schwiegermutter in seiner platten Gehässigkeit ebenso abgestoßen wie die schleimig-abwertende Haltung, mit der er (die sicherlich richtig erkannten ) Klischees in dem Kunstladen verbal hingespuckt hat. Wie gesagt, das Buch interessiert mich (sehr), nur eben nicht aus den üblicherweise für eine MLR herrschenden Erwartungen für eine Teilnahme heraus (dem "das kann ich nachvollziehen", "sehr sympathisch", "also, das verstehe ich nicht", "das sollte diese person nicht tun", "ich bin gespannt, was jetzt noch kommt" etc.).
    Ist keine Kritik (ich sitze hier schließlich mit im Boot :lol: ), aber vielleicht lohnt es sich auch mal für un, ein bisschen das Level unserer eigenen Posts, die auf eine beunruhigende Weise übrigens auf eine brutal festgefahrene Leseerwartung schließen lassen, so wie ich das sehe, modifizieren?

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Ist keine Kritik (ich sitze hier schließlich mit im Boot ), aber vielleicht lohnt es sich auch mal für un, ein bisschen das Level unserer eigenen Posts, die auf eine beunruhigende Weise übrigens auf eine brutal festgefahrene Leseerwartung schließen lassen, so wie ich das sehe, modifizieren?


    Der Autor, nicht das Buch, oder nur das Buch, vergiss den Autor. Oder vielleicht ein Mittelweg?
    Schwierige Frage mit der ich mich schon immer schwer getan habe. Aber dein Vorschlag kommt mir gerade
    recht, denn Huxley tobt hier tatsächlich seine Menschenfeindlichlkeit extrem aus. Im sechsten schaudert es mich förmlich vor Mrs. Thwale und Eustace macht auch keine
    angenehme Figur.
    Allerdings bin ich sehr verwundert über Huxley, den ich in dieser extremen Art nie kennengelernt habe. >Island< zum Beispiel ist zwar auch nicht gerade optimistisch bezüglich
    des Menschenbildes, lässt aber wenigstens etwas Hoffnung zu.


    Da ich auch etwas aufgeschmissen bin was diesen Roman angeht und eine Änderung der Lesetechnik vielleicht eine Möglichkeit wäre das Ganze etwas neutraler zu bewerten
    und uns nicht durchgehend über einzelne Typen auszulassen, bin ich einverstanden es anders zu versuchen. Ich fürchte auch, wir verheddern uns sonst völlig und das würde
    dem Roman und Mr. Huxley nicht gut tun.


    Also, @Hypocritia , gute Idee. Lesen wir weiter und posten Eindrücke mal abseits der üblichen detaillierten Beiträge. Hilft sicher auch beim Lesevergnügen, denn das ginge hier
    sonst tatsächlich verloren.

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  • Mittlerweile habe ich Kapitel 12 angefangen (S. 105) und tue mir weiterhin schwer.


    denn Huxley tobt hier tatsächlich seine Menschenfeindlichlkeit extrem aus. Im sechsten schaudert es mich förmlich vor Mrs. Thwale und Eustace macht auch keine
    angenehme Figur.
    Allerdings bin ich sehr verwundert über Huxley, den ich in dieser extremen Art nie kennengelernt habe.


    Hm, Huxley scheint ja mit Wonne aufzeigen zu wollen, auf welch verruchten und verfluchten Wegen Onkel Eustace dahinwandelt, gewissenlos und in hemmungslosem Hedonismus. Aber einen scheint er ja zu lieben: den hl. Bruno Rontini - sag' mal, was ist denn das für ein Buch?! :shock::totlach:
    Da sagt doch Onkel Eustace tatsächlich auf S. 80, dass dieser blasige Predigt-Inhalt von S.71, den der von Spiritualität durchdrungene Carlos von wegen

    Zitat

    ... that there is only one corner of the universe you can be certain of improving, and that's your own self

    , und der "Wahrlich-Ich-sage-Euch"-Kram, der dann folgt von wegen

    Zitat

    The wise man begins by transforming himself, so that he can help other people without running the risk of being corrupted in the process

    , dass das keine Predigt sei? Und jemand, der so einen hyperidealistischen, völlig unrealistischen Kappes verzapft, schimpft in den ersten Kapiteln über humanistische Idealisten wie John als Heuchler? Ganz ehrlich - Huxley hat sie doch nicht mehr alle - das ist meine Meinung. Ich kann nur über dieses Buch lachen, sonst müsste ich es an die Wand schmeißen.


    Und dann die Unterhaltung, als sie Sebastian abholen: das klingt wie billige postbiblische Magdalenen-Fanfiction! :shock: Das hört sich so an, als würde Onkel Eustace im Laufe der nächsten Kapitel von seinem verwerflichen Lebenswandel zum Spiritualisten bekehrt werden - wird das wirklich passieren?!


    Ich finde da so einige Textstellen ganz schön billig manipulativ: in der Buchhandlung und auf der Autofahrt kommt doch immer wieder durch, dass dem Bruno nichts ferner läge, als jmd. anderem seine sprituellen Erkenntnisse aufdrücken zu wollen, da sie nicht weitergegeben werden könnten, sondern sich jmd. von selbst damit "infizieren" muss. Dann kommt diese schleimige Textstelle auf S. 92 unten:

    Zitat

    Sebastian looked again at Bruno, and, under the influence of his uncle's introduction, saw only foolishness in the bright eyes, only bigotry in that bony face, ...

    Klar, der ungläubige Thomas, der sich hinterher bekehren wird, weil er "die Wahrheit" nicht länger verleugnen kann oder so ähnlich wird das wohl ablaufen, kann man das hier erwarten? So hört sich das für mich zumindest an. Wenn dem so sein sollte, wäre das ewig billig, denn auf der einen Seite kann man das ja angeblich nicht an jemanden weitergeben, ohne dass sich da einer freiwillig "infiziert", aber Huxley glaubt, er wird uns die Bekehrung des hedonistischen Eustace in der Rolle der sündigen Magdalena liefern, so dass er uns unbemerkt in die "freiwillige Infektion" hineinmanipuliert? Wenn dem so sein sollte, spucke ich jetzt schon drauf. Aber dazu muss man wohl weiterlesen, um zu erfahren, ob Eustace sich bekehren lässt oder nicht, vor seinem Tod, den uns der Typ aus dem Vorwort schon angekündigt hat.



    Ich habe auf wikipedia kurz die Biografie über Huxley überflogen und dort seine seltsam spirituell-religiösen Neigungen gesehen. Ich hoffe allerdings nicht, dass er hier eine Art Proselytismus-Buch geschrieben hat. Das ist bisher schon harter Tobak für mich. Ich glaube Dir, Barde, dass Du das Buch noch nicht kennst, denn andernfalls müsste ich Dir das Teil an den Kopf schmeißen (ich bin aber eigentlich gar nicht böse, sondern ich lache die ganze Zeit vor mich hin, weil ich jedesmal wieder in solche spirituell-esoterischen Dinger hineingerate, also kein Stress :friends: ).



    Allerdings freue ich mich noch auf die Queen Mother, denn da wird doch sicherlich noch etwas mit den Séancen und Kommunikation mit dem Jenseits kommen, oder? Das wurde ja schon so oft angedeutet, dass ich mir da wirklich noch ein Schmankerl der lustigen Art erwarte :loool:



    >Island< zum Beispiel ist zwar auch nicht gerade optimistisch bezüglich
    des Menschenbildes, lässt aber wenigstens etwas Hoffnung zu.

    Dieses Buch war das letzte von Huxley, oder? Ist das eines der Methhead-Rechtfertigungen? meine Güte, was ist das für eine total durchgeknallte Type gewesen, dieser Aldous Huxley ... :P (ich kann nur noch grinsen und mit dem Kopf schütteln).

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  • Klar, der ungläubige Thomas, der sich hinterher bekehren wird, weil er "die Wahrheit" nicht länger verleugnen kann oder so ähnlich wird das wohl ablaufen, kann man das hier erwarten?


    Gott bewahre uns vor einem solchen Verlauf der Story. Ich hoffe doch, dass Eustace seine hedonistischen Züge mit ins Grab nimmt, sonst bin ich doch enttäuscht, Das
    wäre wirklich zu billig.


    Na ja, Bruno wird zwar von Eustace als einer der Guten bezeichnet, aber der Kontakt Bruno/Sebastian ist Eustace ja auch nicht recht. Dann ist da noch die schwülstige Szene
    in der Bruno seinen Freund wohl doch noch auf die gläubige Seite ziehen will. Da is nix mit von selbst infizieren, oder?


    Sebastian scheint wohl doch nur eine Zielscheibe (wie der Heilige?) der Beiden zu werden. Auch wenn diese Pfeile nicht töten, er tut mir jetzt schon leid. Ich sehe das
    mittlerweile als Bombardement Huxleys auf das Prinzip des Wahren, Schönen Guten. Wenn, dann ist das eine sehr pessimistische Sicht des Menschen und seiner Möglichkeiten.
    Alles Sackgasse, oder wie sollen wir das verstehen. Nimmt er uns auf die Schippe?


    Auf die Seance wäre ich dann gespannt. Das kann ja nur sarkastische Züge tragen.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • Mittlerweile habe ich das Buch durchgelesen und werde noch einmal einen abschließenden Kommentar abgeben:


    Im dreißigseitigen Epilog wird eigentlich erst wirklich klar und deutlich, was Huxley im Buch sagen will: er meint nämlich, dass nicht nur der Glaube an Gott unabdingbar ist, sondern er verlangt auch noch eine weltweit unifizierte Religion. Und solch ein Phantast spottet in gehässiger Weise über humanitäre Idealisten wie John Barnack! Der ultimative Weltfremde verurteilt nicht ganz so weltfremde Menschen ...


    OK, auch wenn das gesamte Buch für mich unterschwellig zu sehr in einem "Wahrlich-ich-sage-Euch"-Ton geschrieben ist und dementsprechend oft ein bisschen breit und platt daherkommt, muss ich sagen, dass ich den Part in Florenz, in dem Sebastian das Versprechen seines Onkels Eustace bezüglich desSmokings und des Bildes von Degas heimlich nach dessen Ableben einzulösen versucht, wahnsinnig gerne gelesen habe. Die ganzen Wirren und das Hineinziehen von unschuldigen Personen war gut zu lesen.


    Die Séancen wären lustig zu lesen gewesen, wenn der Vortwort-Verfasser den Clou darin nicht in einem Spoiler vorweg genommen hätte. Schade.
    Insgesamt war die Präsenz von Eustace im Jenseits ganz nett zu lesen, wenn sie auch ein bisschen zu sehr nach "Ich und mein Dante, mein Dante und ich" klang, und Huxley ein bisschen Probleme mit dem Konzept hatte, das er dem gesamten Buch vorangestellt hat: "Time must have a stop": In Kapitel 28 auf S. 220 wird klar, dass er die Art Fegefeuer, die Huxley Onkel Eustace zugedacht hat, (ich rede von Fegefeuer, denn im Buch hieß es irgendwo, dass Eustace genau wüsste, was er tun müsse, um zur Erlösung, zur Befreiung aus den Stimmen und der "derision" gelangen zu können) als ankerlose Verlorenheit in Zeit und Raum darstellt, denn wenn er in Kontakt mit dem irdischen Medium in den Séancen kommt, heißt es:

    Zitat

    It was enough just to have this feeling of space and time and the processes of life. Nothing else was required. This alone was paradise.


    Auf S. 222 dagegen heißt es dann:

    Zitat

    There was a kind of side-slip, a falling, as it were, through the intricacies of the lattice - and he knew himself remebering events that had not yet taken place.

    Das ist schon wieder eine Angabe von zeitlichen Bezügen zueinander, die nicht gegeben sein kann, solange er keine Zeit fühlt. Ich habe den Eindruck, dass Huxley sich nicht so richtig mit dem irrationalen Konzept der Unendlichkeit auseinandergesetzt hat und deshalb so naiv zeitliche Bezüge einsetzt (Ich würde nämlich sagen, dass in einer echten Unendlichkeit jeder Teil der Unendlichkeit auch in sich wieder unendlich sein muss, denn sonst könnten wir nicht von einer echten Unendlichkeit sprechen, sondern nur von einer sehr langen Dauer. Das heißt dann aber auch, dass jeder Zeitpunkt gleichzeitig gegen Null und gegen unendlich gehen muss - ein Zeitpunkt, der gegen Null und gleichzeitig gegen unendlich geht, kann jedoch keinen Bezug zwischen vorher und nachher zulassen, weshalb Huxleys Aussagen über Eustaces "Wahrnehmungen" im Jenseits einfach nicht zusammenpassen können.)


    Insgesamt fand ich das Buch jedoch als extrem interessant zu lesen. Man muss ja schließlich nicht immer mit allem und jedem einverstanden sein, was ein Autor so schreibt. Immerhin hat sich Huxley extrem viele eigene philosophische Gedanken gemacht, auch wenn er für mein Verständnis überheblich und selbstgerecht daherkommt, und selbst der größte idealistische Phantast zu sein scheint.
    Ich habe dem Buch deshalb drei Sterne :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: gegeben, da er immerhin versucht hat, sich über die Menschheit ernsthafte Gedanken zu machen, auch wenn meiner Meinung nach nicht viel Gescheites dabei herausgekommen ist. Ich werde trotzdem versuchen, eine Rezension zu diesem Buch zu schreiben, denn sang- und klanglos sollte es nicht untergehen.
    Nur für eine Minileserunde halte ich es schon allein aufgrund des moralischen und religiösen Anspruchs als ein bisschen ungeeignet.

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog