Bill Konigsberg - Offen Hetero / Openly Straight

  • Inhalt


    Rafe ist schwul. Zumindest in seiner Heimatstadt Boulder, Colorado. Sein Coming Out wurde von seiner Familie und seinen Freunden durchweg positiv aufgenommen und alle seine Bekannten unterstützen ihn. Eigentlich ist alles perfekt - gäbe es da nicht ein großes Problem: Rafe hat die Nase voll von der Schublade mit der dicken, fetten Aufschrift "schwul", in die er immer und immer wieder gesteckt wird. Er kommt sich vor wie der Vorzeigeschwule, das Anschauungsobjekt, das nur auf seine sexuelle Identität reduziert wird. Ganz nach dem Motto: "Sieh nur, das kommt der schwule Junge." Also fasst Rafe einen Entschluss: Zum neuen Schuljahr wechselt er auf Natick, ein Jungeninternat am anderen Ende des Landes. Und dort wird er eines bestimmt nicht sein: Schwul. Er outet sich einfach nicht, um nicht immer die (eingebildete?) Schranke zu spüren, die sich daraufhin zwischen ihm und seinen Mitmenschen aufbaut. Bis er sich in seinen Mitschüler Ben verliebt ...



    Bewertung


    Das Buch problematisiert das Denken in Schubladen, in die man aufgrund bestimmter Eigenschaften gesteckt wird. Diese führen letztlich immer dazu, auf ausgewählte Teile seiner Identität reduziert zu werden, was der Hauptcharakter Rafe irgendwann nicht mehr aushält. Die Idee hinter dem Roman fand ich ziemlich gut, leider hielt sich meiner Meinung nach die Qualität der Umsetzung in Grenzen. Rafe war mir größtenteils wirklich unsympathisch, auch wenn ich sein grundlegendes Problem gut verstehen kann. Aber er hat mir deutlich zu viel rumgejammert. Auch war das Buch (für mich zumindest) sehr vorhersehbar. Teilweise wurden leider einige Gedankengänge immer wieder wiederholt, sodass man sich irgendwann dachte: "Ja, ist okay jetzt, ich habe es mittlerweile verstanden". Der Schreibstil war ganz okay, für mich an einigen Stellen zu kitischig und zweitweise tauchten komische Formulierungen auf, die aber genauso gut an der Übersetzung aus dem Englischen liegen können.
    Warum kann man das Buch meiner Meinung nach trotz dieser Kritikpunkte gut lesen? Das hat mehrere Gründe.
    Zum einen der Humor. Ich fand einige Stellen echt sehr lustig zu lesen und teilweise wurde auch Rafes Besessenheit mit Schubladen und Labels auf die Schippe genommen (teilweise bildet er sich diese Allgegenwärtigkeit seiner Sexualität bei seinen Mitmenschen auch nur ein, vermutlich, weil sie für ihn selbst doch einen größeren Teil seiner Identität ausmacht, als er sich anfangs eingestehen will). Auch die Nebencharaktere fand ich größtenteils sympathisch und gut dargestellt.
    Zum anderen beinhaltet das Buch wirklich interessante Gedankengänge und Fragen zum Thema Sichtbarkeit und Identität. Inwiefern ist es wichtig, als Angehöriger einer Minderheit sichtbar zu sein und damit gegen Diskriminierung einzutreten und politisch aktiv zu sein? Wie wichtig ist Sichtbarkeit, um der eigenen Identität gerecht zu werden? Wie wichtig ist die eigene Sexualität für die Beschreibung der Identität, vor allen Dingen, wenn diese von der heterosexuellen Norm abweicht? Ist das Verstecken der eigenen Sexualität eine Lüge und wie viel Nähe kann man zu anderen Menschen aufbauen, wenn man diesbezüglich schweigt?


    Fazit
    "Offen Hetero" von Bill Konigsberg ist ein unterhaltsames Buch mit einer meiner Meinung nach guten Grundidee, das sich schnell weglesen lässt und dabei trotzdem noch interessante Fragen bezüglich Identität(spolitik) aufwerfen kann. Aufgrund des Hauptcharakters, der Vorhersehbarkeit und des Schreibstils gibt es ein paar Sterne Abzug, sodass ich letztendlich bei einer Bewertung von :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: lande.


    Anmerkung: Die Rezension bezieht sich auf die Ebook-Ausgabe

    "You may, however, rest assured there are no ghosts in this world. Save those we make for ourselves."
    Sherlock (BBC) - The Abominable Bride


    "Please don't put a label on me - don't make me a category before you get to know me!"
    John Irving - In One Person