Gabriela Zander-Schneider: Sind Sie meine Tochter?

  • Hallo an alle
    Ich möchte euch noch ein sehr eindringliches Buch zum Thema "Demenz" empfehlen.




    Zum Inhalt


    „Sind Sie meine Tochter?“ Eine Frage, die einen zunächst mal stutzen läßt und verblüfft. Im Laufe des Buches erkennt man die bittere Realität, die dahinter steckt.

    Gabriela Zander- Schneider beginnt ihr Buch mit der Schilderung einer ganz normalen alltäglichen Situation: sie möchte ihre ältere Mutter zum Arzt begleiten, die Zeit drängt etwas, man will ja pünktlich sein, Mutter muß nur noch schnell den Mantel anziehen.
    Dann kommt es: nichts mehr mit „nur noch“ und „schnell“, den die Mutter ist dement, sie „beteiligt“ sich an den Vorbereitungen zum Aufbruch durch konstante Ignoranz, aus dem Fenster gucken und fröhliches Summen. Außerdem ist sie „ausgelaufen“. Gisela muß sie also hastig komplett umziehen und sauber machen, man schafft den Arzttermin gerade so eben mit geringer Verspätung, um dann mit einem missbilligenden Blick der Sprechstundenhilfe belohnt zu werden.
    Naja, mit einem dementen Angehörigen wird man selten noch irgendwo pünktlich auftauchen....

    Gabriela Zander- Schneider beschreibt eindringlich ihre Gefühle, vor allem auch all das, was unweigerlich in einem hochkommt: Verletzungen, Streitigkeiten, Ungerechtigkeiten und Frust aus der Vergangenheit, die man nun mal teilweise gemeinsam hat und die die Pflege demenzkranker Angehöriger nicht gerade erleichtern.
    Gabrielas Mutter reagiert gerne mit Ignoranz – damals wie heute – Ratschläge ihrer Tochter mag sie nicht annehmen. Die Mutter war immer schon dominant, hatte alles im Griff und ließ sich nichts sagen – schon mal gar nicht von der eigenen Tochter. Im Mittelpunkt möchte sie immer noch stehen, jetzt vielleicht mehr denn je, da ist jedes Mittel recht.

    Die ersten Veränderungen fallen eher Karlheinz, Gabrielas Bruder auf: er sieht die Mutter nicht so häufig, hat also mehr kritische Distanz.
    Nach der Diagnose versucht die ganze Familie, mitzuhelfen, und Gabriela Zander- Schneider bekommt dort viel Unterstützung. Trotzdem zeigt der immer anstrengendere Umgang mit ihrer Mutter auch bei ihr Spuren: sie kann kaum noch ihren Hobbies nachgehen, alles kreist nur noch um die Mutter, sie muß beruflich zunehmend kürzer treten bis hin zur Aufgabe ihrer Stelle.

    Gabriela Zander- Schneider muß sich daran gewöhnen, dass ihre Mutter auf der Straße fremde Leute grüßt, sich im Supermarkt mit Tiefkühlhähnchen und der Papp – „Frau Antje“ in der Käseabteilung unterhält.
    Wirklich kritisch wird es an dem Tag, an dem die Mutter die Tochter nicht mehr erkennt und für eine Einbrecherin hält. Eine Unterbringung im Heim wird nicht mehr zu vermeiden sein.

    Wirkliche Hilfe von fachkundigen Stellen bekommt Gabriela Zander- Schneider zunächst nicht so recht, damals gab es noch nicht so viele Angebote wie heute. Der damals konsultierte Facharzt meinte auch nur lapidar „das wird noch schlimmer“....



    Meine Meinung:


    Das Wissen um die medizinischen Hintergründe der Krankheit mag interessant und auch wichtig sein, aber man braucht in erster Linie eine „Gebrauchsanweisung“, wie man mit dem Kranken umgeht, ihn beschäftigt, sich verständlich macht, ohne den Kranken zu überfordern.
    Um anderen in ähnlicher Situation weiterzuhelfen, gründet sie gemeinsam mit ihrem Mann die Alzheimer- Selbsthilfe in Köln- Weiden. Aus ihrer Erfahrung heraus stellt sie am Ende des Buches nochmals speziell Ratschläge zusammen, die man sehr berücksichtigen sollte; außerdem noch eine Liste mit Adressen.

    „Sind Sie meine Tochter?“ ist für mich eines der eindrücklichsten Bücher, die ich zu diesem Thema bisher gelesen habe. Möglicherweise auch gerade deshalb, weil es um eine Mutter-Tochter-Beziehung geht.
    Ein Buch, das ich mit Sicherheit noch ein weiteres Mal lesen werde.



    Viele Grüße

  • Als ich das Buch heute in einer Wühlkiste entdeckte, erinnerte ich mich, eine wohlwollende Rezension dazu vor ein paar Tagen gelesen zu haben. Und dann wars natürlich meins, für 2 €.


    @TinkerbellMarie ,
    so viel zum Thema "eigentlich sind alle meine Regale voll".

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Gut gemacht, Marie :flower:
    In so einer Wühlkiste fühlt sich ein Buch auch nicht wohl, gut, daß es jetzt bei dir ist.
    Ich bin sehr auf deine Meinung gespannt!



    Liebe Grüße